Dienstag, 29. Oktober 2019

"Die Bakchen" im Burgtheater

Die "Preußische Nacht" ist schon eine echt gute Erfindung! Gemäß dieser Regelung des Preußischen Militärs durfte man sich erst über etwas oder jemanden beschweren, wenn eine Nacht vergangen war, wenn man also noch einmal "darüber geschlafen" hatte.

Nach dieser Aufführung der "Bakchen" von Euripides im Burgtheater ließ ich sicherheitshalber gleich drei Nächte vergehen...


Sechs große Laufbänder waren das Bühnenbild
Foto: Burgtheater / Andreas Pohlmann




Die Aufführung dauert etwa 3,5 Stunden; eine Pause gibt es nach 2 Stunden. So lange hielten wir aber nicht durch: wir gingen nach 75 Minuten, mitten während der Vorstellung - und es war mindestens 60 Minuten zu spät.

Es waren mehrere Faktoren, die uns die Vorstellung unmöglich machten, und alle hängen sie miteinander zusammen.

Die ganze Zeit - und ich meine damit: wirklich ununterbrochen - wird getrommelt. Es gibt auch noch drei Streicher und ein Keyboard, aber die Trommeln sind bei weitem dominierend. Sie geben einen Rhythmus vor, gegen den die Schauspieler einfach nicht ankommen, sie müssen diesen Takt mitsprechen. Wogegen ja noch nichts einzuwenden ist: wenn ein Stück in Versen geschrieben ist, gibt es automatisch einen gewissen Rhythmus.

Was aber wirklich problematisch war: nach etwa jedem dritten Wort gab es eine Pause von einem Takt oder mehr, sodass völlig unzusammenhängende Satzfetzen entstanden, die ein Verstehen des Textes einfach unmöglich machten. Das Ganze noch dadurch verschärft, dass der Text komplett monoton, fast ohne Modulation gesprochen wurde. Das klingt dann so, als gäbe es keinerlei Satzzeichen, die ganze Litanei ist ein einziger gesprochener Bandwurm.

Wenn || eine solche Pause von 2-3 Sekunden markiert, dann klang der vorige Absatz etwa so:
Was aber wirklich || problematisch war nach || etwa jedem dritten || Wort gab es eine ||  Pause von einem || Takt oder mehr || sodass völlig unzusammen || hängende Satzfetzen || entstanden die ein || Verstehen des Textes || einfach unmöglich machten
Wir bekamen schlicht und einfach nicht mit, was da auf der Bühne abging. Alles was ich über das Stück weiß, habe ich aus diversen Inhaltsangaben herausgelesen.

Wirklich schade und vor allem: wirklich ärgerlich!

Denn das Stück wäre wirklich top aktuell! Der rachsüchtiger Gott Dyonisos (oder Bacchus) entführt alle Frauen der Stadt in die Berge und feiert dort mit ihnen wilde Orgien. Der Mann der Vernunft und Herrscher der Stadt ist dagegen machtlos. Als er als Tier verkleidet aus einem Versteck heraus so einer Orgie zusehen darf, wird er entdeckt, aber nicht erkannt, sondern von den völlig aufgeputschten Frauen (den Bakchen, den Anhängerinnen Bacchus) einfach zerrissen.

Der Verführer siegt mit seinen Orgien also über den Vernunftmenschen. Sinnlichkeit und reiner Gegenwartsbezug gegen Aufklärung, Planung und Denken in die Zukunft. Populisten gegen staatstragende Parteien. Und noch viele weitere Deutungen, die hier möglich wären.

Als Bühnenbild fungierten nur sechs große Laufbänder, jedes etwa 7x2 Meter groß. Die Bänder bewegten sich ganz langsam, sodass die Schauspieler gezwungen waren, etwa alle 2-3 Sekunden einen Schritt zu machen (ja, ich hatte viel Zeit, all das zu beobachten). Die Laufbänder waren in der Höhe und in der Neigung verstellbar; damit die Darsteller nicht über die Kante in die die Tiefe fielen, waren sie mit einer Art Leine an diese Laufbänder gebunden (ein Blick auf das Foto macht klarer, was ich hier beschreibe). Die Bänder liefen ununterbrochen, sodass eben auch die Schauspieler gezwungen waren, ständig zu gehen - aber eben ganz langsam.

Wir haben kein Abo mehr, sondern ich wollte die Aufführung wegen des Stückes und seiner Aktualität sehen. Insofern selber schuld, denn ich hätte schon aus den diversen Rezensionen in den Medien herauslesen können, was da auf uns zukommt. Aber eben versäumt; das wird mir so schnell nicht wieder passieren!

Den Namen des Regisseurs (Ulrich Rasche) werd ich mir jedenfalls merken. Sollte er noch einmal bei einer potentiellen Inszenierung vorkommen, werde ich garantiert vorher sämtliche verfügbaren Informationen über sie einholen!

Diese Vorstellung war jedenfalls komplett daneben, eine einzige Verarsche.


* * * * * * *

P.S: Dass man ein antikes Stück auch heute noch gut und verständlich inszenieren kann, beweist die "Orestie", die das Burgtheater derzeit immer noch im Programm hat.

1 Kommentar:

  1. Schade, dass es Euch nicht gefallen hat.
    Ich habe das Stück ja auch gesehen und war absolut hingerissen von der Inszenierung! Ein anstrengender Abend, das ja - aber das darf es auch sein bei dem schwierigen Thema.

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