Bücher bis 2014

Seit 2003 schreibe ich mit, welche Bücher ich gelesen habe und wie sie mir gefallen haben. Dabei reicht meine Bewertungs-Skala von 0 bis 5:
  • 0: völliger Mist, Lektüre abgebrochen
  • 1: zwar fertig gelesen, aber ...
  • 2: unterdurchschnittlich
  • 3: Durchschnitt
  • 4: sehr gut, überdurchschnittlich
  • 5: super, über-überdurchschnittlich, (Nobel-)preisverdächtig
Ich werde in diese Liste nur Bücher mit der Wertung 4 und 5 aufnehmen, mit den anderen möchte ich euch gleich gar nicht behelligen. Jedes dieser Bücher kann ich also empfehlen, wenn auch manchmal ihr Inhalt durchaus sehr ernst ist.

Bitte unbedingt beachten, dass die Wertung natürlich rein subjektiv ist: Ein Buch, das ich super finde, kann jemand anderer völlig daneben finden - und umgekehrt.


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2014

Anna Gavalda: Zusammen ist man weniger allein
Auch dieses Buch dürfte gar nicht in dieser Liste stehen, denn ich habe nach etwa 120 Seiten aufgegeben (Wertung 0). Ich habe es aber dennoch aufgenommen, weil es 2014 das "Buch der Stadt Wien" ist.
"Lindenstraße" oder die verunglückte Serie des ORF "Mitten im 8en" in Buchform auf knapp 600 Seiten. Hier passiert einfach gar nichts. Große Enttäuschung.

Wolfgang Schorlau: Das dunkle Schweigen
Wieder verpackt Wolfgang Schorlau Historisches auf geniale Art und Weise in einen aktuellen Kriminalroman. 1947 überschreibt ein Fabrikant in der Nähe von Bruchsal sein Hotel an einen 15-Jährigen, eine Zusatzvereinbarung zum Vertrag bleibt geheim. Die Enkel des ehemaligen Eigentümers möchten das Hotel möglichst wieder zurück haben und setzen Kommissar Dengler an den Fall an. Aber wen immer er auch fragt, er stößt auf eine Mauer der Schweigens. Kein Wunder, denn soviel findet Dengler dann doch heraus: es muss etwas mit dem abgeschossenen amerikanischen Bomber im Anschluss auf das verheerende Bombardement auf Bruchsal zu tun haben (Stichwort Fliegermorde).

Andreas Latzko: Menschen im Krieg 
Auf dieses zu Unrecht vergessene Werk wurde ich durch einen Artikel in der Presse aufmerksam - glücklicherweise. Andreas Latzko beginnt dort, wo "Im Westen nichts Neues" endet. In sechs Novellen beschreibt er das eigentlich Unbeschreibliche: schwer traumatisierte Kriegsteilnehmer (Stichwort PTBS, der Autor war selbst davon betroffen; damals nannte man sie noch "Kriegszitterer"), die die Welt nicht mehr verstehen. Es gibt auch Verbindungen zu Alice Schalek und ihren widerlichen Kriegsberichten und somit auch zu den "letzten Tagen der Menschheit": einer ihrer Berichte steht ganz offensichtlich Pate für das Kapitel "Der Sieger".
Sehr lesenswert, sehr beeindruckend! Gut kommentierendes Nachwort.

Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues
Dieser Roman darf im Jahr 2014 natürlich nicht fehlen. In sehr einfachen Sätzen und zeitweise "soldatennaher" Sprache gelingt es dem Autor, die Stimmung an der Westfront von 1916-1918 zu schildern. Ganze Schulklassen werden von ihren Lehrern genötigt, sich zum Kriegsdientst zu melden, ohne eine Ahnung zu haben, was da draußen vorgeht: Maschinengewehre, Trommelfeuer, Artilleriebeschuss, Handgranaten, Flugzeuge, Gas und zuletzt auch noch Panzer; Überleben ist reine Glückssache. Nach den fürchterlichen Erlebnissen ist den meisten jüngeren Soldaten klar, dass sie einer verlorenen Generation angehören, die sich in ein Leben danach nur noch schwer eingliedern wird können: Die Ausbildung abgebrochen, später nur noch Kriegshandwerk ausgeübt, komplett abgestumpft und mit wechselseitigem Unverständnis den Verwandten in der Heimat gegenüber stehend.
Auch wenn es so aussieht, ist es dennoch kein Kriegstagebuch, sondern ein Roman, in den Erlebnisse unterschiedlicher Personen einfließen. Insgesamt ergibt sich dann aber ein sehr komplettes Bild.
Sehr packendes, erschütterndes Werk; dabei ist das schon die entschärfte Fassung, die in Druck ging. Die Rohfassung musste Remarque auf dringendes Ersuchen des Verlages erst noch publikumstauglicher machen.

Saul Bellow: Herzog
Rein anhand meiner Skala bewertet, müsste ich eigentlich eine 0 vergeben, denn nach 250 Seiten (ziemlich genau der Hälfte) bin ich auf Seite 475 von 490 gesprungen und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich was versäumt hätte - denn es ist ewig das Gleiche; ich wundere mich, dass ich überhaupt so lange durchgehalten habe.
Dieser Roman
ist aber deshalb trotzdem in dieser Liste, weil diese 250 Seiten durchaus witzig sind! Saul Bellow ist ein genauer Beobachter und kann innere Zustände super beschreiben. Ich fühlte mich die ganze Zeit an Philip Roth erinnert, und der ist immerhin einer meiner absoluten Favoriten (wie man dieser Liste leicht ansieht; eine Schande, dass er noch nicht den Nobelpreis hat). Aber es gibt überhaupt keine Entwicklung, von den 490 Seiten sind mindestens 250 zuviel!
Schade, da hätte ich mir mehr erwartet - sehr viel mehr.

Aravind Adiga: Der weiße Tiger
Balram, der weiße Tiger, versucht, aus dem indischen "Hühnerstall" auszubrechen, in dem die Reichen und Mächtigen die Armen fest im Griff haben. Das gelingt ihm, indem er als Fahrer so eines Reichen diesen ermordet und sich mit dessen Geld im Süden eine neue Existenz als Unternehmer aufbaut. Er nimmt dafür in Kauf, dass seine restliche Familie im Norden von den Reichen und Mächtigen terrorisiert wird.
Der Roman ist sehr flott und pointiert geschrieben und zeichnet ein nicht sehr schmeichelhaftes - aber realistisches - Bild von Indien; vor allem die allgegenwärtige Korruption mit öffentlichen Geldern, die Scheindemokratie, der Dreck, das Elend und das unselige Kastenwesen werden sehr gut heraus gearbeitet.

Stefan Zweig: Schachnovelle 
Auf der Schiffsreise von New York nach Buenos Aires treffen ein paar Schach-begeisterte Amateure auf den regierenden Weltmeister. Gegen Honorar erklärt sich dieser bereit, gegen die Amateure anzutreten. Nach einigen Spielen greift plötzlich ein weiterer Passagier in die Partie ein und holt für die Amateure erstmals ein Remis gegen den Weltmeister heraus. Dem Ich-Erzähler gelingt es später, diesem Dr. B. dessen Lebensgeschichte zu entlocken. Wie sich herausstellt, war er im berüchtigten Hotel Metropole am Wiener Morzinplatz Gefangener der Gestapo. Um in der Isolationshaft nicht den Verstand zu verlieren, hat er sich mit dem Schachspiel beschäftigt - aber so intensiv, dass er erst recht einen Nervenzusammenbruch erlebt. Der ihm wohlgesonnene Arzt erklärt ihn für unzurechnungsfähig und erspart ihm dadurch die Fortsetzung der Isolationsfolter - er darf ausreisen.
Stefan Zweig gelingt eine sehr intensive Charakterisierung und Beschreibung der Hauptpersonen (der Weltmeister ist ein Savant mit der Inselbegabung für Schach) und vor allem der Zeit des Ständestaates und später der Isolationshaft.
Er hat das Manuskript dieser meisterhaften Novelle einen Tag vor seinem Selbstmord an den Verlag geschickt.

Edmund de Waal: Der Hase mit den Bernsteinaugen
Der Titel ist leider nichtssagend und meiner Meinung nach unglücklich gewählt, aber der Inhalt ist dafür umso interessanter.
Es geht um den Aufstieg und Niedergang des Bankhauses Ephrussi. Die Bank war um 1900 gleich nach den Rothschilds in Wien die Nummer Zwei und kommt literarisch gleich mehrfach bei Joseph Roth vor. Der Niedergang begann mit Ende des Ersten Weltkrieges, als ein großer Teil des Vermögens, das in Kriegsanleihen steckte, sich in Rauch auflöste. Die Arisierungen der Nazis und die erzwungene Flucht aus Wien besiegelten dann das Ende des Bankhauses. Das leergeräumte Palais in Wien wurde zwar restituiert, allerdings zum Spottpreis von 50.000 Schilling - ein wirklich schändliches Kapitel des Nachkriegs-Österreichs.
Der Autor entstammt dieser Familie und hat eine umfangreiche Netsuke-Sammlumg in das Zentrum dieser Familiengeschichte gestellt. Diese Sammlung ist eines der wenigen Erbstücke, das sämtliche Wirren überstanden hat; und der Hase mit den Bersteinaugen ist ein Stück dieser Sammlung.
Eine sehr ausführliche Inhaltsangabe gibt es bei Dieter Wunderlich und einen notwendigen und sehr hilfreichen Stammbaum der Familie gibt es online bzw. im Buch selbst.
Absolute Leseempfehlung!


Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit. Vierzehn historische Miniaturen
Noch ein Nachtrag aus der Urlaubszeit.
Stefan Zweig beschreibt diverseste Ereignisse der Weltgeschichte in anektotischer Berichtsform. Dabei müssen die Ereignisse nicht unbedingt welthistorisch umwälzend sein, aber bedeutungsvoll genug sind sie allemal. Ob die Geschichten sich gerade genau so, wie von ihm beschrieben, abgespielt haben, bleibt unserer Phantasie überlassen; aber der historische Kern entspricht immer den Tatsachen.
Hier nur einige Beispiele:
+) Balboa erblickt als erster Europäer den Pazifischen Ozean. Er hat sich tatsächlich in einer Kiste als blinder Passagier auf ein Schiff bringen lassen, und er wurde tatsächlich von seinem eigenen Schwiegervater zum Tod verurteilt.
+) Wettlauf auf dem Südpol zwischen Amundsen und Scott.
+) Entscheidungen in Waterloo.
+) Schwierigkeiten und deren Überwindung bei der Verlegung des ersten Transatlantik-Kabels.
+) Ausbruch des Kalifornischen Goldrausches und wie der Boden von Johann August Sutter einfach überrannt wurde.
+) Wie Georg Friedrich Händel mit dem "Messias" seine Schaffenskrise überwindet.
Wie immer von Stefan Zweig sehr fundiert recherchiert und mitreißend geschrieben!

Heinrich Steinfest: Das himmlische Kind
In den ersten zwei Dritteln des Buches erzählt Heinrich Steinfest eine originelle moderne Version von Hänsel und Gretel. Die Geschwister schlagen sich durch den winterlichen Wald und überleben nur durch die Umsicht der älteren Schwester und die lange Geschichte, die sie ihrem fiebernden kleinen Bruder erzählt. Im letzten Drittel wartet man noch auf ein großes Spannungsmoment, das sich aber nicht mehr einstellt. Im Gegenteil: das Buch endet in einem eher uninspirierten happy end (soweit das möglich ist). Aber davor ist es wirklich lesenswert!

Heinrich Heine: Reisebilder
Heine hat die Reiseberichterstattung erneuert und war darin sehr erfolgreiche. Seine Reisebilder beinhalten die Beschreibungen mehrerer Reisen in unterschiedlicher Qualität. Sehr gelungen fand ich die Harzreise, die Nordsee, die zweite Hälfte von Italien (in der er die Platen-Affäre lostritt), sowie das "Buch Le Grand": Heine war - wie viele andere Deutsche - ein glühender Verehrer Napoleons, der die besetzten deutschen Gebiete entstaubt und den Juden Gleichberechtigung gebracht hat. Im "Buch Le Grand" erinnert er sich an seine Kindheit, als in seinem Elternhaus ein französischer Tambour einquartiert war. Bei ihm hat er französisch gelernt und seine Liebe zu Frankreich und dessen Revolution entdeckt.
Zeitweise sehr witzig, ironisch und satirsch geschrieben, jedenfalls sehr lebendige Sprache; phasenweise aber noch stark der Romantik zugehörend.

Paulus Hochgatterer: Das Matratzenhaus
Der Autor ist Kinderpsychiater und daher mit dem Thema Gewalt gegen Kinder bestens vertraut. Diesem Roman sieht man das an etlichen Stellen deutlich an. Es ist kein Krimi der herkömmlichen Art "wer ist der Täter?", sondern eher ein subtiles Beschreiben der Situationen, in die man als Psychiater oder Kriminaler kommen kann. Es gibt in diesem Buch eine große Anzahl Personen, sodass ich mir Notizen machen musste; die waren bei fortschreitender Lektüre sehr hilfreich, weil nach den ersten paar Sätzen eines Kapitels oft nicht sofort klar ist, wer jetzt im Mittelpunkt steht und in welchem Szenario man sich gerade befindet. Im Gegensatz zu etlichen amazon-Rezensenten fand ich das Buch sehr gelungen und lesenswert (sonst wäre es nicht in dieser Liste)!

Stefan Zweig: Magellan
Super Biographie zu Magellan und seine Schiffsreise um den Globus: von der Abweisung in Portugal über die Ausrüstung von fünf Schiffen (von denen nur noch eines wiederkehren wird) bis zur Entdeckung der nach ihm benannten Magellanstraße um den südamerikanischen Kontinent und seinem Tod auf den Philippinen.

Stefan Zweig: Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam
Sehr interessante Biographie des Stefan Zweig zu Erasmus, von dem außer dem Namen heute kaum noch jemand Werke kennt. Stefan Zweig schildert seinen Charakter und die Auseinandersetzung mit Martin Luther sehr plastisch, sodass Erasmus uns wieder ein wenig vertrauter wird.

Christa Wolf: Kassandra
Der Trojanische Krieg ist zu Ende und Kassandra, die Tochter des Trojanischen Königs Priamos, die mit der Gabe, in die Zukunft zu sehen gesegnet, aber gleichzeitig mit dem Fluch belegt ist, dass ihr niemand glaubt, wird als Gefangene des Agamemnon nach Mykene verschleppt. Bei der Ankunft in Mykene weiß sie bereits, dass sie nur noch wenige Stunden zu leben hat, weil Klytaimnestra sie kurz nach Agamemnon töten wird. Christa Wolf lässt Kassandra den gesamten Krieg in Rückblenden als inneren Monolog noch einmal Revue passieren. Sehr schwieriger Text, bei dem ich nur schlecht rein gefunden und keinen richtigen Rhythmus gefunden hab. Literarisch sicherlich sehr hochwertig, aber ich werde diesen Roman wahrscheinlich nicht noch einmal lesen.

Zülfü Livaneli: Glückseligkeit
Die fünfzehnjährige, naive und ahnungslose Meryem lebt in einem Dorf am Vansee, im östlichsten Winkel der Türkei, im Dreiländereck mit Iran und Irak. Eines Tages wird sie von ihrem eigenen Onkel vergewaltigt. Die Ehre der Familie ist dahin; schuld daran ist aber nicht etwa der Onkel, sondern Meryem. Die Familie wartet nur noch darauf, dass Meryems Vetter Cemal aus dem Militärdienst im Kurdengebiet zurück kommt, bis dahin verbringt Meryem die nächsten beiden Jahre eingesperrt im Keller. Cemal nimmt den Auftrag, Meryem zu töten, so selbstverständlich und unaufgeregt an, als hätte man ihm gesagt, er soll Zigaretten holen. Er und Meryem werden "nach Istanbul" geschickt, eine Reise, von der schon viele Mädchen nicht mehr zurück gekehrt sind. Noch bei der Abreise weiß Meryem nicht, was ihr bevorsteht; die ganze Familie, das ganze Dorf allerdings schon.
Früher sagte man, wenn man den Film "Yol -der Weg" (1982, es war gerade wieder einmal Militärdiktatur) gesehen hatte, kannte man auch die realen Zustände in Anatolien. Dieser Roman aus 2002 ist etwas versöhnlicher, weil er auch den Kontrast zur westlich orientierten Großstadt Istanbul zeigt. Die Roman-Szenen, die im Osten spielen, unterscheiden sich vom Film allerdings nicht wesentlich: Ehrenmord hier wie dort.
Sehr gute und eindringliche Schilderungen der Zustände im Kurdengebiet, in Anatolien und in Istanbul, sowie des krassen Gegensatzes zwischen Osten und Westen der Türkei. Sehr lesenswert!
 
Miguel de Cervantes Saavedra: Don Quijote (Teil 2)
Drei Wochen nach Erscheinen des ersten Teils gab es bereits Raubdrucke - ein derart einschlagender (Verkaufs-) Erfolg war dieser Roman! Auch eine nicht von Cervantes stammende Fortsetzung war bereits in Umlauf, sodass er sich 10 Jahre nach Teil 1 gezwungen sah, Teil 2 zu veröffentlichen. Er nimmt in Teil 2 auch immer wieder Bezug sowohl auf Teil 1 als auch die Fortsetzung "dieses sogenannten Schriftstellers aus Tordesillas".
Die Geschichten in Teil 2 enden meist etwas harmloser, vor allem, weil viele, denen D.Q. begegnet, ihn aus Teil 1 bereits kennen und wissen, wie er tickt. Und so sind es vor allem Herzog und Herzogin einer nicht näher beschriebenen Stadt, die ihren Spaß mit dem Ritter haben, dem sie allerlei lustige oder aber auch demütigende Streiche spielen.
Sancho bekommt seine versprochene Statthalterschaft, entwickelt sich zu einem wahren Salomon, gibt aber nach kurzer Zeit wieder auf.
Zuletzt wird D.Q in Barcelona von einem anderen Ritter besiegt, der ihm das Versprechen abnimmt, nach Hause zurück zu kehren und von der fahrenden Ritterschaft in Zukunft zu lassen. Wieder daheim, fällt es D.Q wie Schuppen von den Augen und er erkennt selbst die Narretei, die mit der fahrenden Ritterschaft einher geht. Er kann noch sein Testament regeln und stirbt in Frieden mit sich und seiner Umwelt.
Wie schon Teil 1 ist auch Teil 2 wieder meist sehr witzig, enthält aber auch wieder ziemliche Längen. Alles in allem aber ein großartiges Werk! 

Stefan Zweig: Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt
Johannes Calvin errichtet nach Einladung und mit Billigung der Stadt Genf ebendort einen Gottesstaat, in dem jede Freud- und Lustbarkeit verboten ist; sehr rasch entwickelt sich daraus ein Terror-Regime, das auch vor der Verfolgung Andersdenkender nicht zurückschreckt. Seine Auseinandersetzung über die Dreifaltigkeit mit dem spanischen Arzt Miguel Servet endet für diesen auf dem Scheiterhaufen (der "Sündenfall des Protestantismus"). In Genf ist jeder Widerspruch unterdrückt, nur Sebastian Castellio wagt es von Basel aus, Calvin deswegen anzuklagen ("Einen Menschen töten, heißt nicht, eine Lehre zu verteidigen, sondern: einen Menschen zu töten"). Aber der lange Arm Calvins reicht bis nach Basel: es gelingt ihm, Castellio sogar dort vor ein Ketzergericht zu bringen; nur der überraschende Tod Castellios beendet diese Auseinandersetzung vorzeitig. Stefan Zweig hat sehr gründlich recherchiert und bringt diesen Disput in Form einer sehr aufwühlenden Reportage. Das letzte Kapitel beschreibt dann noch den weiteren Verlauf und die weitere Ausbreitung der Lehren beider Kontrahenten auf Holland, England, Deutschland bis zu den USA und der Französischen Revolution.

Heinrich Steinfest: Gewitter über Pluto
Der Pornodarsteller Lorenz Mohn beschließt von einem Moment auf den anderen, seinen bisherigen Beruf aufzugeben und statt dessen ein Handarbeitsgeschäft zu eröffnen und Wolle zu verkaufen. Den Kredit für sein Geschäft bekommt er von der geheimnisumwitterten Unterweltkönigin Claire Montbart, die gar nicht die Rückzahlung des Kredites verlangt, sondern eine Lebensrettung am 14.7.2015. Im weiteren Verlauf wird er in einen Mordfall verwickelt, bei dem irgendwie Agenten des Planeten X die Fäden ziehen. Witzige Persiflage auf Erik von Däniken und außerirdische Intelligenzen; mit (manchmal zu) zahlreichen Seitenhandlungen und -bemerkungen. Insgesamt aber sehr interessant und mit dem ganz speziellen Humor von Heinrich Steinfest ausgestattet.

Heinrich Heine: Deutschland. Ein Wintermärchen
Nach zwölf Jahren Exil in Frankreich kommt Heinrich Heine noch einmal nach Deutschland. Seine Reise bis nach Hamburg sowie die politischen Zustände beschreibt er in diesem Versepos. Sehr witzig geschrieben und sehr leicht zu lesen!

Necla Kelek: Bittersüße Heimat. Bericht aus dem Inneren der Türkei
Necla Kelek ist zwar seit vielen Jahren deutsche Staatsbürgerin, die sich aktiv in das politische Leben einbringt; aber die alte Heimat Türkei wird sie doch nicht ganz los, sie liegt ihr immer noch am Herzen "... so wie sich die große Schwester um die jüngere kümmert". Ihr Weg führt sie von Istanbul über Ankara, wo sie den Personenkult um Mustafa Kemal (Atatürk) beschreibt (vergleichbar nur mit Mao, Lenin oder Kim Jong Il). Von der Reise nach Diyarbarkir wird ihr überhaupt gleich abgeraten ("willst du dort wirklich hin"), noch weiter in den Osten kann sie sich nur in männlicher Begleitung wagen. Immer wieder beklagt sie, dass grundlegende Menschenrechte in der heutigen Türkei nicht erfüllt werden (Schutz des Individuums, Religionsfreiheit, Frauenrechte etc.). Sehr aufschlussreiche Lektüre!
Heiko Heinisch, Nina Scholz: Europa, Menschenrechte und Islam - ein Kulturkampf?
Das Buch ist in abgeschlossene Kapitel unterteilt, die jedes für sich gelesen werden können. Die Themen reichen von Toleranz, Kopftuch, Karikaturen, Multikulturalismus, Religionsfreiheit, Menschrechte, Kreuzzügen bis zu Antisemitismus und Hassdokumenten. In diesem Buch wird nicht polemisiert, es wird aber auch nichts beschönigt, sondern sachlich argumentiert; die Autoren sind Historiker bzw. Soziologin. Das Buch ist sicher eine wohltuende und außergewöhnliche Ausnahme unter all den anderen Werken, die tendenziell in die eine oder andere Richtung schreiben.
Daniel Defoe: Die Pest zu London
Literarisch würde ich nur eine 3 vergeben; aber bei diesem Buch ist es der Inhalt, der es so interessant macht. Defoe (geboren 1660) hat als Fünfjähriger die Große Pest in London mitgemacht; aber erst 57 Jahre später veröffentlicht er diese Reportage. Es fließen sicherlich Kindheitserinnerungen ein, aber vor allem hat er in der Zwischenzeit gründlich recherchiert. So gründlich, dass man lange annahm, es handle sich um einen Tatsachenbericht eines erwachsenen Augenzeugen - bis sich jemand einmal sein Geburtsdatum angesehen hat... Jedenfalls schildert er unglaubliche Zustände: Massensterben, Massengräber, Flucht, Verbreitung der Seuche, Absperren von Häusern, Isolation, Fatalismus, Zusammenbrechen jeglichen Handels sowie öffentlicher Ordnung, und so weiter. Gegen Ende von 1665 ebbt die Seuche ab, der normale Alltag kehrt wieder ein. Aus heutiger Sicht unglaublich tragisch mitzuerleben, wie die Menschen damals in Dunkelheit tappen: sie haben keine Ahnung, warum und woher und wie die Seuche sich weiter ausbreitet - Hochsaison für Scharlatane und Quacksalber.
Roland Adrowitzer, Ernst Gelegs: Schöne Grüße aus dem Orbán-Land
Sehr gute Zusammenfassung zu den politischen Verhältnissen in Ungarn seit der Wende, über das desaströse Zwischenspiel der Sozialisten bis zur Machtübernahme 2010 durch Orbán und seine Leute; der Zeithorizont reicht bis Ende 2013. Die Beispiele, die hier zusammen getragen wurden, werden nicht einmal von den Orbán-Leuten bestritten, es gibt nur massive Meinungsunterschiede zum Rest Europas darüber, ob die Maßnahmen jetzt gut für Ungarn und Europa sind - oder eben nicht; selbst die eigene Parteifamilie EVP hat so ihre Probleme damit. Vieles kennt man, an vieles kann man sich nicht mehr erinnern, vieles war in diesem Ausmaß gar nicht bekannt und bewusst: dieses Buch holt alles wieder hervor. Klar, dass die Kampfposter auf amazon das Buch reflexartig in Grund und Boden verdammen...
Christian von Ditfurth: Mit Blindheit geschlagen
Den Historiker Josef Maria Stachelmann verschlägt es diesmal unbeabsichtigt und unfreiwillig in die Kreise von Stasi und ehemaligen Fluchthelfern - und das 15 Jahre nach der Wende! Die eigentliche Handlung ist wie immer fiktiv, der ganze Rahmen rundherum ist es allerdings nicht! Wie schon Stachelmanns erster Fall (s. unten) ist auch dieser Roman wieder historisch sehr interessant und spannend bis zuletzt. Es gibt nur wenige Krimis, die es in diese Liste schaffen: der hier ist eine der wenigen Ausnahmen!
Noch ein Tipp: unbedingt die Reihenfolge der Romane einhalten, also erst "Ein Mann ohne Makel", dann erst diesen! 
Stefan Zweig: Die Welt von gestern 
Stefan Zweig (geboren 1881) beschreibt in seiner Autobiografie die Zeit von etwa 1890 bis 1941 in einer grandiosen Art und Weise, so als wäre man als Leser dabei gewesen! Der Bogen spannt sich von Erlebnissen seiner Schulzeit, die sexuelle (Nicht-)Aufklärung, vom Attentat auf den Thronfolger Franz Ferdinand, das den Österreichern ziemlich egal war, die darauf folgende "Julikrise", den Beginn des ersten Weltkrieges, den Untergang der Monarchie, die Zeit der Inflation, das Erstarken des Nationalismus und der Nationalsozialisten, den Anschluss Österreichs und den Beginn des zweiten Weltkrieges. Wer eine authentische Schilderung dieser Zeitspanne sucht, ist mit diesem Buch allerbestens bedient. Absolute Leseempfehlung, grandioses Werk!
Philipp Blom: Der taumelnde Kontinent
In diesem Buch geht es ausdrücklich nicht um die Militärgeschichte des Ersten Weltkrieges, sondern um die Lebenssituation in den Jahren davor. So nimmt der Autor für jedes Jahr zwischen 1900 und 1914 ein herausragendes Ereignis zum Anlass, um die Stimmung in Europa zu beschreiben.
Einige Beispiele: Weltausstellung in Paris und der Durchbruch der Elektrizität  im Alltag; Kampf der Suffragetten um das Frauenwahlrecht; steigende Bildung der Frauen und die Probleme der Männer damit ("Frankreich stirbt aus"); Steigende Bedeutung der Industrie bei gleichzeitigem Abnehmen der Bedeutung von Grund und Boden und somit der alten Aristokratie; die neuen wissenschaftlichen Modeerscheinungen wie Genetik, Sozialdarwinismus und Eugenik; und einige mehr.
Insgesamt ergibt sich ein sehr schönes Stimmungsbild von Moderne und Aufbruch - brillant dargestellt, wie immer bei Philipp Blom. Obwohl es genug mahnende Stimmen gab, passte in dieses Bild ein Krieg so überhaupt nicht hinein.

Richard Dawkins: Der Gotteswahn
Richard Dawkins versucht aus der Sicht des Evolutionsbiologen zahlreiche Fragen zu Religionen zu beantworten: warum neigen wir zur Religion, brauchen wir Religion um ethische Fragen behandeln zu können oder um moralisch gut handeln zu können? Warum werden Religionen besonders behandelt? Können nur Religionen Trost spenden? Und viele mehr. Wie immer gelingt ihm das in einer klaren, verständlichen Sprache und er lässt keinen Zweifel an seiner eigenen Position aufkommen. Unbedingt lesen, auch wenn's manchmal weh tun sollte!
Iwan Gontscharow: Oblomow
Ilja Iljitsch Oblomow ist derart faul und antriebslos, dass sein Verhalten als "Oblomow-Syndrom" Eingang in die Psychiatrie gefunden hat. Im ersten Viertel des Romans kommt er nicht aus seinem Bett; dabei empfängt er diverse Besucher, unter anderem seinen Freund aus Jugendtagen, Andrej Stolz. Dieser versucht, Oblomow aus seiner Lethargie zu reißen und macht ihn mit der zehn Jahre jüngeren Olga bekannt. Ihr gelingt tatsächlich dieses Kunststück, aber kurz vor der Hochzeit reist sie von ihrem Sommersitz wieder zurück nach St. Petersburg und die Treffen mit Oblomow werden seltener. Sofort fällt er wieder in seinen alten Trott zurück, die Beziehung scheitert. Jahre später unternimmt Andrej einen letzten Versuch, Oblomow auf sein Gut zu lotsen - vergeblich. Nach zwei Schlaganfällen stirbt er, Andrej adoptiert dessen Sohn. "Er ist zugrunde gegangen, und das ohne jede Ursache"
Hans Weigel: Der grüne Stern
Gottfried Hofer hat vor, in der fiktiven Stadt Hochheim (Hauptstadt von Meinland) ein großes Experiment durchzuführen: er möchte nicht mehr und nicht weniger, als mit blödsinnigen Ideen und Slogans und mit einem gewaltigen Propagandafeldzug die Menschen zu seinen Gefolgsleuten machen. In kleinem Kreis macht er aus seiner Absicht kein Hehl, aber die Massen glauben wirklich, dass es ihm mit seinem Vegetarier-Feldzug Ernst ist. Der Roman ist 1940 im Exil entstanden, fast zeitgleich mit Charlie Chaplins "Goßem Diktator"; damals versuchte man es noch mit Satire... Flott und witzig geschrieben - mit überraschendem Ende!


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2013

Joseph Roth: Hiob
Die Geschichte Hiobs am Beispiel der Familie des Mendel und der Deborah Singer dargestellt, die zunächst in einem russischen Schtetl lebt und nach etlichen Rückschlägen nach Amerika auswandert. Aber in Amerika häufen sich dann erst so richtig die Unglücksfälle, erst das überraschende Auftauchen des verloren geglaubten Sohnes bringt sowas wie eine kleine Versöhnung Mendels mit seinem zürnenden Gott.
Wieder gelingt es dem Autor, das Leben der einfachen Leute stimmungsvoll aufs Papier zu bringen. Joseph Roth - eine meiner Entdeckungen im Jahr 2013!

Miguel de Cervantes Saavedra: Don Quijote (Teil 1) 
Allgemein als das erste Werk der neuen Gattung "Roman" bezeichnet und dann auch gleich eines der bedeutendsten der Weltliteratur - ein großer Wurf also. Sehr witzig und ironisch geschrieben, nur die Sprache Don Quijotes ist bewusst altertümlich, geschwollen und geschraubt gehalten. Die eigentlichen Abenteuer sind vor allem in der ersten Hälfte des Romans  konzentriert; die zweite Hälfte hat etwas Längen und entfernt sich ziemlich von der eigentlichen Geschichte des fahrenden Ritters von der traurigen Gestalt. Erst gegen Ende findet die Handlung wieder zum Don Quijote zurück. Alles in allem aber sehr unterhaltsam zu lesen. Teil 2 folgt noch.
Joseph Roth: Die Kapuzinergruft
Dieser Roman ist quasi die Fortsetzung von "Radetzkymarsch" (s. weiter unten). Franz Ferdinand Trotta (benannt nach dem Thronfolger), der Großneffe des "Helden von Solferino", lebt ein leichtes Leben der Reichen und Adeligen in Wien zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nach dem Krieg aus der Gefangenschaft zurück gekehrt, findet er komplett unterschiedliche Verhältnisse vor: die Monarchie zerbrochen, statt dessen Republik, keine Adelstitel mehr, er muss jetzt seinen Unterhalt tatsächlich selbst verdienen, man braucht Reisepässe für Gegenden, die vorher noch zu Österreich gehörten - und vor allem: der alte Kaiser ist tot. Noch weniger versteht er die Welt am 13.3.1938, als plötzlich alle fluchtartig das jüdische Cafe verlassen und nur er und der Hund des Besitzers zurück bleiben. Die Sehnsucht zieht ihn zu seinem geliebten Kaiser, aber die Kapuzinergruft bleibt geschlossen. Damit endet der Roman.
Sehr stimmiges Zeitdokument, das streckenweise an Schnitzler (Comtesse Mitzi, Reigen etc.) erinnert.
 Cees Nooteboom: Der Umweg nach Santiago
Der niederländische Autor ist ein ausgesprochener Spanien-Kenner. Dieses Buch ist eine Sammlung von Reiseberichten, die im Laufe der Jahrzehnte entstanden sind. Sein Weg führt ihn von Barcelona kreuz und quer bis nach Santiago de Compostela, dem wohl berühmtesten Wallfahrtsort Europas. Die Berichte sind vor allem in der ersten Hälfte des Buches sehr unterhaltsam und entwerfen ein Bild Spaniens, wie man es sonst nur selten findet. Wer wissen möchte, was Spanien ausmacht, wie es dort aussieht, wie die Spanier der unterschiedlichen Regionen ticken, der kommt um dieses Buch meiner Meinung nach nicht herum. Unbedingte Empfehlung (nicht nur) für alle, die eine ausführliche Spanien-Tour planen!
Mario Vargas Llosa: Das Paradies ist anderswo
Biografischer Roman über Paul Gaugin, dem französischen Maler und seiner Großmutter Flora Tristán, deren Vater aus Peru stammte - noch dazu aus der gleichen Stadt, in der der Autor auch geboren wurde (Arequipa). Die Großmutter starb einige Jahre vor der Geburt des Enkels, sodass also die beiden einander nie begegnet sind. Flora war eine Aktivistin in der französichen Arbeiterbewegung noch bevor es eine solche überhaupt gab: sie zog durch das Land, um die Arbeiter wachzurütteln und zu organisieren - Jahre bevor Karl Marx sein Manifest veröffentlichte. Ihr Enkel Paul Gaugin gab eine erfolgreiche Banker-Karriere auf, um statt dessen nur noch Maler zu sein. Er war überzeugt, dass er dazu den korrumpierten Westen/Norden verlassen und statt dessen in der "wilden" Südsee arbeiten musste. Die letzten Jahre und Wochen der beiden Hauptpersonen bilden die Rahmenhandlung für die Schilderung beider Leben in zahlreichen Rückblenden. Wie immer bei Vargas Llosa: brillant geschrieben.
Javier Marías: Die sterblich Verliebten 
Das Grundthema dieses großen Romans lautet: die Toten sind tot, sie kehren nicht zurück, und das ist auch gut so. Um darzustellen, wie es zugeht, wenn sie einmal doch zurück kommen, flicht er die Geschichte des Oberst Chabert (Balzac) ein (es gibt übrigens einen ganz aktuellen Fall in Ohio/USA). Marìas verwendet aber auch eigene Elemente aus früheren Romanen wieder; etwa "man will und soll nicht alles hören oder wissen" aus "Mein Herz so weiß"; oder die Person des Ruibérriz de Torres, die er 1:1 aus "Morgen in der Schlacht denk an mich" komplett - mitsamt Charakteristik - übernimmt. Wie immer in seinen Romanen räumt er inneren Gedanken und Monologen viel Platz ein; einigen mag das langweilig erscheinen, mir gefällt es: er kann Gedanken, die nur einen Bruchteil einer Sekunde dauern, brillant verbalisieren - aber das dauert halt. Ein Rezensent hat das so ausgedrückt: "...er schreibt, als habe er in unsere Köpfe geschaut". Mehr sei hier nicht verraten; eine sehr schöne Rezension samt Inhalt und Spoilern gibt es in der ZEIT. Wieder einmal ein Roman der Klasse 5, hat gut getan, ihn zu lesen!
Necla Kelek: Die fremde Braut
Die Autorin schildert ihren eigenen Werdegang vom Mädchen, das aus Istambul nach Deutschland kommt, ihrer Schulzeit und ihrer Rebellion gegen den Vater, der sie ganz traditionell türkisch erziehen möchte; immer mit Bezug auf die allgemeine Situation von türkischen Frauen und Mädchen in Deutschland (immer wieder schreibt sie dann: "... und das ist auch heute noch so"). In ungestörten Gesprächen mit Frauen in der Moschee erfährt sie, dass etwa 50% der Ehen arrangiert oder sogar erzwungen werden. Die Gespräche muss sie auf türkisch führen, da die Frauen mit der deutschen Bevölkerung ja gar nicht in Berührung kommen sollen/dürfen, und daher auch nicht deutsch sprechen. Staatliche Erhebungen in Dänemark kommen sogar auf noch weit höhere Prozentsätze. In diesem mehrfach ausgezeichneten Buch aus 2005 deckt sie Parallelwelten auf, von der die einheimische Bevölkerung praktisch nichts wahrnimmt. Sehr aufschlussreich und erschütternd!
Mo Yan: Die Knoblauchrevolte
Mit ganz einfachen kurzen Sätzen gelingt es dem Nobelpreisträger von 2012 das Land, seine Leute und ihre Lebensumstände dem Leser plastisch vorzustellen - ein exzellentes Stimmungsbild! Der Roman spielt im China des Jahres 1987 zu Zeiten von Deng Xiaoping. Die Bauern werden aufgefordert, möglichst viel Knoblauch anzubauen; doch als zur Erntezeit die Lager voll sind, wird ihnen der Knoblauch nicht mehr abgenommen. Die ohnehin armen Bauern stehen vor dem Nichts und müssen sich noch dazu mit korrupten und allmächtigen Beamten und Parteifunktionären herumschlagen. Die Geschichte von drei Personen, die an der darauf folgenden Revolte teilgenommen haben, wird in diesem Buch erzählt. Der Roman ist nichts für zartbesaitete Rosamunde Pilcher-Leser; er ist tief traurig, tragisch, zeitweise ekelig und vor allem voller Gewalt: in der Familie, unter Nachbarn, zwischen Beamten und Untertanen, unter den Gefangenen, einfach immer und überall. Absolute Leseempfehlung!
Joseph Roth: Radetzkymarsch 
Erstklassiges Stimmungsbild der untergehenden K&K-Monarchie. Der Jüngste aus der  Familie Trotta ist in einer Garnison der Armee an der russischen Grenze stationiert. Joseph Roth beschreibt die zerrütteten Zustände dort bis zum Attentat auf den Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajewo. Die Nachricht darüber platzt mitten in die Garnisonsfeiern, die wochenlang und mühsamst und umständlichst vorbereitet wurden; Zeit spielte beim Militär offenbar noch nie eine Rolle.
Wolfgang Schorlau: Die blaue Liste
Wolfgang Schorlau verknüpft in diesem Roman sehr geschickt drei geschichtliche Ereignisse: die Ermordung von Detlev Karsten Rohwedder, der nach dem Zusammenbruch der DDR für kurze Zeit die Treuhand führte; den Absturz des Lauda-Flugzeuges über dem Dschungel von Thailand und den katastrophalen Polizeieinsatz auf dem Bahnhof von Bad Kleinen. Den Freiraum, der dadurch entsteht, dass bei allen drei Ereignissen gewisse Fragen offen blieben, nützt er dazu, um ein ungemein spannendes Werk daraus zu machen. Weitere Romane von Wolfgang Schorlau sind schon auf der Warteliste!
Christian von Ditfurth: Der Mann ohne Makel
Der Romandetektiv ist wie der Autor (übrigens Sohn von Hoimar von Ditfurth) von Beruf Historiker. Als solcher wird er von seinem Schulkollegen, der bei der Polizei gelandet ist, um Unterstützung gebeten. Ein angesehener Hamburger Immobilienmakler hat innerhalb eines Jahres seine Frau und zwei Kinder durch Gewaltverbrechen verloren. Der Makler ist sehr kooperativ, stellt alle Unterlagen zur Verfügung und ist absolut sauber und integer - ein Mann ohne Makel eben. Erst die Nachforschungen des Historikers bringen schön langsam ans Licht, dass der Vater eine Nazigröße war und es geschafft hat, nach dem Krieg seine den Juden abgepressten Immobilien nicht zurück geben zu müssen. Das beantwortet aber immer noch nicht die Frage, wer hinter diesen Morden steht. Irrsinnig interessant und spannend und die historischen Hintergründe sind natürlich alle authentisch! Auch hier: weitere Werke sind schon auf der Warteliste!

Maja Haderlap: Der Engel des Vergessens
Die kurzen, einfach gebauten Sätze ließen mich zunächst die Frage stellen: "und für diesen Kinderaufsatz bekommt man den Bachmann-Preis?" Etwa nach dem ersten Viertel wurde mir aber klar, dass die Sprache mit dem Alter der Protagonistin gleichsam mitwächst. Erzählt wird jedenfalls vom Heranwachsen eines Mädchens zur Erwachsenen im kärntnerisch-slowenischen Gebiet. Die Großmutter und der Vater waren im Widerstand aktiv, die Großmutter und viele andere aus dem Dorf wurden in das KZ Ravensbrück verschleppt; viele kehrten nicht mehr zurück. Die Überlebenden sind tief traumatisiert, der Vater setzt seinem Leben schließlich selbst ein Ende. Sehr beeindruckende Schilderungen des Lebens von slowenischen Patrioten in Kärnten während und nach dem Krieg!

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Hier beginnt die Ersterfassung der Liste. In weiterer Folge werden Bücher einigermaßen chronologisch oberhalb in dieser Liste eingefügt.



Gabriel Garcia Marquez: Hundert Jahre Einsamkeit 
Phantastische Geschichte der Familie Buendia, für die der Autor zu Recht den Nobelpreis bekommen hat. Bei Garcia Marquez in anderen Romanen immer wieder kehrende Motive sind hier in einem Werk zusammen gefasst. Sehr viele Personen; gleiche Namen treten in mehreren Generationen auf, sodass ich mir einen Stammbaum der Familie Buendia gezeichnet habe, um den Überblick zu behalten! Bereits mehrfach gelesen!
Gabriel García Márquez: Laubsturm 
Sein erster großer Roman: viele Motive, Themen und Erzählstränge kommen hier bereits vor, die dann in seinem Opus Magnum "Hundert Jahre Einsamkeit" zentrale Rollen spielen. Der Oberst, seine Tochter und deren Sohn erzählen vom Begräbnis eines im Dorf Geächteten, zu dem sich kaum Begleiter einfinden. Sie erzählen davon jeder aus seiner Perspektive und mit seiner Geschichte im Hintergund.
Gabriel García Márquez: Chronik eines angekündigten Todes 
In diesem Roman ist von Anfang an klar, wer Täter und wer Opfer ist. Noch in der Hochzeitsnacht bringen die Brüder des Bräutigams die Braut zurück zu ihren Eltern, weil sie nicht mehr Jungfrau war. In ihrer Not nennt sie auch den Namen des vermeintlichen Täters, womit sie praktisch dessen Todesurteil ausspricht. In weiterer Folge können wir zusehen, wie sich die Stimmung im Ort aufheizt und auf das fatale Ende - den angekündigten Tod eben - zusteuert.
Plinio Apuleyo Mendoza: Der Geruch der Guayave
Zahlreiche Gespräche des Autors mit seinem Jugendfreund, dem späteren Nobelpreisträger Gabriel García Márquez, bilden die Grundlage dieses Buches. Es schildert den Werdegang von der Jugend in Aracataca über seine jungen Jahre als Journalist in Bogotá bis zum gefeierten Romancier.
Harald Irnberger: Gabriel García Márquez. Die Magie der Wirklichkeit.
Ähnlich dem vorigen Buch, nur ist der Interviewpartner von Gabriel García Márquez diesmal der Österreicher Harald Irnberger, der lange Jahre in Mittelamerika gelebt hat.
Umberto Eco: Baudolino
Hier schildert Umberto Eco "wie man Geschichte schreibt"; dh. der Machthaber bestimmt über seine Schreiber, was als Geschichte tradiert wird und was nicht. Witzige Geschichte über Fälschungen mit wahrem Hintergrund, im letzten Drittel allerdings sehr zäh; dieses letzte Drittel dient nur noch dazu, um auf die verlangten 500 Seiten zu kommen.
Umberto Eco: Das Foucaultsche Pendel 
Einer meiner absoluten Favoriten, muss ich alle paar Jahre einmal lesen (wird schon wieder höchste Zeit). Drei skeptische Verlagslektoren versuchen, die Esoterik-Szene mit einer erfundenen Geschichte der Weltverschwörung zu füttern. Allerdings werden sie zuletzt tödlich ernst genommen...
Umberto Eco: Der Name der Rose
Sein bekanntester Roman wurde auch verfilmt (Sean Connery, Helmuth Qualtinger) - allerdings nicht sein bester Roman. Ein für seine Zeit sehr fortschrittlicher Mönch (verwendet u.a. eine Brille!) versucht die rätselhafte Todesserie in einem italienischen Kloster aufzuklären. Anders als im Film allerdings ohne happy end.
Graham Greene: Die Stunde der Komödianten
Das Buch hat gewisse Ähnlichkeiten zu Mario Vargas Llosas Buch "Das Fest des Ziegenbocks", nur dass hier eine Geschichte aus Haiti zu Zeit der Diktatur Papa Docs erzählt wird. Auch Graham Greene schafft es, die ständige Präsenz des Regimes und vor allem der Schlägertrupps Tonton Macoute sehr eindringlich darzustellen. Nicht einmal Ausländer mit diplomatischem Status waren vor ihnen sicher. Die Insel Hispaniola muss anscheinend ein guter Nährboden für derartige Regime sein. Die Dominikanische Republik ist zwar inzwischen ein gefragtes Touristenziel (wobei die meisten wahrscheinlich gar nicht wissen, was sich dort abgespielt hat), aber Haiti hat es noch nicht ganz überstanden: Baby Doc hat (2013) immer noch politische Ambitionen...
Mario Vargas Llosa: Das Fest des Ziegenbocks 
Der Roman beruht auf Tatsachen der Trujillo-Diktatur in der Dominikanischen Republik. Nach dem erfolgreichen Attentat auf den Machthaber schlägt das Imperium umso brutaler zurück. Ein Roman über südamerikanische Diktatoren an sich. Zeitweise sehr starker Tobak, sehr verstörend.
Mario Vargas Llosa: Der Hauptmann und sein Frauenbataillon 
Die peruanische Armee macht in Iquitos und Umgebung ziemliche Probleme: die Soldaten sind durch die Isolation einfach hinter jedem weiblichen Wesen her, so kann es nicht weiter gehen. Daher schickt die Heeresführung in Lima einen knochentrockenen, pflichtbewussten Offizier in die Selva, um einen ganz speziellen Service aufzubauen, was ihm auch großartig gelingt. Die Briefe und Berichte in sachlichem und militärischem Stil, die zwischen Iquitos und Lima hin und her geschickt werden, machen die eigentliche Komik in diesem Roman aus.
Mario Vargas Llosa: Tod in den Anden 
Irgendwo im peruanischen Hochland soll ein Tunnel gegraben werden. Als drei Arbeiter spurlos verschwinden, soll Leutnant Lituma diese Fälle aufklären. Er und sein Adjudant geraten zwischen die Fronten von Kälte, Einsamkeit, einem hexerischen Wirte-Ehepaar, dem Leuchtenden Pfad, dem tief sitzenden Aberglauben der Indios und gewaltigen Erdrutschen, bis die beklemmende Wahrheit über das Verschwinden der drei ans Licht kommt. Wie so oft bei Vargas Llosa streckenweise witzig, dann wieder brutal und verstörend.
Mario Vagas Llosa: Das grüne Haus
Mehrere Handlungsstränge werden quasi gleichzeitig erzählt, es gibt allerdings keine durchgehende Zeitlinie in der Erzählung (vergleichbar vielleicht mit dem Film "pulp fiction"), sodass das Lesen und das Hineinfinden in den Inhalt sehr schwierig ist. Dennoch sehr fesselnd, ich hab das Buch damals nach dem ersten Lesen sofort noch einmal gelesen.
Mario Vargas Llosa: Tante Julia und der Kunstschreiber 
Zur Abwechslung einmal ein wirklich witziges Buch von Mario Vagas Llosa, das noch dazu sehr stark autobiografisch ist. Die ungeraden Kapitel erzählen jeweils die Biografie, die geraden Kapitel sind Hörspielen gewidmet - und da sind ein paar wirklich gute dabei! Etwa die Geschichte des Rattenfängers und Familientyranns, der eines Tages auf der Titelseite eines Magazins seine beiden Töchter im Bikini abgebildet sehen muss - Skandal! Oder die Geschichte des untadeligen und überkorrekten Untersuchungsrichters, der mit einem vermeintlichen (?) Fall einer Beziehung zu einer Minderjährigen konfrontiert wird und nacheinander die beteiligten Personen verhört - natürlich auch das minderjährige Opfer. Da kommt sogar unser Untersuchungsrichter ins Stottern... 
Mario Vargas Llosa: Der Geschichtenerzähler 
Dieses Buch war 2011 das "Buch der Stadt Wien", das zigtausendfach gratis verteilt wurde. Warum gerade dieser Roman von Vargas Llosa ausgewählt wurde, war mir damals schon rätselhaft (ich kannte das Buch damals bereits), denn einfache Lektüre ist das nicht gerade. In seiner typischen Art springt er von Ort zu Ort, wechselt die zeitlichen Abfolgen; er bringt mythologische Erzählungen der Indios mit vielen und praktisch unaussprechlichen Namen, jedenfalls ziemlich schwierig zu lesen - aber faszinierend, mir hat's jedenfalls sehr gut gefallen.
Mario Vargas Llosa: Der Traum des Kelten 
Dieser Roman mit historischem Hintergrund erzählt die Geschichte des irischen Diplomaten und Freiheitskämpfers Roger Casement. Sein Bericht über die schier unvorstellbaren belgischen Massaker im Kongo trug wesentlich dazu bei, dass der belgische König Leopold II. den Kongo als seinen privaten großen Schrebergarten abgeben musste und somit zumindest die ärgsten Gräuel abgestellt wurden. Weil Casement derart erfolgreich war, entsandte ihn das britische Außenministerium später nach Peru, wo sich im Kautschuk-Boom Ähnliches wie am Kongo abspielte. Auch diesmal sorgte sein Bericht für das Ende der dortigen Kautschuk-Gesellschaft. Der dritte große Schauplatz war dann seine Heimat Irland, wo er den Kampf um die Unabhängigkeit von England unterstützte und Waffen aus Deutschland besorgte. Die Briten betrachteten die Zusammenarbeit mit dem Feind während des ersten Weltkrieges als Hochverrat und Casement wurde trotz zahlreicher Gnadengesuche im August 1916 hingerichtet.
 Philip Roth: Portnoy's Beschwerden 
Mit diesem Roman schaffte Philip Roth den Durchbruch: Alexander Portnoy erzählt seine Lebensgeschichte. Aufgewachsen in einer jüdischen amerikanischen Familie; der ständig von Verstopfung geplagte Vater rackert sich für seine Familie ab, die Mutter behütet ihre Söhne mit aller Macht; Alex trifft sich aber ständig mit Gojim, macht sich trotz der Warnungen seiner Mutter an eine Schickse heran, usw. Streckenweise so witzig erzählt, dass ich beim Lesen laut auflachen musste. Und der Überhammer ist dann der letzte Satz des Romans!
Philip Roth: Das sterbende Tier
Der alternde Professor fängt sich was mit einer Studentin kubanischer Abstimmung an, was letzlich nicht gut geht. Nach längerer Zeit der Trennung treffen sie noch einmal aufeinander, wobei aber einer bereits todkrank ist.
Philip Roth: Sabbat's Theater 
Die Geschichte des Micky Sabbat, eines Puppenspielers, der wegen seiner Arthritis in den Fingern seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Als dann auch noch seine Geliebte stirbt, will Micky selbst auch nicht mehr so recht leben. Er sucht sich schon einmal einen geeigneten Platz auf dem Friedhof mit guter Aussicht und guten Nachbarn aus...
Philip Roth: Mein Mann, der Kommunist
Stark autobiografischer Roman, in dem Philip Roth seine gescheiterte Ehe mit Claire Bloom verarbeitet. Als seine Frau einen Enthüllungsroman veröffentlicht, der kaum etwas ausspart, holt Iron Rinn zum Gegenschlag aus. Starkes Beziehungsdrama!
Philip Roth: Verschwörung gegen Amerika
Wie wäre die Geschichte verlaufen, wenn nicht Franklin D. Roosevelt, sondern der antisemitische Flugpionier Charles Lindbergh die Präsidentschaft gewonnen hätte? Sehr starke Geschichte mit vielen Personen aus der realen amerikanischen Geschichte. Glücklicherweise gibt es im Anhang ein ausführliches Personenregister, damit der Roman verständlicher wird.
Philip Roth: Mein Leben als Sohn
Roman mit vielen autobiografischen Elementen. Der Vater des Erzählers erkrankt an einem Gehirntumor, der Sohn übernimmt die Pflege. Teilweise sehr komisch, aber sehr berührend wie er sich um ihn annimmt.
Philip Roth: Nemesis 
Der Sportlehrer Bucky muss im Sommer 1942 erleben, wie nach und nach einige seiner Schüler an Kinderlähmung erkranken und die ganze Gegend in eine gewisse Hysterie verfällt. Er lässt sich überreden, zu seiner Freundin in die Berge zu gehen, wo sie Kinder in einem Ferienlager betreut. Als auch dort plötzlich Fälle von Kinderlähmung auftreten, glaubt Bucky die Krankheit dort eingeschleppt zu haben und deshalb alle Schuld auf sich nehmen zu müssen, trennt sich von seiner Verlobten und lebt seither als Einsiedler. Viele Jahre später erzählt er einem Freund seine Geschichte. Philip Roth in Hochform.
Jose Saramago: Stadt der Blinden 
In einer Stadt beginnen Einwohner plötzlich zu erblinden, Ärzte und Stadtverwaltung sind ratlos. In dieser allgemeinen Ratlosigkeit werden die Blinden in einem aufgelassenen Lager interniert und dürftig mit Lebensmitteln versorgt. Rasch bilden sich in diesem Internierungslager zwei Gruppen, die sich gegenseitig das Leben zur Hölle machen. Die Frau des Augenarztes erblindet eigenartigerweise nicht, begleitet ihren Mann aber trotzdem in das Lager. Nach einem Brand gelingt es den Insassen, das Lager zu verlassen und die inzwischen verwüstete Stadt zu erobern. Sehr beklemmende und interessante Geschichte!
Jose Saramago: Hoffnung im Alentejo
Stark autobiografischer Roman über das Leben der unterjochten Landarbeiter zur Zeit der Salazar-Diktatur, in der Willkür und Unterdrückung an der Tagesordnung stehen. Das alles wird sehr realistisch geschildert, lässt sich als Leser sehr gut nachvollziehen.
Javier Marias: Mein Herz so weiß 
Der Sohn erzählt aus seiner Perspektive, warum sich seine Tante vor vielen Jahren plötzlich erschossen hat und sein Vater kurz darauf deren Schwester (seine Mutter) geheiratet hat. Die Grundthemen in diesem Roman: Augen kann man schließen, die Ohren nicht. So hört man Dinge, die nicht für einen bestimmt sind und die man eigentlich gar nicht hören möchte. Und man muss nicht alles sagen, was man sagen könnte; manchmal ist es besser, ein Geheimnis zu bewahren, als alles auszuplaudern. Der Stil ist manchmal sehr langatmig und ausführlich, aber die Grundaussage und die gesamte Handlung sind schon sehr interessant!
Javier Marias: Morgen in der Schlacht denk an mich 
Der Mann ist in London, die Frau trifft sich währenddessen in Madrid mit ihrem Liebhaber in ihrer Wohnung, das Kleinkind schläft ruhig im Nebenzimmer. Plötzlich stirbt die Frau aus heiterem Himmel, die Ursache wird nie geklärt. Der Erzähler verlässt in Panik die Wohnung, hinterlässt aber zahlreiche Spuren. Noch dazu versucht er später, Kontakt zur Familie der Toten aufzunehmen, letztlich kommt es zu einem Gespräch zwischen dem Ehemann / Witwer und dem Liebhaber. Bei dieser Gelegenheit erzählt der Witwer, warum er damals überhaupt in London war (der Hammer, unbedingt durchhalten bis hierher!). Der Stil ist hier noch ausführlicher als in "Mein Herz so weiß", aber die Geschichte und die Beschreibungen von Personen und Situationen machen den Roman allemal sehr lesenswert! 
Fjodor Dostojewski: Aufzeichnungen aus einem Totenhaus 
Dostojewski wird wegen aufrührerischer Reden zum Tod verurteilt, erst vor dem Erschießungskommando erfährt er von seiner Begnadigung: die Todesstrafe wird in eine vierjährige Lagerhaft in Sibirien umgewandelt. Mit diesem Roman verarbeitet der Autor seinen Aufenthalt in diesem "Totenhaus". Die Schilderungen der katastrophalen Lebensumstände im Lager beschreibt er sehr plastisch. Der Roman ist nicht so ausladend und mit Nebenhandlungen überfrachtet wie andere Werke des Autors; relativ leicht zu lesen. [Nachtrag: es hat sich kaum was verändert, wie dieser erschütternde Bericht vom 24.9.2013 (!) zeigt] 
Fjodor Dostojewski: Schuld und Sühne 
Der Student Raskolnikow hält sich für einen Übermenschen, der, wenn es notwendig ist, auch einen Mord begehen darf; das tut er gleich zweifach. Allerdings kann er mit der Situation doch nicht so gut umgehen, wie er das gedacht hatte, er liegt nach den Morden erst einmal zwei Wochen krank im Bett. In der Zwischenzeit ist der Untersuchungsrichter zur Überzeugung gekommen, dass Raskolnikow der Täter sein muss, allerdings kann er das nicht beweisen. Das nun folgende Katz- und Mausspiel ist schon sehr lesenswert! Die Drehbuchautoren von "Inspektor Columbo" haben diesen Roman immer als ihr Vorbild bezeichnet: man kennt als Leser die Umstände und den Täter und sieht dem Ermittler bei der Arbeit zu.
Fjodor Dostojewski: Der Spieler
Der Autor war selbst spielsüchtig und musste vor seinen Gläubigern nach Deutschland fliehen: ausgerechnet nach Bad Homburg und Wiesbaden, beide Städte mit großen Casinos gesegnet. Im Roman ist eine Gesellschaft russischer, spielsüchtiger Exilanten in der Erwartung einer großen Erbschaft, die ihnen einige Zeit lang ein Weiterspielen ermöglichen würde. Die alte Dame denkt aber gar nicht daran, zu sterben, ganz im Gegenteil: sie kommt selbst nach Deutschland, um ihr Vermögen am Spieltisch durchzubringen!
Lew Tolstoj: Die Kreutzersonate
In einem Zug entsteht eine Diskussion über die "richtige" Ehe und das richtige Verhältnis zwischen Mann und Frau. Einer aus der Runde erzählt, wie er sich in rasende Eifersucht hineinsteigert, weil seine Frau mit einem Musiklehrer Beethovens Kreutzersonate einstudiert. Letztlich ersticht er seine Frau in einem Anfall von Raserei. Das Schlimmste an diesem Roman sind aber nicht die schon zur Zeit der Entstehung (1891) ziemlich altmodischen und reaktionären Ansichten des Protagonisten, sondern das Nachwort des Autors, in dem er durchblicken lässt, dass das durchaus seine eigenen Ansichten sind! Seine Frau Sofja Tolstaja war darüber derart gekränkt und erzürnt, dass sie einen Gegenroman aus der Sicht der Frau veröffentlichte: "Eine Frage der Schuld".
Ursula Keller, Natalja Sharandak: Lew Tolstoj
Lew Tolstoj: eine sehr facettenreiche Persönlichkeit. In jungen Jahren sehr aufklärerisch und revolutionär; so unterrichtet er seine Bauern in Lesen und Schreiben, verfasst dazu eigene Lehrbücher, die bis weit in die Sowjetzeit Verwendung finden, legt sich mit Staat und Kirche an und lebt ein einfaches Leben wie seine Untertanen. Im Alter von knapp 50 Jahren bekommt seine Biografie allerdings einen Knacks: er bricht endgültig mit der Orthodoxen Kirche (er wird sogar exkommuniziert), gründet eine eigene Sekte, umgibt sich mit Jüngern, und macht seinen zahlreichen Kindern und vor allem seiner Frau das Leben zur Hölle. Nach vielen derartigen Ankündigungen verlässt er 1910 Sofja tatsächlich in Begleitung seiner Tochter Richtung Süden, erkrankt plötzlich und stirbt in einer Bahnhofsstation, umringt von Journalisten aus aller Welt. Sofja darf nicht zu ihm, sie muss in einem Eisenbahnwaggon warten, in dem sie ihm nachgereist ist. Auch - oder gerade - für seine Familie galt also das Karenina-Prinzip.
Ursula Keller, Natalja Sharandak: Sofja Tolstaja
Noch einmal die Geschichte der Familie Tolstoj, diesmal steht aber Sofja im Mittelpunkt: sowohl die Person als auch ihr Werk. Sie war nicht nur die Kopistin und Reinschreiberin ihres berühmten Gatten, sondern war auch selbst schriftstellerisch tätig. Wer sich mit der Familie Tolstoj auseinander setzen möchte, ist mit diesem Buch fast besser bedient als mit dem vorigen, weil es zwar viele Überschneidungen gibt, aber im anderen Buch Sofja nicht so im Zentrum steht.
Günter Grass: Grimms Wörter. Eine Liebeserklärung 
Eine Liebeserklärung an das Wörterbuch der Brüder Grimm! Die Kapitel des Buches sind den einzelnen Buchstaben und ausgewählten Artikeln damit gewidmet. Nebenbei erfahren wir in zahlreichen anekdotischen Schilderungen etwas über die Brüder Grimm, ihre Lebensumstände und den schwierigen und dornenreichen Weg zum Wörterbuch. Ein sehr interessantes und schönes Buch von Günter Grass!
Anatoli Marienhof: Jekaterina
Der Autor erzählt sehr kenntnisreich und witzig den Werdegang Sophies von der preussischen Prinzessin von Anhalt-Zerbst bis zur russischen Zarin Katharina II. (die Große). Details zu diversen Personen, deren Machenschaften und Putschen bitte direkt im Wikipedia-Artikel nachlesen. Sehr gelungener historischer Roman, guter Einstieg in russische Geschichte und Denkungsart!
Ian McEwan: Solar
Michael Beard hat relativ jung den Physik-Nobelpreis bekommen. Seither ruht er sich weitgehend auf seinen Lorbeeren aus, ist kaum noch wissenschaftlich tätig und stellt nur noch seinen Namen für diverse Projekte zur Verfügung. Am Tod des Liebhabers seiner Frau ist er nicht ganz unbeteiligt, es gelingt ihm aber, ihn jemandem anderen umzuhängen, der dafür Jahre im Gefängnis verbringt. Der Tote hinterlässt allerdings äußerst vielversprechende Unterlagen, die Michael dazu benutzt, groß in die Solarindustrie einzusteigen. Allerdings wissen auch noch andere um diese Papiere, und sie wissen auch, dass Michael nicht rechtmäßig an sie gelangt ist...
Ian McEwan: Liebeswahn 
Bei einem Unfall mit einem Heißluftballon stürzt ein Mann zu Tode. Zwei zufällig anwesende Männer laufen zur Absturzstelle, dort macht Parry schon etwas seltsame Bemerkungen in Richtung Joe. In weiterer Folge dringt Parry immer weiter in das Privatleben von Joe ein. Joe findet heraus, dass Parry am Clérambault-Syndrom (Liebeswahn) leidet, das über das normale Stalking weit hinaus geht. Aber es nützt ihm nichts, weder seine Freundin noch die Polizei glauben ihm, dass er verfolgt wird. Nicht einmal, nachdem ein Attentat auf ihn verübt wurde. Sehr interessant und spannend: nach den ersten beiden Kapiteln konnte ich das Buch nicht mehr weglegen.
Thornton Wilder: Die Brücke von San Luis Rey
In Peru reisst eine alte Hängebrücke, fünf Personen stürzen in den Tod. Pater Juniper, der beinahe der sechste gewesen wäre, untersucht daraufhin, ob es zwischen diesen Personen einen Zusammenhang gibt, oder ob ihr Zusammentreffen reiner Zufall war.  Es ist schon eine Weile her, dass ich dieses Buch gelesen habe; ich erinnere mich aber an sehr beeindruckende Schilderungen der Marquesa und ihrer Korrespondenz mit den unsichtbaren Ärzten und von Onkel Pio, der sich wie eine Zecke an seine Opfer klammert und ihnen Gerüchte ins Ohr träufelt!
Orhan Pamuk: Rot ist mein Name
Dieser Roman ist zwar insgesamt etwas lange geraten, aber inhaltlich und vor allem strukturell sehr interessant. Es geht um Rivalitäten unter Miniatur-Zeichnern am türkischen Hof zu Zeiten der Renaissance, als das islamische Bilderverbot zur Diskussion stand; also um die Frage, ob es erlaubt ist, von Menschen realistische Porträts anzufertigen oder nicht. Das Lager der Zeichner ist in zwei große Lager gespalten, die Rivalitäten führen bis zum Tod eines der Zeichner. Die Geschichte wird von über 20 (!) Ich-Erzählern getrieben, wobei es von Kapitel zu Kapitel jeweils zu Überschneidungen kommt. In der ersten Hälfte eines Kapitels rekapituliert ein Ich-Erzähler die Handlung aus seiner Perspektive, die der vorige Erzähler gerade aus dessen Sicht gebracht hat. Erst in der zweiten Hälfte wird die Handlung wieder voran getrieben.
Anton P. Gruber: Einmal Amerika und zurück
Die Amerika-Reise eines Steirers sehr witzig und pointiert erzählt. Wer schon in den USA war, dem wird vieles sehr bekannt vorkommen!
Josef Winkler: Verschleppung
Josef Winkler erzählt die Geschichte einer ukrainischen Zwangsarbeiterin, die gemeinsam mit ihrer Schwester nach Kärnten verschleppt wurde. Nach dem Krieg blieb sie in Kärnten und heiratete den Jungbauern. Sehr berührend, vor allem, weil einmal ein Einzelschicksal beispielhaft beschrieben und so den abstrakten Begriffen Verschleppung und Zwangsarbeit entrissen wird.
Thomas Bernhard: Alte Meister
Der Musikphilosoph Reger sitzt Tag für Tag im Wiener Kunsthistorischen Museum vor immer dem gleichen Bild, dem "Weißbärtigen Mann" von Tintoretto und räsoniert vor sich hin: über die Lehrer, die Musik, die Künstler ganz allgemein, über das verkommene Österreich, und so weiter und so weiter - typisch Thomas Bernhard eben. Das Besondere an diesem Roman ist aber der autobiographische Zug: der Autor verarbeitet darin den Tod seines "Lebensmenschen", seiner Wahltante Hedwig Stavianicek.
Thomas Bernhard: Holzfällen
Ein Schlüsselroman der Wiener Gesellschaft, der bei seinem Erscheinen etlichen Staub aufgewirbelt hat. Der Komponist, in dessen Wohnung die Handlung des Romans spielt, fühlte sich erkannt und versuchte darauf hin, den Roman verbieten zu lassen; mit dem Effekt, dass die Verkaufszahlen des Romans in die Höhe schnellten (heute würde man Streisand-Effekt dazu sagen). Charakteristischer Satz darin "... dachte ich in meinem Ohrensessel" - in allen nur denkbaren Abwandlungen.
Markus Werner: Am Hang
Der junge Scheidungsanwalt Clarin trifft auf einer Terasse im Tessin eines Abends auf einen älteren Herren namens Loos, der etwas verwirrt erscheint. Sie kommen ins Gespräch und mit der Zeit erfährt der Leser, dass Loos seine Frau unter merkwürdigen Umständen verloren hat und dass das Treffen mit Clarin nicht so zufällig war, wie es zunächst den Anschein hatte...
Manuel Vasquez Montalban: Undercover in Madrid
Pepe Carvalho wird von Barcelona nach Madrid gerufen und soll den Mord klären, der während einer Literaturpreisverleihung verübt wurde. Stadt und Menschen sind ihm fremd, und so muss er alle Teilnehmer irgendwie beschreiben; dabei beschreibt er für uns auch gleich die diversen spanischen Regionen und die dort lebenden Typen.
Manuel Vasquez Montalban: Wenn Tote baden
Pepe Carvalho wird eine Kur verordnet, die er nur widerwillig antritt. Die diversen Typen unter Personal und Patienten werden herrlich und witzig beschrieben. Die Aufklärungsarbeiten nach einem Mord in der Kuranstalt führen ihn zu alten Dokumenten sowie zu Aktivitäten der CIA und der Organisation Gehlen, dem späteren BND.
Manuel Vásquez Montalbán: Die Meere des Südens
Der reiche Unternehmer Pedrell verschwindet eines Tages spurlos aus Barcelona. Einige Zeit später schreibt er eine Karte aus der Südsee: er hat sich offenbar abgesetzt und ist ausgestiegen. Allerdings findet man ein Jahr später seine Leiche in Barcelona; wie sich herausstellt, war er gar nie in der Südsee, sondern hatte eine Wohnung im Norden Barcelonas gemietet. Pepe Carvalho soll die näheren Umstände dieses Falles klären. Wie immer steht bei Vásquez Montalbán nicht so sehr die Krimihandlung im Vordergrund, sondern in Wirklichkeit ist der Roman eine weitere Sozialstudie über Barcelona und Katalonien.
Stefan Slupetzky: Der Fall des Lemming
Der Polizist Leopold Wallisch kommt mit seinem Chef Krotznig nicht klar und quittiert den Dienst: seither nennen ihn alle "Lemming" und er ist jetzt als Privatdetektiv tätig. Als solcher wird er engagiert, einen pensionierten Lateinlehrer zu beschatten. Er verliert ihn nur kurz aus den Augen, schon ist er tot und ausgerechnet Krotznig behandelt den Fall. So kämpft der Lemming an einer Front mit Krotznig und an der anderen mit einer Bande ehemaliger Schüler des Lateinlehrers. Wiener Lokalkrimi mit sehr vielen gelungenen Wortspielen!
Stefan Slupetzky: Lemmings Himmelfahrt
Es läuft nicht gut für den Lemming, und so spült er seinen Frust in einem Lokal nahe dem Naschmarkt hinunter. Er und ein weiterer Gast aus dieser Spelunke geraten auf dem Markt in eine Schießerei. Der Lemming kommt dahinter, dass es sich bei den Beteiligten um einen Insassen bzw. einen Pfleger einer psychiatrischen Anstalt handelt. Nachdem es so aussieht, als wäre der Lemming der Todesschütze, bleibt ihm nichts anderes übrig, als selbst den Fall aufzuklären - und wenn er sich dafür als Insasse in die Anstalt einschleusen lassen muss!
Stefan Slupetzky:  Das Schweigen des Lemming
"Mord" im Zoo Schönbrunn an einem Pinguin! Lemming wird engagiert und kommt einer Bande ehemaliger Kunststudenten der Akademie auf die Spur, die irgendwie in den Raub der Saliera aus dem Wiener Kunsthistorischen Museum verwickelt ist. Abgesehen von der eigentlichen Krimihandlung sind die Streiche super, die sich in und um die Akademie abspielen: von pickenden Hühnern bis zu bösartigen Übermalungen und product placement reicht da das Spektrum!
Stefan Slupetzky: Lemmings Zorn
Eine Freundin des Lemmings und seiner Frau wird tot aufgefunden; klar, dass sich der Lemming da dranklemmt. Er findet heraus, dass die beteiligten Personen alle irgendwie lärmgeschädigt sind: von Baustellenterror bis Flugschneise ist da alles dabei. 
Wolf Haas: Komm, süßer Tod
Der Einstieg in das Sprach- und Gedanken-Universum des Ex-Polizisten und jetzigen Privatdetektivs Simon Brenner schlechthin. In Wien schnappen einander die diversen Rettungsdienste die Fahrten vor der Nase weg; es sieht so aus, als würde der Samariterbund den Funk der Kreuzretter abhören. Brenner stößt im Zuge der Untersuchungen auf merkwürdige Todesfälle, die den Kreuzrettern allerdings sehr großzügige Erbschaften zukommen lassen. Der Roman wurde sehr erfolgreich und autentisch mit Josef Hader als Brenner verfilmt!
Wolf Haas: Silentium
In einem Salzburger Internat finden Schüler in einem Fußball-Tisch ("Wutzler") eine Hand - allerdings nur eine Hand. Simon Brenner bekommt den Auftrag, der Sache nachzugehen. Seine Recherchen führen ihn zu den Salzburger Festspielen, zu einer rassigen Rothaarigen (dem "Waldbrand"), zu einem Fitnesstrainer mit dem Oberschenkel einer Japanerin (einer ganzen Japanerin, wohlgemerkt) und in das Haus mit der Adresse Petting 69. Schräg? - Ja! Wolf Haas eben! Die Verfilmung (auch wieder mit Josef Hader als Simon Brenner) ist aber bei weitem nicht so gelungen wie bei "Komm, süßer Tod".
Wolf Haas: Wie die Tiere
Schauplatz Augarten in Wien: Kampfmütter gegen Kampfhunde. Die nähere Beschreibung kann ich mir an dieser Stelle aber ersparen, da gibt es eine wirklich gelungene Inhaltsangabe ganz im Stile von Wolf Haas: ja, genauso schreibt der! Allein für den Namen "Treuhund" - der Gesellschaft, die Erbschaften für Tierheime verwaltet - gebührt ihm ein Preis. Verwalter der Treuhund ist übrigens ein gewisser Herr Hojac.
Volker Klüpfel, Michael Kobr: Milchgeld. Kommissar Kluftingers erster Fall.
In einer kleinen allgäuer Käserei ist ein Lebensmitteltechniker ermordet worden. Kommissar Kluftinger beginnt behäbig und nur widerwillig mit den Ermittlungen, denn sie stören ihn beim Kässpatzen-Essen. Die Krimihandlung ist nur Nebensache; im Mittelpunkt stehen der etwas altmodische und tolpatschige Kluftinger und seine Familie, sowie sein täglicher Kleinkrieg mit dem aufdringlichen Nachbarn Langhammer. Die Krimis mit dem ausgeprägten Lokalkolorit sind so erfolgreich, dass es im Raum Kempten inzwischen Kluftinger-Touren gibt, auf denen Touristen von Schauplatz zu Schauplatz geführt werden.
Volker Klüpfel, Michael Kobr: Erntedank. Kommissar Kluftingers zweiter Fall.
Auf der Brust des Ermordeten wird auffällig eine tote Krähe drapiert. Dieser Fall führt Kluftinger in die Sagenwelt des Allgäu, in der der Schlüssel zur Lösung zu finden sein muss. Im zweiten Band - und noch mehr in den Folgebänden - wird mehr und mehr die Ungeschicklichkeit Kluftingers sowie seine Sticheleien mit Langhammer ins Zentrum gerückt. Mir persönlich ging das dann schon zu weit und ich hab die Lektüre nach dem dritten Buch eingestellt.
Heinrich Steinfest: Nervöse Fische
Auf den Dächern des Wohnparks Alt-Erlaa in Wien gibt es Gemeinschafts-Schwimmbäder. Eines Tages treibt in so einem Pool eine Leiche, die seltsamerweise von einem Hai (!) angeknabbert wurde. Für Inspektor Lukastik gibt es keine Rätsel sondern nur Logik, aber dieser Fall stellt ihn auf eine harte Probe. Reste eine Hörgerätes führen ihn ins Waldviertel, wo auch noch zwei seiner Assistenten entführt werden. Zuletzt macht er eine unglaubliche Entdeckung, aus der er gerade noch herauskommt. Sehr origineller und witziger Krimi mit Schauplatz Wien und Umgebung!
Fred Vargas: Der vierzehnte Stein
Eine junge Frau wird mit einem Dreizack (Heugabel) erstochen. Der ermittelnde Kommissar Adamsberg erschauert, denn viele Jahre zuvor wurde sein Bruder so eines Verbrechens beschuldigt. Die Ermittlungen bringen Adamsberg nach Quebec und auch wieder zurück, obwohl das gar nicht so selbstverständlich schien. Jedenfalls hat ein pensionierter Richter seine Finger im Spiel und möchte Adamsberg nach all den Jahren unbedingt was anhängen.
Fred Vargas: Fliehe weit und schnell
Die Pest in Paris, und das zu Beginn des 21. Jahrhunderts! Seit Tagen werden an Türen geheimnisvolle Zeichen gemalt, die wie eine seitenverkehrte Vier aussehen. Als eines Tages noch ein Toter mit schwarzen Flecken vor einem solchen Haus gefunden wird, ist die Panik perfekt. Kommissar Adamsberg gelingt schließlich mit Unterstützung eines Ausrufers die Klärung dieses gruseligen Falles.
Norbert Silberbauer: Die elf Gebote
Zu jedem der 10 Gebote erzählt der Autor eine passende Geschichte (mal besser, mal nicht so gut). Die besseren Geschichten sind glücklicherweise in der Mehrheit und machen das Buch zu einer absoluten Empfehlung! Sehr intelligent und sehr witzig erzählt! Da gibt es einen Sprachpuristen, der unter der allgemeinen Sprachverluderung leidet (2. Gebot). Oder einen Mesner, der ausgerechnet an einem Sonntag in seiner Kirche von einem herabfallenden Engel erschlagen wird und nun auf seine Himmelfahrt wartet (3. Gebot). Oder zwei Gerüchte, die unabhängig voneinander in einem kleinen Ort losgelassen werden und zum Schluss aufeinander treffen (8. Gebot). Das elfte Gebot lautet übrigens "Du sollst nicht Sport treiben!"
Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt
Der Autor lässt Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauss aufeinander treffen. Dieses im Roman arrangierte Treffen hat es zwar nicht gegeben, aber es ist das Mittel, um die beiden bedeutenden deutschen Gelehrten gegenüber zu stellen und zu vergleichen. Auf der einen Seite der weitgereiste Weltenbummler und Geograph, der in adeligen Abendgesellschaften von seinen Reisen erzählt. Auf der anderen Seite der geniale Mathematiker, der aus seinem Göttingen kaum jemals hinaus gekommen ist, und vor allem dafür sorgen muss, dass sein Sohn nach Amerika flüchten kann. Sehr witzig und locker flockig geschrieben!
Carl Djerassi: Cantors Dilemma
Der Autor ist Chemiker mit Wiener Wurzeln (Jahrgang 1923) und wird meistens als "Vater der Antibabypille" bezeichnet. Seine Romane sind vielleicht nicht die große Literatur, aber sie sind inhaltlich sehr interessant, weil sie sich mit Wissenschaft an sich bzw. mit dem Wissenschaftsbetrieb auseinander setzen. In diesem Buch ist ein Chemiker ganz nahe am Nobelpreis dran, als kurz vor der tatsächlichen Verleihung Gerüchte über zweifelhafte Laborbücher und ebensolche Ergebnisse auftauchen.
Carl Djerassi: Das Bourbaki Gambit
Vier anerkannte, aber inzwischen in die Jahre gekommene, Wissenschafter tun sich zusammen, um noch einmal ein ganz großes Projekt auf die Beine zu stellen; allerdings nicht unter ihren richtigen Namen, sondern unter dem Namen eines "Sammel"-Pseudonyms "Bourbaki". Dieses Pseudonym "Nicolas Bourbaki" wurde schon früher von französischen Mathematikern benutzt, und die vier Protagonisten greifen diese Tradition wieder auf. In diesem Buch behandelt Carl Djerassi mehrere Bereiche der Wissenschaft: die - wie er meint - latente Vergreisung des Wissenschaftsbetriebes. Und: wie weit sind heutzutage noch Wissenschafter bereit, auf ihre Autorenschaft zu verzichten und anonym zu veröffentlichen? Das Buch bietet sehr interessante Einblicke in den Wissenschafts-Alltag und so nebenbei lernt man auch noch vieles über die PCR, denn die wird von den Vieren im Buch erfunden.
Carl Djerassi: NO
In diesem Buch geht es nicht um "Verneinung", sondern um Stickstoffmonoxid (NO), einem wichtigen Botenstoff in der Biologie, der auf die Blutgefäße erweiternd wirkt (Stichwort Sildenafil vulgo Viagra). Er beschreibt hier die Entwicklung eines Medikamentes, über die geeignete Form der Verabreichung, dessen klinische Tests und Markteinführung, welche finanziellen Interessen und Risiken dran hängen, mit welchen Rückschlägen man rechnen muss etc. Hier schreibt einer, der das offensichtlich alles hautnah erlebt hat!
 Richard Dawkins: Die Schöpfungslüge. Warum Darwin recht hat
In diesem Buch sammelt der Autor noch einmal alle Argumente mit aktuellem wissenschaftlichen Hintergrund zusammen, die gegen eine Schöpfung und somit auch gegen hartgesottene Kreationisten sprechen. Außerdem stellt er die Evolutionstherie auf eine Stufe mit dem heliozentrischen Weltbild; so wie heute niemand mehr (ernsthaft) behauptet, die Sonne kreise um die Erde, so stellt auch heute niemand mehr (ernsthaft) die Evolution in Frage: sie ist einfach mit zu vielen Beweisen abgesichert. Obwohl vieles in dem Buch so irgendwie allgemein bekannt ist, schadet es doch nicht, sein Gefühl mit ein paar ordentlichen und handfesten Argumenten zu stützen. Ich hab jedenfalls sehr viel Interessantes erfahren.
Jared Diamond: Arm und reich 
Neben "Der dritte Schimpanse" wahrscheinlich sein wichtigstes und bestes Buch! Er beginnt mit der Frage "warum haben die Europäer Amerika entdeckt und nicht umgekehrt"? und kommt dabei zu folgenden Ergebnissen: Die Hauptachse von Europa liegt in Ost-/West-Richtung und somit in einem relativ schmalen Band der geografischen Breite. Das ermöglicht zahlreichen Pflanzen und Tieren eine großräumige Ausbreitung, ohne wesentliche Klimaschranken überwinden zu müssen. Viele dieser Arten lassen sich domestizieren und stehen damit einer menschlichen Weiter-Entwicklung zur Verfügung. Die Asia-Europäer hatten daher viel mehr Möglichkeiten als die Amerikaner, deren Kontinente im wesentlichen eine Nord-/Süd-Ausrichtung mit vielen geografischen und klimatischen Hürden aufweisen. Jedenfalls eines der ersten Bücher, das eine rassismusfreie Erklärung für die Eroberungswege bietet; seine Thesen sind bis heute nicht wirklich widersprochen!
Jared Diamond: Warum macht Sex Spaß?
Einige der Fragen hat er bereits in "Der dritte Schimpanse" behandelt, in diesem Buch geht es um alle Bereiche der menschlichen Sexualität aus Sicht eines Evolutionsbiologen. Also: Warum können Männer nicht stillen? Warum ist Frauen die Emfpängnisbereitschaft nicht schon von Weitem anzusehen? Warum gibt es die Menopause? Warum ...? Das Buch ist schon ein paar Jahre alt, und ich bin einfach zu wenig Experte, um beurteilen zu können, wieviele und welche der Antworten noch gültig sind. Aber interessant sind sie allemal!
Desmond Morris: Die nackte Eva
Desmond Morris setzt sich mit dem gesamten weiblichen Körper auseinander (vom Scheitel bis zu den Zehen) und beschreibt dabei jeweils sexuelle Aspekte - und das auch noch unter Berücksichtigung unterschiedlicher Kulturen. Vieles ist sicher allgemein bekannt, Vieles wahrscheinlich nicht. So war es für mich zum Beispiel total überraschend und verblüffend, dass ein durch Hochstecken des Haares blanker Hals bei japanischen Männern ähnlich erregend wirkt wie bei westlichen Männern vielleicht ein offenherziges Dekolleté!
Hans Magnus Enzensberger: Schreckens Männer: Versuch über den radikalen Verlierer
Der Untertitel "Versuch über den radikalen Verlierer" stellt gleichzeitig die Hauptthese des Autors dar: dass nämlich religiöse Fanatiker oder Schulattentäter etwas gemeinsam haben - nämlich Verlierer zu sein. Das schmale Büchlein ist wahrscheinlich nicht mehr als ein Versuch, ist aber dennoch lesenswert.
Henry Hobhouse: Fünf Pflanzen verändern die Welt
Domestizierte Tiere und Pflanzen waren und sind für die Menschheit von entscheidender Bedeutung. In welchem Ausmaß sie das waren, beschreibt der Autor an den Pflanzen bzw. pflanzlichen Produkten Chinarinde, Zucker, Tee, Baumwolle und Kartoffel. Das Spektrum reicht von nun möglichen Eroberungen in Malariagebieten über billige Ernährung durch die einfach zu kultivierende Kartoffel bis zu Hungerkatastrophen und Auswanderungwellen, wenn die Hauptnahrungsquelle Kartoffel noch im Boden verfault, wie das in Irland geschah.
Daniel Everett: Das glücklichste Volk 
Der Autor (--> Artikel der deutschen bzw. englischen Wikipedia) zieht 1977 mit seiner Familie zu einem Indiostamm, der völlig abgeschieden irgendwo am Amazonas lebt, um ihn zu missionieren. Er ist aber nicht nur Missionar, sondern vor allem Linguist. Als solcher stellt er fest, dass die Sprache der Piraha einige Besonderheiten aufweist. Sie kennen keine Zahlwörter, können daher auch nicht rechnen; Bemühungen, ihnen das Rechnen beizubringen, scheitern - an der Sprache. Sie kennen keine Bezeichnungen für Farben und leben nur in der Gegenwart: Ereignisse aus der Vergangenheit werden jedesmal anders erzählt. Das Buch hat bei seinem Erscheinen etlichen Wirbel unter den Linguisten ausgelöst, weil die Sprache der Piraha die Sapir-Whorf-Hypothese stark stützen dürfte, was dem Grammatik-Lager rund um Noam Chomsky ebenso stark widerstrebt.
Jürgen Neffe: Darwin. Das Abenteuer des Lebens
2009 hatte Charles Darwin seinen 200. Geburtstag. Aus diesem Anlass hat der Autor die legendäre Weltreise Darwins auf der Beagle nachvollzogen. Allerdings nicht auf modernen Kreuzfahrtschiffen mit allem Komfort, sondern vorwiegend als Passagier auf Frachtschiffen. Das Ergebnis ist ein toller Reisebericht, in dem immer wieder Zitate aus den 1830er-Jahren den heutigen Verhältnissen gegenüber gestellt werden.
Philipp Bloom: Böse Philosophen. Ein Salon in Paris 
Philipp Bloom erzählt in diesem Buch einerseits die Entstehungsgeschichte der legendären, revolutionären, antiklerikalen, subversiven Encyclopédie, andererseits stellt er die wesentlichsten Autoren der Encyclopédie rund um Denis Diderot und d'Alembert vor, die sich jede Woche im Salon des Barons d'Holbach getroffen haben. Rousseau nimmt zwar auch breiten Raum ein, es ist aber offensichtlich, dass Bloom ihn nicht besonders mag (womit er aber wahrscheinlich recht hat). Der Autor schafft es, diese Geschichte sehr mitreißend und informativ zu erzählen. Mir war die Sprengkraft der Encyclopédie vor der Lektüre dieses Buches nicht so bewusst - jedenfalls nicht in diesem Ausmaß!
Charles C. Mann: 1491
Das war ein ausgesprochen glücklicher Zufallsfund während unseres Aufenthaltes bei Joy in Kanada - wahrscheinlich eines der besten Bücher, das ich 2012 gelesen habe. Der Autor beschreibt die Besiedelungsgeschichte und Entwicklung der diversen Kulturen auf den amerikanischen Kontinenten vor dem Entdecktwerden durch die Europäer 1492. Besonders spannend fand ich die Kapitel über den Mais, die Olmeken, die Inkas, terra preta und über Norte Chico.
Karl Brunner: Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
Ich finde Beschreibungen des alltäglichen Lebens unserer Ahnen immer besonders aufschlussreich, und diese hier finde ich besonders gelungen. Alle Bereiche des Lebens werden beschrieben: Bekleidung, Ernährung, Hygiene, Erziehung, Landwirtschaft, Feste, Jahresablauf, Lehnsherren, Klerus und so weiter. Relativ kleines Büchlein, aber dafür umso interessanter!
Karl Vocelka: Geschichte Österreichs
Zu diesem Thema gibt es natürlich ganze Bibliotheken; aber hier wird die Geschichte Österreichs in einem Buch zwar knapp aber sehr übersichtlich und gut gelungen dargestellt.
Peter Böhmer: Wer konnte, griff zu. Krauland-Ministerium 1945-1949
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Österreich ein "Ministerium zur Vermögenssicherung", zuständiger Minister war Peter Krauland. Sein Verhalten bei der Entführung von Margarethe Ottillinger ist bis heute nicht ganz aufgeklärt - aber das nur nebenbei. In seiner Zeit als Minister legten die beiden großen Parteien ÖVP und SPÖ ihren Grundstein für ihre Besitztümer, indem sie arisiertes und anderes herrenlose Vermögen unter sich aufteilten: Industrie, Verlage etc. hat man sich einverleibt, ehemalige Eigentümer, die sich gemeldet hatten, wurden hingehalten. Der Titel des Buches passt also ganz genau.
Mark Mazower: Der dunkle Kontinent
Es geht um nicht weniger als um Europa im 20. Jahrhundert. Sehr interessant fand ich den Abschnitt, in dem er die Geschichte Europas kurz nach dem 2. Weltkrieg beschreibt. Entvölkerte Landschaften sind für den Kontinent typisch, für manche werden neue Siedler regelrecht angeworben, große innereuropäische Wanderungen sind die Folge. Es ist schon einige Jahre her, dass ich dieses Buch gelesen habe, die Erinnerung daran ist daher schon etwas blass, aber ich weiß noch, dass es mir recht gut gefallen hat.
Anna Lanyon: Malinche
Malinche war die Übersetzerin von Hernan Córtez bei dessen Eroberungszügen durch Mexiko. Die Autorin beschreibt einerseits das Leben von Malinche, andererseits ihr heutiges Bild in Mexiko.
John Wills: 1688
Sehr interessante Übersicht, was alles 1688 passierte - und zwar weltweit. Von der Glorreichen Revolution in England bis zu den Jesuiten in China.
Gabriele Gast: Kundschafterin des Friedens
Autobiografie einer Spionin der DDR (die "Kundschafter des Friedens" genannt wurden), die in der Zentrale des BND saß und von Markus Wolf geführt wurde. Nach der Wende wurde sie verraten und zu 6 Jahren Haft verurteilt.
Frank Sieren: Wir haben fast alles falsch gemacht: Die letzten Tage der DDR.
Biografie von Günter Schabowski in Interviewform. Günter Schabowski war jener Mann, der auf einer Pressekonferenz auf Nachfrage eines Journalisten quasi in einem Nebensatz den Fall der Berliner Mauer verkündete. Im Gegensatz zu den meisten anderen Mitgliedern des Politbüros bekannte er sich zu seiner Verantwortung (unter anderem für den Schießbefehl an der Grenze) und wurde nach der Wende zu drei Jahren Haft verurteilt. Sehr interessante Einblicke in die Welt der Genossen Honecker, Mielke und Co.
Manfred Krug: Abgehauen.
Manfred Krug war bereits ein erfolgreicher Schauspieler und Sänger in der DDR. Kurz nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976 kam es im Haus von Manfred Krug zu einer Aussprache zwischen Künstlern und dem Kulturminister, die Manfred Krug heimlich aufzeichnete. Der erste Teil ist praktisch eine Niederschrift dieser Aufzeichnung; man hört auf der einen Seite die große Betroffenheit und Empörung über die Ausbürgerung Biermanns heraus, gleichzeitig müssen die Künstler aber sehr vorsichtig um den großen Löwen herumtanzen, um ihn nicht zu sehr zu reizen. Genützt hat all die Vorsicht freilich wenig: kurz danach kommt ein bereits fertig gedrehter Film mit Manfred Krug nicht mehr ins Kino, verliert er seine Engagements als Sänger usw. Letzlich stellt er einen Ausreiseantrag. Der zweite Teil des Buches schildert die Zeit zwischen dem Antrag und der tatsächlichen Ausreise. Dieser zweite Teil ist sehr aufschlussreich, was das tägliche Leben in der DDR betrifft.
Erwin Wickert: John Rabe: Der gute Deutsche von Nanking
John Rabe arbeitete für Siemens in deren Niederlassung in Nanking. Als die Japaner 1937 beginnen, die Stadt zu erobern und dabei unbeschreibliche Massaker anrichten, gelingt es John Rabe, eine Schutzzone für Zivilisten einzurichten, die so recht und schlecht von den Japanern respektiert wird. Für seine Verdienste um die Bevölkerung von Nanking wird er dort heute noch hoch verehrt und "lebender Buddha" genannt. Nach dem Krieg zahlen ihm die Chinesen sogar eine kleine Rente, die aber letztlich zuwenig zum Leben ist. John Rabe stirbt 1950 völlig verarmt und isoliert in Berlin.
Oliver Hilmes: Witwe im Wahn
Im Gegensatz zu ihrer Autobiografie (Mein Leben) eine Lebensgeschichte, die den Tatsachen wesentlich näher kommt. So schildert der Autor zwar auch den Einfluss von Alma Mahler-Werfel auf zahlreiche Künstler in ihrer Umgebung (Zemlinsky, Mahler, Gropius, Kokoschka, Werfel und viele andere), aber eben auch ihren penetranten Antisemitismus, ihren Narzissmus und den Umgang mit ihren Kindern, von denen nur ihre Tochter Anna sie überlebt.
Wolf Schneider: Große Verlierer: Von Goliath bis Gorbatschow
Der Titel sagt eigentlich bereits alles: hier geht es nicht um die strahlenden Sieger, sondern um kolossale Verlierer. Neben Goliath und Gortatschow treten noch auf: Lise Meitner, Johann Strauß (Vater), Al Gore, Leo Trotzki, Alan Turing, Heinrich Mann, ...
Daniele Ganser: NATO-Geheimarmeen in Europa
Ausgangspunkt war der Wikipedia-Artikel über die italienische Organisation Gladio. Von hier aus hab ich dann noch über P2, stay behind-Armeen und so weiter und so weiter gelesen. Und in praktisch allen Artikeln wird auf dieses Buch verwiesen; also hab ich es in der Bücherei einmal ausgeliehen. Nach einigen grundsätzlichen Kapiteln beschreibt der Autor, welche solche verdeckte Armeen es in den einzelnen europäischen Ländern gab, und in welche Machenschaften sie verwickelt waren; von Terror bis zu Putsch ist da praktisch alles dabei. Kaum zu glauben, aber auch in Östereich gab es so eine verdeckte Armee, getarnt als "Wander- Sport- und Geselligkeitsverein", dessen Leiter niemand geringerer war als Franz Olah! Nach der Lektüre sieht man das Verhältnis zwischen den USA, Großbritannien und Kontinentaleuropa mit anderen Augen!
Simon Singh, Edzard Ernst: Gesund ohne Pillen
Edzard Ernst hat einen der ersten Lehrstühle für alternative Medizin und Simon Singh ist Physiker und vor allem ein Autor, der auch schwierige Inhalte vermitteln kann; beide sind also Wissenschafter und fühlen sich der Wissenschaftlichkeit auch verpflichtet. In diesem Buch geben sie einen historischen Überblick von den Anfängen der Medizin über den Beginn des wissenschaftlichen Arbeitens in der Medizin bis zum aktuellen methodischen Stand der evidenzbasierten Medizin. Anschließend untersuchen sie die gängigsten Methoden der Alternativmedizin wie Homöopathie, Akupunktur, Bachblüten etc. sehr ausführlich; und im Anhang ist dann weiteren 37 Methoden eine kurze Zusammenfassung gewidmet. Wie gesagt sehr gut geschrieben und ein gutes Nachschlagewerk!
Simon Singh: Big Bang
Super Historie der Physik und Astronomie von Newton über Herschel bis zu Rutherford, Bohr, Einstein, Meitner, Hahn, Heisenberg und vielen mehr; von Entfernungsmessungen, Rotverschiebung, big bang, über Atommodelle bis zum Hintergrundrauschen bzw. bis hin zu den letzten Fragen auf diesen Gebieten. Und das Ganze sehr spannend und vor allem auch für Laien verständlich erklärt!
Simon Singh: Fermats letzter Satz
Den Pythagoräischen Lehrsatz kennt jeder. Die Frage, ob man diesen Lehrsatz verallgemeinern kann auf a^n + b^n = c^n  für ganzzahlige n > 2, war über Jahrhunderte ungeklärt. Fermat hat am Rande eines Buches gemeint, er hätte einen wahrhaft eleganten Beweis, allerdings reiche der  Seitenrand platzmäßig dafür nicht aus. Mehr als 350 Jahre später gelang erst der wasserdichte Beweis, dass es keine Lösung dafür gibt. Der Beweis wurde mit Methoden und Wissen des späten 20. Jahrhunderts erbracht, Fermat kann ihn also nicht gehabt haben. Simon Singh erzählt von den jahrhundertelangen Versuchen der Mathematiker sowie natürlich vom Beweis selbst und dessen Grundlagen; wie immer in großartiger Simon Singh-Qualität, und wie immer auch für Laien geeignet!
Simon Singh: Geheime Botschaften. Die Kunst der Verschlüsselung von der Antike bis in die Zeiten des Internets.
Der Titel sagt eigentlich bereits alles, der Autor bürgt für Qualität. Wie immer bei ihm: absolut laientauglich!
Ben Goldacre: Die Wissenschaftslüge. Wie uns Pseudowissenschaftler das Leben schwer machen
Ben Goldacre hat im englischen Guardian eine regelmäßige Kolumne zu Wissenschaftsthemen. Dieses Buch stellt Artikel daraus zu einem Ganzen zusammen, die sich mit medizinischen Studien, Metastudien, Stolpersteinen der Statistik (bias, Storchenproblemen etc.) und vor allem der Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit von Autoren beschäftigt. Einen Schwerpunkt stellt die jahrelange Diskussion um die kombiniert Mumps/Röteln/Scharlach-Impfung dar, die im Ruf stand, Autismus zu begünstigen. Bis heraus kam, dass der Studien-Autor eben nicht unabhängig war und diese Kombi-Impfung in keinen Zusammenhang mit Autismus gebracht werden kann.
Bernard Lewis: Der Untergang des Morgenlandes
Harun ar-Raschid, der Kalif von Bagdad und Zeitgenosse Karls des Großen, residiert in Bagdad in Glanz und Gloria, umgeben von Wissenschaftern, die auf der Höhe der Zeit sind. Sein Zeitgenosse im Westen legt sich zu den Kühen in den Stall, um in der Burg nicht zu erfrieren. Etliche Jahrhunderte später hat sich das Bild komplett gewandelt: der Westen beginnt mit den Naturwissenschaften, unterhält diplomatische Beziehungen in aller Welt, auch in der neuen, die er gerade entdeckt hat, während der Osten komplett in der Entwicklung stehen bleibt, wenn nicht gar zurück steigt. Der Autor versucht die Frage zu beantworten: "Was ist geschehen? Was hat diesen Wandel bewirkt?"
Jürgen Gottschlich: Türkei
Sehr empfehlenswert für alle, die die Türkei etwas abseits von Klischees näher kennen lernen wollen! Das Buch reicht bis in die jüngste Geschichte des Landes, also inklusive Machtübernahme durch die AKP.
Christine Schirrmacher, Ursula Spuler-Stegemann: Frauen und die Scharia
Die Autorinnen gehen an die Quellen und sehen nach, was dort zu finden ist, und lassen sich nicht einlullen von Beschwichtigern, die meinen, ist eh alles nicht so schlimm und ist eh alles nicht so wörtlich zu nehmen. Wenn es dann aber ernst wird, dann zählt nur das, was in den Heiligen Schriften steht. Und das ist für Frauen nicht gerade vorteilhaft - um es gelinde auszudrücken. Stellenweise sehr erschütternd und verstörend; starker Tobak!
Necla Kelek: Die verlorenen Söhne
Die Autorin ist in Istanbul geboren und aufgewachsen, kennt aber natürlich auch die Lebensumstände in Anatolien. Im Alter von neun Jahren übersiedelt sie mit ihrer Familie nach Deutschland; allerdings ist der Vater - wie so viele türkische Väter - geistig nie in Deutschland angekommen. Letzlich kommt es zum Bruch, der Vater verlässt die Familie. In diesem Buch schildert die Soziologin ihre Erlebnisse mit türkischen Häftlingen, die in deutschen Gefängnissen einsitzen. Immer wieder kommt zum Ausdruck, dass viele von ihren Familien und Traditionen getrieben sind, und dadurch mit den deutschen Gesetzen in Konflikt kommen; sie selbst sehen sich durchaus nicht als kriminell, nur ein einziger zeigt so etwa wie Reue. Sehr interessante Lektüre, weitere Bücher von ihr sind schon auf der Wunschliste!
Youssef Courbage, Emmanuel Todd: Die unaufhaltsame Revolution
Emmanuel Todd ist von Beruf Demograph und hat als solcher bereits Ende der 1970er- / Anfang der 1980er-Jahre den Zusammenbruch des Sowjet-Imperiums vorausgesagt. Für dieses Buch hat er wieder zahlreiche Statistiken zusammen getragen; die Hauptfolgerungen, die er und sein Chef Youssef Courbage daraus ziehen: immer wenn die Alphabetisierungsrate von Frauen einen bestimmten Anteil übersteigt, sinkt die Geburtenrate - und zwar dramatisch. Dieses Sinken hat natürlich langfristige Konsequenzen; er spricht sogar von einer Revolution quasi in Zeitlupe, die von den derzeitigen Machthabern nicht aufzuhalten ist.
Ayaan Hirsi Ali: Mein Leben, meine Freiheit
Sie hatte keine einfache Kindheit als Mädchen in Somalia, Genitalverstümmelung inklusive. In der Jugend emanzipiert sie sich, es gelingt ihr die Flucht via Deutschland bis in die Niederlande. Aber selbst dort wird sie von ihren Stammesführern aus Somalia heimgesucht, kann sich aber erfolgreich dagegen zur Wehr setzen. Sie bekommt in den NL politisches Asyl, studiert und wird sogar Abgeordnete im Parlament. Durch einen Formalfehler bei ihrer Einreise in die NL, der im Zuge eines Wahlkampfes ans Tageslicht kommt, wird sie zur Ausreise in die USA gezwungen, wo sie noch heute lebt und arbeitet. Starke Geschichte!
Adam Hochschild: Schatten über dem Kongo
Der Weg, der mich zu diesem Buch führte, ist etwas verworren. Als eingefleischter Vargas Llosa-Fan musste ich natürlich zum Interview- und Lesungstermin gehen, den er in Wien hatte. Anlass war, dass die Stadt Wien sein Werk "Der Geschichtenerzähler" als Gratisbuch viel tausendfach gratis an die Wiener verteilte. Zu diesem Zeitpunkt war auch gerade sein neuer Roman "Der Traum des Kelten" erschienen (s. oben), der sich mit der Geschichte des irisch-englischen Diplomaten Roger Casement befasst. Casement war es auch, der Europa die Augen geöffnet hatte für die grauenvollen Zustände, für die der Belgische König Leopold II. im Kongo gesorgt hatte. Und genau darüber wollte ich mehr wissen, und genau deshalb bin ich zu diesem Standardwerk gekommen.
Unvorstellbare Grausamkeiten, die jede Fantasie übersteigen, komplett verrohte und zynische Aufseher und Ausbeuter werden da geschildert. Joseph Conrads Roman "Das Herz der Finsternis" nimmt sich ebenfalls dieser Zustände an; die letzten Worte seines sterbenden Protagonisten Mr. Kurtz sind: "Das Grauen, das Grauen!"
Deutscher Sprachrat: Ausgewanderte Wörter
Die deutsche Sprache nimmt nicht nur viele Wörter anderer Sprachen auf, es gibt auch den umgekehrten Weg! Beispiele:
"Vigets" sind in Ungarn Hausierer, weil sie sich nach dem Öffnen einer Tür immer mit "Wie gehts?" vorgestellt haben.
"Suche" (spanisch ausgesprochen "sutsche") ist eine Haushälterin, weil die deutschen Einwanderer in Südamerika ihre Inserate immer mit "Suche Haushälterin..." begonnen haben.
"kaputt" ist in Suaheli das Wort für "krank"
Der Busfahrer in Finnland ist auf "Kaffeepaussi"
Norman F. Cantor: In the wake of the plague
Ab 1348 rollt eine Epidemie über Europa, wie sie die hiesige Menschheit noch nicht erlebt hat. Am Ende dieser Pestwelle(n) sind etwa ein Drittel der Bewohner hinweg gerafft. Das hat natürlich immense Auswirkungen auf das täglich Leben: ganze Landstriche sind entvölkert, Bauernhöfe stehen leer, Flächen liegen brach und sind buchstäblich "herrenlos". Das Mittelalter ist damit im Wesentliche zu Ende, die Renaissance wird eingeläutet; das moderne Erbrecht wird entwickelt, das in seinen Grundzügen auch heute noch so gültig ist.
Passend dazu: Giovanni Boccaccios "Decamerone"; in der Einleitung der Rahmenhandlung schildert er genau diese Zustände.
Roland Girtler: Aschenlauge
Geschichte(n) von Knechten und Bauern im Pyhrngebiet. Sehr bedenklich ihre Schilderungen, vor allem wenn sie meinen, Krankenstand sei ein Segen, weil man dann endlich einmal ausruhen kann - noch dazu in einem richtigen Bett! Auch wenn in der Kammer so viele Mäuse herum rennen, dass bei den geöffneten Fenstern die Schlangen ins Zimmer kommen, um eben diese Mäuse zu fangen!
Soll mir bitte keiner mit der "guten alten Zeit" kommen!
John Krakauer:  Mord im Auftrag Gottes
Ein junger Mann tötet eine junge Frau, weil eine innere Stimme ihm das befohlen hat. Der Autor geht der Geschichte nach und um sie zu verstehen, muss er sich umfassend mit der Entstehung und der Lebensart der Kirche der Mormonen beschäftigen. In diesem Buch lässt er uns daran teilhaben, und so erfahren wir, wie diese Kirche entstanden ist, erfahren alles über ihren Gründer und seine Nachfolger, ihren Exodus von Ost nach West bis nach Utah, ihre ursprünglich gelebte Polygamie und ihr von den USA erzwungenes Ende; die Abspaltung des harten polygamischen Kerns nach Kanada und so weiter.
 Uta Ranke-Heinemann: Nein und Amen
Uta Ranke-Heinemann war eine der ersten Frauen, die in Deutschland die universitäre Lehrbefugnis bekam. Allerdings nicht für sehr lange; denn nachdem sie die Jungfräulichkeit Mariens in Frage gestellt hatte, war es mit dieser Lehrbefugnis schnell vorbei.
In diesem Buch schildert die Tochter des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten und Studienkollegin des ehemaligen Papstes Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger) ihren Werdegang und ihr derzeitiges Verhältnis zu Religion und Kirche. Trotz aller Niederlagen und Enttäuschungen hält diese kämpferische und beeindruckende Frau an ihrem Glauben fest; und der muss - nach allem, was passiert ist - schon ziemlich fest sein!

Roman Kellner: Von Eisbärsalat bis Knöchelverzeichnis
Dieses Buch sammelt sog. "Verhörer", das sind Mißverständnisse, die sich ergeben, wenn man einen Liedtext, die Liturgie oder ähnliches nicht richtig versteht und sich das Gehörte so zurecht biegt, dass es in der Welt des Hörenden wieder Platz hat.
Hört sich ungemein kompliziert und umständlich an. Ein paar Beispiele machen aber sofort klar, worum es geht:
"Franz von der Sissi" für "Franz von Assisi"
Buamwurst, Malakopftorte, Burschenschank
Müde bin ich, Gezuruh, schließe meine Äuglein zu
...und erlöse uns von den bösen Armen.
...und erlöse uns von dem bösen Armin.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Zünder der Welt.
Alles schläft, Owi lacht.
Papst Impotenz
Und die Sabine, die ich meine, die heißt Maja!

Und so weiter (ich möchte ja nicht alles verraten). Lachgarantie.


Hier endet die Ersterfassung der Liste. In Zukunft werden Bücher einigermaßen chronologisch oben in dieser Liste eingefügt.
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