Mittwoch, 23. Oktober 2019

"Die Edda" im Burgtheater

Gestern Abend war ich im Burgtheater bei der "Edda". Thorleifur Örn Arnarsson hat den alten Sagenstoff aus Island dramatisiert und auf die Bühne gebracht. Das Burgtheater hat diese Inszenierung aus Hannover übernommen. Außerdem wurde vor der Vorstellung eine kurze Einführung in das Werk und in das nun kommende Stück geboten. 

Ich muss zugeben, dass ich mit etwas gemischten Gefühlen dorthin gegangen bin, denn ich kenne den Stoff und hielt ihn eigentlich nicht für die Bühne geeignet. Aber so, wie es umgesetzt wurde, ergab es einen einen wirklich gelungenen Theaterabend!


Die Kinder Lokis und der Riesin Angrboda. Von links: Die Midgardschlange, der Fenriswolf und Hel - eine feine Familie, die da zusammen gekommen ist!
Foto: Burgtheater / Matthias Horn

Die Werkseinführung hielt eine ganz junge Germanistin (?), die ihre Sache ganz ausgezeichnet gemacht hat. Sie hat sich gleich zu Beginn dafür entschuldigt, dass sie ihren Text mehr oder weniger vorlesen wird. Sie hat sich selbst dazu gezwungen, um nicht zu lange und zu ausufernd zu sprechen. Denn die Edda gäbe sicherlich Stoff für mehrere Stunden. 

Sie hat vor allem darauf hingewiesen, dass es sich bei der Edda nicht um eine lineare Erzählung handelt, sondern dass viele Dinge nicht chronologisch präsentiert werden. Ein Beispiel: Thor vermisst seinen Hammer, den er aber - rein zeitlich betrachtet - noch gar nicht hat. Oder: Die Welt wird zyklisch verstanden; gleich bei Entstehung der Welt wird deren Untergang mit betrachtet; nach dem Untergang entsteht wieder eine neue. Außerdem werden in der Vorstellung nur einzelne Personen und Szenen behandelt, eine vollständige Dramatisierung würde Stunden oder Tage dauern. Man sollte daher auch bei der nun folgenden Vorstellung nicht von einem Drama im herkömmlichen Sinn ausgehen, sondern man sollte sich zurücklehnen und das Spektakel auf sich wirken lassen.

Vor allem den letzten Hinweis sollte man sich zu Herzen nehmen. Ich hab mich also tatsächlich zurückgelehnt und die Darstellung genossen. Präsentiert wurde da also nicht ein herkömmliches Theaterstück, sondern ein Spektakel, das mehr an eine Revue oder an André Heller erinnert: bunt, teilweise laut, ständig mit Musik untermalt, viel Bewegung. In die Inszenierung wurde ein "Erklär-Bär" eingebaut, der an manchen Stellen eben erklärt, was man da jetzt gerade zu sehen bekommt und wie die Zusammenhänge und Hintergründe aussehen. Es fällt mir daher schwer, irgendeine Inhaltsangabe zu bieten; die Edda selbst ist das Stück. Es hilft, wenn man ein gewisses Maß an Vorwissen über den Inhalt mitbringt, damit einem nicht alles fremd und eigenartig vorkommt.

Eine Szene gegen Schluss hat mich besonders beeindruckt. Im Foto oben sieht man nur einen kleinen Ausschnitt des Chaos, das auf der Bühne herrschte. Man muss sich das Bild vorstellen wie ein Kinderzimmer, in  dem mehrere Kinder einen ganzen Tag lang mit Puppen, Lego und Verkleidungen gespielt und hinterher noch eine Polsterschlacht veranstaltet haben. Aber plötzlich erscheinen während der Vorstellung Bühnenarbeiter und räumen die Bühne innerhalb einer Minute leer! Einfach alles. Einfach weg! Zurück bleibt nur Florian Teichtmeister als Loki. Er hat sich zuvor entschieden, weder mit den Göttern noch mit den Riesen zu gehen, sondern allein zu bleiben. Jetzt ist er allein. Vollkommen allein auf leerer Bühne.

Die Inszenierung hat mir vor der Pause etwas besser gefallen als danach. In der zweiten Hälfte hat der Autor eine private Begebenheit eingebaut, nämlich den Tod seines eigenen, schwer vom Alkohol gezeichneten, Vaters. Eine Idee, über die man diskutieren kann, jedenfalls war sie einfach zu lange ausgeführt, hier hätte man kürzen können und sollen.

Aber insgesamt ein sehenswerter Versuch, die Edda auf die Bühne zu stellen und diese alte Saga auch auf dem europäischen Festland etwas bekannter zu machen. Für das Ensemble sicherlich eine große Herausforderung, weil jeder und jede mehrere Rollen wahrnimmt und es einfach viel, viel Text ist, der da zu bewältigen ist. Sie haben diese schwierige Aufgabe super gemeistert.

Ob ich diese Inszenierung weiterempfehlen würde? Ja und nein. Ja, wenn man sich für die Edda insgesamt interessiert und wenn man sich auf das Spektakel einzulassen gewillt ist. Ansonsten wohl eher nicht.

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