Mittwoch, 31. Oktober 2018

Was vom Tage übrig blieb. Monatsrückblick Oktober 2018

Kaum zu glauben, das ist bereits der 12. Monatsrückblick! Somit schließt sich der Jahreskreis zum ersten Mal. Wenn ich einmal einen Schritt zurück gehe und die Ereignisse des Jahres so Revue passieren lasse, sehe ich: langweilig war's nie! Wir können davon ausgehen, dass es auch in Zukunft so bleiben wird, daher möchte ich diese Rubrik gerne weiterführen - zumindest nehme ich mir das ganz fest vor!

Was im Oktober so alles passierte:

  • Jamal Kaschoggi betritt ein saudisches Konsulat und kommt nicht mehr lebend heraus
  • FYROM nimmt eine wichtige Hürde zur Namensänderung auf "Nord-Mazedonien"
  • Gleich drei Volksbegehren in Österreich erfolgreich
  • Kirchenspaltung in der Orthodoxie
  • "Ehe für alle" jetzt auch in Österreich
  • In Polen muss ein lesbisches Paar als Eltern eines Kindes anerkannt werden
  • EuGH macht Zwangspensionierung von polnischen Richtern rückgängig
  • Landtagswahlen in Bayern und Hessen, Anfang des Endes der Ära Merkel
  • Blasphemie wird aus der irischen Verfassung genommen
  • Brasilien hat gewählt
  • Vor 100 Jahren: Der Erste Weltkrieg neigt sich seinem Ende zu
  • Einzelfall in Tirol
  • Die "Revolution Chemnitz" ist kurz vor einem großen Anschlag aufgeflogen
  • Goldpreis und Geburten in Indien
  • Der Staat Niederlande muss per Urteil mehr für den Klimaschutz tun
  • Stürme und Hochwasser in Italien und dem südlichen Österreich
  • Klimaänderung und Bierpreis
  • Vor hundert Jahren wütete die Spanische Grippe
  • Neuer Flughafen für Istanbul
  • Selfies können gefährlich sein
  • Genauso wie Fußball
  • Besoffene Vögel



Saudi-Arabien hat den Oktober dominiert
Quelle: pixabay




Politik


Das zentrale Thema dieses Monats war das Verschwinden (neutral formuliert) des saudi-arabischen Regimekritikers Jamal Kaschoggi. Er betrat das saudische Konsulat in Istanbul, um Formalitäten rund um seine Scheidung zu klären; seine Begleiterin wartete inzwischen draußen. Stundenlang. Bis sie Alarm schlug. Und was dann so nach und nach zum Vorschein kam, könnte aus einem finsteren Polit-Krimi stammen, nur leider ist die ganze grausliche Geschichte sehr sehr sehr wahrscheinlich doch genau so passiert. Ich erspare mir hier die Einzelheiten (offenbar wurde er sofort erwürgt und die Leiche zerteilt), die kann man alle in den Medien nachlesen (recht gute Zusammenfassung vom 25.10.). Anfangs, als die Türkei die ersten gruseligen Details ansprach, wollte ich ja an ein türkisches Märchen glauben. Aber als die Saudis zwei Wochen später den Tod des Antragstellers bestätigten ("auf tragische Weise bei einer Schlägerei im Konsulat zu Tode gekommen"), wurden auch die türkischen Quellen wieder glaubwürdiger. Immerhin haben die Türken ja indirekt zugegeben, dass sie das Konsulat heimlich per Video überwachen und daher genau wissen, was vorgefallen ist. Ich würde übrigens davon ausgehen, dass sie auch mit Vertretungen anderer Länder so verfahren. Also mit allen.

Der Postillon berichtet in diesem Zusammenhang, dass die Saudis nun die Welt nicht mehr verstehen.


Der Namensstreit um die Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien (FYROM) geht weiter. Da gab es in Mazedonien ein Referendum, das aber von großen Teilen der Bevölkerung ignoriert wurde und daher sein Quorum von 50% nicht erreichte. Es hatte aber ohnehin nur beratenden Charakter. Viel wichtiger war dann die Abstimmung im Parlament: da war eine Zweidrittelmehrheit notwendig, zu der der Regierung aber 10 Stimmen fehlten. Es ist aber geglückt: die Mehrheit kam zustande. Jetzt muss noch Griechenland zustimmen, wo es aber ähnliche Probleme geben dürfte. Der neue Name "Nord-Mazedonien" hat aber einmal eine ganz wichtige Hürde genommen!

Recht interessant finde ich diesen Hintergrundbericht der F.A.Z zur Vorgeschichte und politischen Situation in diesem Namensstreit. Daraus geht jedenfalls hervor, dass die Gegebenheiten auf beiden Seiten noch nie so günstig waren wie jetzt. Wenn es jetzt nicht gelingt, dann wahrscheinlich für lange Zeit nicht mehr. Zu viele Mächte (Kirche, Russland, politische Parteien) in Griechenland und der FYROM würden querschießen.


In Österreich wurden gleich drei Volksbegehren durchgeführt: eines, um das Rauchverbot in Gaststätten umzusetzen; eines, um Frauen in ihren Rechten zu stärken; und eines, um die Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Sender ORF abzuschaffen. Alle drei haben die notwendigen 100.000 Unterschriften klar übertroffen, sie müssen daher im Parlament behandelt werden. Dort werden sie ein Begräbnis erster Klasse bekommen und das war's dann wieder.


Es begann mit einer kleinen Meldung in Politico und dann dauerte es noch Tage, bis sie auch in den anderen Medien erschien. Was war passiert? Der orthodoxe Patriarch von Konstantinopel hat der Ukrainischen Orthodoxie ebenfalls einen eigenen Patriarchen zugestanden; sie ist damit künftig autokephal (= hat eigenes Haupt) und was noch viel, viel wichtiger ist: sie untersteht damit nicht mehr dem Patriarchen von Moskau! Der Patriarch von Konstantinopel kann das tun, weil sämtliche Patriarchen zwar gleichrangig sind, der von Konstantinopel aber doch noch einmal ein wenig mehr Gewicht hat: er ist "primus inter pares", also "Erster unter Gleichen".

Mit dieser Entscheidung ist die Ostkirche gleich zweimal gespalten: erstens gibt einen tiefen Riss zwischen den Kirchen von Moskau und Konstantinopel, denn Moskau betrachtet die Ukraine als ihren Hinterhof - sowohl politisch aber eben auch geistlich. Und daher kam diese Einmischung in ihre Angelegenheiten und Machtsphären gar nicht gut an. Und zweitens ist die Moskauer Kirche ein wichtiger Verbündeter Präsident Putins. Über die Kirche konnte er nicht nur in Russland schalten und walten, sondern eben auch in der Ukraine. Und genau diesen Arm an den Schaltern hat man ihm jetzt abgetrennt.

Ich halte daher diese Spaltung für ein ganz wichtiges Ereignis dieses Jahres (daher schreibe ich auch so viel dazu). Die Kirchen denken in Jahrhunderten und es wird daher eine Weile dauern, bis man die Auswirkungen sehen kann; aber merken wird man sie, da bin ich recht überzeugt davon! Denn der Einfluss der Ostkirche auf ihre Schäfchen ist um Welten größer als der des Papstes auf die seinen im Westen.

Einen sehr guten und ausführlichen Artikel dazu gibt es bei Foreign Affairs - leider hinter einer Bezahlschranke. Es gibt aber auch ein kostenloses Abo, bei dem man eine Handvoll Artikel pro Monat gratis lesen kann.


Die österreichische Regierung wurde Ende 2017 vom Verfassungsgerichtshof aufgefordert, bis Ende 2018 die "Ehe für alle" zu ermöglichen. Die hätte aber viel lieber die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau in die Verfassung aufgenommen, wozu sich aber im Parlament keine Mehrheit fand. Und so ist die "Ehe für alle" einfach dadurch möglich geworden, dass keinerlei Änderungen an den Gesetzen vorgenommen wurden. Nebenbei wurde auch die Verpartnerung für alle geöffnet, sodass jetzt beide Formen des Zusammenlebens für alle Paarkombinationen offen stehen. Schon einen Tag nach der Verlautbarung hat das erste lesbische Paar geheiratet!


In Polen ist man noch nicht soweit, aber immerhin gab es dort ein sensationelles Urteil des obersten Verwaltungsgerichts. Das hat nämlich entschieden, dass die Eintragung von zwei Frauen als Eltern eines Kindes möglich gemacht werden muss. Für die polnische Regierung ist das gleich eine doppelte Ohrfeige: einerseits das Urteil an sich, inhaltlich. Und zweitens hat sie sich so bemüht, im Eilverfahren Richter auszutauschen, damit solche Urteile eben genau nicht "passieren" - und dann das!


Apropos Eilverfahren und Polen und Richter und Ohrfeige. Die EU-Kommission hat erst vor kurzem beim Europäischen Gerichtshof ein solches Eilverfahren beantragt und um Prüfung der Zwangspensionierungen von Richtern in Polen gebeten. Der EuGH war wirklich flott und hat per einstweiliger Anordnung entschieden, dass diese Zwangspensionierungen nicht nur gestoppt, sondern auch schon erfolgte Pensionierungen wieder rückgängig gemacht werden müssen! Bis zu einer endgültigen Entscheidung dürfen nicht einmal Nachbesetzungen durchgeführt werden. Das war nicht nur ein kleiner Klaps, sondern schon eine gewaltige und schallende Ohrfeige. Die abgesetzte oberste Richterin hat übrigens ihre Arbeit bereits wieder aufgenommen.


In Bayern hat endlich die Landtagswahl stattgefunden; das Ergebnis hat weitgehend den Erwartungen entsprochen, sodass die CSU auf einen Koalitionspartner angewiesen ist. Verhandlungen mit der Partei der Freien Wähler haben bereits begonnen, personelle Konsequenzen nach dem Absturz der CSU gab es bisher nicht - erstaunlicherweise.

Das kann sich aber noch ändern, denn zwei Wochen später wurde in Hessen gewählt - mit ähnlich niederschmetterndem Ergebnis für CDU und SPD. Die Erschütterungen werden wohl bis Berlin zu spüren sein, denn für viele ehemalige CDU- und SPD-Wähler war es eine Denkzettelwahl Richtung Bundes-GroKo - die jetzt deutlich angeschlagen ist.

Eine erste Entscheidung gibt es bereits: Angela Merkel wird sich als Parteivorsitzende zurückziehen und daher am Parteitag im Dezember nicht mehr für dieses Amt kandidieren - nach 18 Jahren! Bundeskanzlerin möchte sie aber noch bleiben. Bis auf weiteres, würde ich hinzufügen.


In Irland wurde der amtierende Staatspräsident Michael Higgins in seinem Amt bestätigt. So weit so schön. Gleichzeitig wurde aber noch abgestimmt, ob die Blasphemie-Paragraphen aus der Verfassung genommen werden sollen; und da hat sich eine überwältigende Mehrheit dafür ausgesprochen. Irland scheint sich also schön langsam von der Kirche zu emanzipieren.


Auch Brasilien hat einen neuen Präsidenten, er heißt Jair Bolsonaro. Dass er es geworden ist, ist für mich als Außenstehenden kaum nachvollziehbar, denn er hat aus seiner rechtsextremen Gesinnung nie ein Hehl gemacht. Die ARD nennt ihn konsequent rechtsextrem und begründet das auch, indem sie sein gesamtes Sündenregister gegen Demokratie und Menschenrechte aufzählt. Ich kann mir seine Wahl nur so erklären, dass die Bevölkerung die zuvor regierenden Sozialisten (Lula da SilvaDilma Rousseff) derart satt hatte, dass sie einfach jede Alternative genommen hätte. Hoffen wir für das brasilianische Volk, dass es da wieder heil herauskommt!


Vor 100 Jahren ging der Erste Weltkrieg schön langsam zu Ende. Eine Folge dieses Krieges war, dass mehrere Großreiche zerfielen, darunter auch die Österreichische Doppelmonarchie. Es war schon abzusehen, dass das, was übrig blieb, auch keine Monarchie mehr sein würde. Am 30. Oktober bildete sich daher eine provisorische Nationalversammlung samt ebenso provisorischer Regierung. Kurioserweise bestand sie einige Tage parallel zur noch offiziellen, solange die Monarchie eben noch bestand. Bis zur Ausrufung der Ersten Republik sollte es noch etwa zwei Wochen dauern.


Einzelfälle


In Tirol wurde ein Ex-FPÖ-Bezirksobmann wegen Wiederbetätigung verurteilt.


Gesellschaft


Kurz vor dem deutschen Nationalfeiertag ist die rechte Terror-Gruppe "Revolution Chemnitz" (RC) aufgeflogen. Die Vorbereitungen für einen großen Anschlag waren schon weit gediehen, eben am Feiertag, am 3. Oktober, wollten sie zuschlagen. Mit dieser Gruppe dürfte wirklich was Großes aufgedeckt worden sein, vergleichbar ev. mit dem NSU, aber wesentlich umfangreicher. Den NSU bezeichneten sie selbst übrigens als "Kindergarten-Vorschulgruppe". Erklärtes Ziel der RC war das Lostreten eines Bürgerkriegs - nicht mehr und nicht weniger.


Es gibt viele schlimme Orte, in die ein Mädchen hineingeboren werden kann; Indien nimmt auf dieser Liste einen der vorderen Plätze ein. So kommt es, dass bei steigendem Goldpreis die Todesrate unter neugeborenen Mädchen ebenfalls steigt. Das klingt zunächst verblüffend, die Erklärung ist aber ebenso verblüffend einfach: Bei der Hochzeit hat die Braut jede Menge Gold in die Ehe mitzubringen. Eltern beginnen also schon früh zu sparen, sind aber bei hohem Goldpreis einfach überfordert. Und da wird in Indien dann eben nicht lange gezögert.


In den Niederlanden wurde ein Gerichtsurteil gefällt, das den Staat zu mehr Klimaschutz verpflichtet. Die Reduktion von Treibhausgasen um 25% auf Basis 1990 bis zum Jahr 2020 ist machbar, daher wurde der Staat aufgefordert, diese Maßnahmen auch in die Wege zu leiten und seine Bürger zu schützen. Ein historisches Urteil.


Chronik / Panorama


Ende des Monats braute sich über dem Mittelmeer eine gewaltige Wolkenmenge zusammen. Sie brachte über Italien sowie das südliche Österreich derart viel Regen und Stürme, dass man in Kärnten mit einem 100-Jahres-Hochwasser rechnen musste. In Italien gab es sogar mehrere Todesopfer, in Salzburg wurde die Festung abgedeckt und im Süden gab es Hochwasser und Muren. Nördlich der Alpen war es zwar stürmisch aber föhnbedingt sonnig, warm und trocken.

Um das Hochwasser etwas zu entschärfen, wurden in den Staubecken der Drau die Pegel gesenkt. Dabei kam ein Auto zum Vorschein, das vor 49 Jahren dort versenkt wurde.


Dass beim Klimaschutz dringender Handlungsbedarf gegeben ist, war den meisten vorher schon klar. Aber wie dringend er wirklich ist, verdeutlicht erst dieser Bericht: es steht die Gefahr im Raum, dass sich der Bierpreis verdoppeln könnte! Spätestens dieses Argument sollte den letzten Zweifler überzeugen!


Wieder einmal kein aktuelles Ereignis, sondern ein Jubiläum - wenn auch ein zweifelhaftes und trauriges. Vor genau hundert Jahren, Ende Oktober 1918, erreichte die Welle der "Spanischen Grippe" ihren Höhepunkt. Je mehr man über diese Pandemie erfährt, desto höher fallen die Schätzungen aus, wie viele Todesopfer sie weltweit gefordert hat. Die Bandbreite reicht von 50 Millionen bis 100 Millionen; wobei die 50 Millionen eine eher konservative und vorsichtige Untergrenze sein dürfte. Die Auswirkungen waren gravierend. Die Aliierten verloren in den letzten Tagen des ersten Weltkriegs mehr Soldaten durch diese Krankheit als durch Kampfhandlungen. Weltweit mussten hunderttausende Waisen versorgt werden. In Alaska, China und Indien wurden überhaupt ganze Dörfer ausgelöscht. Und so weiter. Ich habe vor ein paar Tagen ein sehr gutes Buch darüber fertig gelesen, eine eigene Rezension gibt es hier.


Istanbul bekommt einen neuen Flughafen. Ende Oktober wurde er offiziell eröffnet, läuft aber bis Ende des Jahres noch in einem Probebetrieb (ein echter Pilotbetrieb, sozusagen). Im Vollbetrieb wird er der größte Flughafen der Welt sein! Und das alles bei einer Bauzeit von etwas mehr als vier Jahren! Vielleicht sollten die Berliner einmal eine Exkursion nach Istanbul machen. Dass die Arbeitsbedingungen nicht besonders schön waren, sei hier noch erwähnt.


Auf dem Weg zur Verblödung


Angeblich steigt die Zahl der Selfie-Toten. Forscher schlagen Alarm und verlangen selfie-freie Zonen. Ernsthaft.



Wie: Echt jetzt? Kurioses, Skurriles


Im Fußball scheint die Regel zu gelten: je niedriger die Liga, umso brutaler. Letztens musste sogar die Nase eines Gegners dran glauben.


In Neuseeland wurde der Vogel des Jahres gewählt; spezielles Kennzeichen: stockbesoffen!

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