Donnerstag, 4. Oktober 2018

Jón Kalman Stefánsson: Der Schmerz der Engel ★★★★☆

Jón Kalman Stefánsson: Der Schmerz der Engel 


Cover: Piper


Der erste Teil der Trilogie ("Himmel und Hölle") schließt damit, dass "der Junge", dessen Namen wir nie erfahren, im Haus von Geirthrudur ankommt und dort aufgepeppelt wird. Er ist eigentlich nur deshalb hierher gekommen, weil in diesem Haus auch der alte Kapitän Kolbeinn wohnt, dem er das unheilbringende Buch zurückbringen will, dessentwegen sein Freund Bardur auf dem Fischerboot erfroren ist.

Hier schließt der zweite Teil - eben "Der Schmerz der Engel" - nahtlos an.





In den folgenden Wochen kommt der Junge wieder soweit zu Kräften, dass er Geirthrudur und ihrer Gehilfin Helga etwas zur Hand gehen kann. In diesem Haus erkennt man auch relativ schnell, dass dieser Junge etwas anders ist: er liest lieber, als dass er mit Fisch zu tun hat; er ist insgesamt etwas verträumt. Geirthrudur beschließt daher, dem Jungen Bildung zukommen zu lassen, anstatt ihn den Matrosen, Bootsführern und letztlich dem Meer zu überlassen. Alles ist schon vorbereitet, es kann gleich losgehen, als es plötzlich an der Tür klopft.

Draußen steht ein völlig steifer, von Eis verkrusteter, Schneemann - Jens, der Postbote. Seine Reise ist hier aber noch nicht zu Ende. Da der Ersatzbote krank ist, wird Jens vom Postmeister beauftragt, für diesen einzuspringen. Nach ein paar Tagen des Aufwärmens bricht er auf, allerdings wird er wegen des schlechten Wetters diesmal von dem Jungen begleitet. Dessen Bildung muss also erst einmal warten.

Diese Postreise durch Sturm, Schnee, Eis und isländische Berge bildet die Rahmenhandlung für die weitere Erzählung. Sie machen auf diversen Bauernhöfen und Pfarrhäusern Station und das gibt dem Autor Gelegenheit, die Zustände auf Island knapp vor 1900 zu beschreiben.

Da ist es keine Selbstverständlichkeit, dass man auf einem einsamen Bauernhof den Winter übersteht: wenn die Vorräte zu Ende sind, ist Schluss; der Schnee lässt keine weitere Landwirtschaft zu und der nächste Hof ist meilenweit entfernt. Manche leben noch in einer in die Erde gegrabene Grube, die von einem Dach überdeckt wird, das selbst wieder aus Erde und Gras besteht. Kein Wunder, dass sämtliche Bewohner vor Kälte und Feuchtigkeit husten. Wenn jemand im Winter stirbt, muss man erst einmal bis zum Frühling warten, erst dann ist ein Begräbnis möglich. Da kann es schon sein, dass die Räucherkammer der einzige Platz ist, an dem man die Toten "zwischenlagern" kann.

Unterwegs droht ihnen immer wieder, im Schneesturm die Orientierung zu verlieren. Aber Jens kennt das Gelände, sodass sie immer wieder einen rettenden Hof finden, bei dem sie eine Zeit lang unterkommen. Sie bewegen sich auch immer wieder am Rande der Steilküste und sie wären nicht die ersten, die da runter stürzen. Davor hat der Junge eigentlich am meisten Angst. Ganz zum Schluss des Buches rast der Junge auf einem Schlitten unfreiwillig den Hang hinunter; er kann nicht mehr steuern, er ist nur noch Passagier. Er glaubt schon, er ist die Klippe hinabgestürzt, da gibt es einen gewaltigen Rumms - und es ist dunkel.

Die Schilderungen der Lebensumstände sind sehr kraftvoll und lebendig geschrieben, auch der Humor kommt nicht zu kurz. Einen kleinen Abzug gibt es für die Rahmenhandlung, in der einiges immer wieder kehrt und dadurch etwas langatmig ausfällt. Trotzdem bleibt man dran, denn man will ja schließlich wissen, wie es ausgeht.

Und außerdem gibt es ja da noch den dritten Band. Der bekommt dann wieder fünf Sterne, soviel kann ich schon verraten!


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