Donnerstag, 18. Oktober 2018

Jón Kalman Stefánsson: Das Herz des Menschen ★★★★★

Jón Kalman Stefánsson: Das Herz des Menschen 


Cover: Piper

Der zweite Teil der Trilogie ("Der Schmerz der Engel") endet gar nicht gut. Der Junge, der den Postboten durch Schnee und Sturm begleitet, reitet unfreiwillig auf einem Schlitten den Berg hinunter. Steuern kann er bei dieser Fahrt nichts mehr, er ist dem Schlitten einfach ausgeliefert. Als er schon meint, den Klippenrand überfahren zu haben und schon mitten im Absturz zu sein, schlägt er irgendwo hart auf; sicherlich auf einem vorspringenden Felsen. Es ist dunkel.

Der dritte Band (dieses Buch) schließt unmittelbar hier an, genauso gut hätte auch das zweite Buch einfach fortgesetzt werden können. Wie man sich leicht vorstellen kann, war der Aufprall dann doch nicht auf einen Felsen, sonst würde die Geschichte des Jungen ja nicht weiter gehen.

In diesem Buch werden zahlreiche Fäden aus den vorigen beiden Bänden wieder aufgenommen. Jens und der Junge kehren ins Haus von Geirthrudur zurück und weitere Personen treten auf. In diesem unbenannten Ort Islands herrschen noch strenge Hierarchien und eine ebenso strenge Ordnung. Der alles beherrschende Reeder und Händler duldet nicht, dass Geirthrudur diese Ordnung auf den Kopf stellt und einfach so unverheiratet ein Wirtshaus führt. Als sie auf seine erste Aufforderung nicht so recht reagiert, setzt er durch, dass sie den Fisch, den sie auf ihren Schiffen bringt, nicht mehr - so wie alle anderen - im Ort trocknen darf. Um den wirtschaftlichen Ruin abzuwenden, bleibt ihr also nichts anderes übrig, als sich nach einem geeigneten Ehemann umzusehen.

Mehr darf ich jetzt schon nicht mehr verraten, ich muss mich sehr zurück halten. Vielleicht noch, dass ihre Suche auch einige andere Menschen zusammen bringt, sodass zum Schluss beinahe jeder Topf auch seinen Deckel findet.

Dieser dritte Teil hat mir um einiges besser gefallen als der zweite. Hier musste der Autor nicht mehr auf eine Wanderung durch Island als Rahmenhandlung zurück greifen, hier gibt es auch so mehr als genug zu erzählen. Besonders gelungen fand ich die Schilderungen der Machtverhältnisse im Dorf sowie die Gewalt, die überall und jederzeit ausbrechen kann - gerade auch (oder vor allem) gegen Frauen. Immer wieder wird die Frage gestellt, ob man Männerhänden irgendwie ansehen kann, ob sie gewalttätig werden können oder nicht. Des Öfteren kommt die Armut zur Sprache; aber auch die Hoffnung, dass es einmal besser werden könnte. Etwa in dem Brief, den seine Mutter dem Jungen schrieb, kurz bevor sie starb. Eine sehr berührende und gelungene Stelle im Buch. Viele Episoden sind wieder recht witzig formuliert, sodass auch der Humor nicht zu kurz kommt ("Er hat den Brief doch noch gelesen. Kurz überflogen. Siebenmal.").

Nun ist die Geschichte des Jungen also fertig erzählt. Schade. Ich hätte noch gerne weiter gelesen. Aber als Trost gibt es ja noch mehr Bücher von Jón Kalman Stefánsson. Für mich die Entdeckung 2018!


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