Samstag, 20. November 2021

David Diop: Nachts ist unser Blut schwarz ★★★★☆

David Diop: Nachts ist unser Blut schwarz  ★★★★☆


Cover: aufbau

Das Buch kommt mit einer gewaltigen Wucht daher – vor allem in den ersten paar Kapiteln. Die Betonung liegt auf Gewalt und Wucht. Da sind selbst "Im Westen nichts Neues" von Erich Maria Remarque oder "Menschen im Krieg" von Andreas Latzko (Details bitte in diesem Dokument "suchen") im Vergleich zu diesem Buch lediglich Kinderkram.

Der Autor David Diop beschreibt darin, wie ein sog. "Schokosoldat" während eines Gefechts im Ersten Weltkrieg neben seinem sterbenden Seelenbruder liegt. Er bringt es nicht übers Herz, ihn zu töten und so sein Leiden zu verkürzen. Als es am Abend endlich soweit ist, schleppt er den gefallenen Freund zurück in seinen Schützengraben und ist dort natürlich der große Held.

Aber er schwört auch, seinen Seelenbruder zu rächen. Und entwickelt sich dabei zu einem Monster.


Bei den nächsten Gefechten versucht er, möglichst nahe an den feindlichen Schützengraben zu kommen und stellt sich dort tot. Er wartet, bis nach dem Ende der Gefechte die deutschen Feinde (er ist in Europa eingesetzt) in deren Graben zurückkehren. Wenn da ein Einzelner dabei ist, fällt er ihn von hinten an, schleppt ihn ins Niemandsland und "behandelt" ihn so, wie sie es mit seinem Seelenbruder gemacht haben. Bei diesen Gelegenheiten lässt er aber "Gnade" walten und tötet seine Opfer recht rasch und lässt sie nicht lange leiden. Danach trennt er ihnen eine Hand ab, nimmt deren Gewehr an sich und kehrt mit Beidem zu seinem Schützengraben zurück.

Dort wird er als Held gefeiert und mit Orden ausgezeichnet. Aber nach der dritten Hand wird er ihnen unheimlich und sie beginnen, ihn als Monster zu sehen, und zu meiden. Nach der achten Hand ist es selbst seinem französischen Hauptmann zu viel und er sendet ihn für einen Monat auf Urlaub ins Hinterland.

Wir Leser erfahren, dass er dort in der Psychiatrie landet. Der Arzt lässt seine Patienten Zeichnungen anfertigen, um mehr über sie zu erfahren. Unserem Protagonisten ist klar, was der Arzt vorhat und zeichnet zunächst seinen Seelenbruder, dann seine Mutter und zuletzt seine erbeuteten Hände. Ihm ist deshalb aber auch klar, dass er die Hände, die er in die Klinik mitgebracht hat, verschwinden lassen muss. Er beerdigt sie in einer Vollmondnacht, wird dabei aber beobachtet.

Danach wird es im Buch etwas schwammig und kryptisch. Er steht offenbar wegen der Morde und der Kriegsverbrechen vor Gericht, wir erfahren aber nicht mehr, wie das Urteil lautet. Das Buch bricht hier ab.

Die ersten Kapitel sind nichts für schwache Nerven. In einfacher Sprache schildert der Autor Details, bis sich dem Leser der Magen umdreht. In dieser Phase musste ich das Buch auch gelegentlich weglegen.

Danach folgen einige Kapitel, in denen die Lebens- und Denkweise des Protagonisten geschildert wird. Und gerade die fand ich besonders interessant. 

Als "Schokosoldaten" wurden jene afrikanischen Soldaten von ihren französischen Kameraden bezeichnet, die von der Kolonialmacht Frankreich in deren afrikanischen Ländern ausgehoben wurden. Neben dem Gewehr und sonstigen Waffen bekamen sich auch Macheten. Diese Machete, ihre schwarze Hautfarbe und der besonders grimmige Blick, der ihnen anbefohlen wurde, sollte beim Feind an sich schon Furcht erregen.

Das Kapitel über seine Mutter fand ich besonders berührend. Darin wird geschildert, wie sie als junge Nomadin einem alten sesshaften Bauern als dessen Viertfrau übergeben wird. Sie hält das sesshafte Leben aber nicht lange aus und sehnt sich nach dem vorigen Nomadenleben zurück. Der alte Mann gibt sie tatsächlich frei und schickt sie mit einem Begleiter zu ihren Leuten zurück. Auf dieser Reise gehen die beiden aber verloren, sie kommen nie an ihrem Ziel an. Allgemein wird vermutet, dass sie von Mauren aus dem Norden entführt wurden und inzwischen dort als Sklaven leben.

Dann wird noch erzählt, wie die Bauern auf den Anbau von Erdnüssen umgestellt werden sollen (der Senegal ist einer der weltgrößten Produzenten dieser Frucht). Und, und, und.

Dieses und, und, und ist auch das Problem dieses Buches. Zu viele Aspekte packt der Autor meiner Meinung da rein; um all das ausführlicher zu erzählen, müsste das Buch gut doppelt oder dreimal so lang sein. Genau deshalb wollte ich ursprünglich auch nur drei Sterne vergeben. 

Das wäre diesem Roman aber auch nicht gerecht worden, denn über dem Durchschnitt ist es auf alle Fälle! Daher also doch vier Sterne. Der Autor hat damit immerhin schon zahlreiche Preise eingeheimst!

Ob ich das Buch empfehlen würde? Schwer zu sagen. Es ist jedenfalls nichts für Rosamunde Pilcher-Fans. Die Kapitel der inneren Selbstreflexion und die Erinnerungen an seine Kindheit im senegalesischen Dorf machen es aber doch so interessant, dass es absolut lesenswert ist.


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