Montag, 25. September 2017

Apulien - Teil 1

Die erste Septemberwoche verbrachten Jutta und ich in Apulien, dem "Stiefelabsatz" Italiens. Wir wissen, wie es in Andalusien um diese Jahreszeit aussieht, nämlich braun und verdorrt. In unserer Vorstellung war dieser Landstrich Apulien daher bis jetzt ebenso irgendwo zwischen Steppe und Wüste angesiedelt, noch dazu fest in der Hand von Mafiosi. Vor allem das mit der Steppe stimmt nicht, das mit der Wüste auch nicht und das mit der Mafia können wir nicht so recht beurteilen. Wirklich zu erkennen gab sich uns keiner; die Reiseleiterin meinte, es gebe sie zwar schon, aber nicht so ausgeprägt wie in Kalabrien.

Wir hatten unser Hotel in Alberobello, der Hauptstadt der Trulli.

Die typischen Kegeldächer der Trulli sind nur lose (ohne Mörtel) aufgeschichtet

Von dort machten wir täglich Ausflüge in die Umgebung; und so lernten wir neben Trani und Lecce auch noch Bari und Gallipoli und etliche Orte mehr kennen. Die Karte zeigt wie üblich, wo wir überall waren (Klick auf einen Pin öffnet weitere Details).




Ja, und jede Menge Fotos gibt es natürlich auch wieder!

Ich hab auch diesmal wieder das gesamte Foto-Album zur Ansicht freigegeben. Wer also mit den Bildern im Reisebericht nicht genug hat, der findet im Album noch einige mehr. Auch diesmal wieder der Hinweis auf die Gebrauchsanweisung des Bildbetrachters und dessen Möglichkeiten.

Ich möchte zunächst noch einmal auf die Landschaft zurück kommen.

Der Untergrund ist Kalkstein, der nur mit einer relativ dünnen Erdschicht überzogen ist. Steine gibt es hier wie Sand am Meer, daher wird auch viel mit Stein gebaut: eben die Trulli, aber auch Steinmauern zur Begrenzung der Felder. Die Steine wachsen seit Jahrhunderten aus dem Boden, und wenn man sie beseitigt, kommen wieder neue an die Oberfläche.

Dennoch ist der Gesamteindruck der Landschaft eben nicht Steppe oder Steinwüste, sondern erstaunlich "grün", selbst im Spätsommer. Es gibt jede Menge Olivenbäume, aber auch sehr viele unterschiedliche Obstbäume; vor allem Kirschen, Pfirsiche und Avocados. Ebenso weit verbreitet sind Artischocken und Wein.

Unbebaute Felder sind dicht mit Steinen belegt

Wein

Oliven

Steinmauern

Samstag, 2. September

Die Anreise zum Flughafen Brindisi war, gelinde gesagt, chaotisch. Wir hatten schon tags zuvor eingecheckt und dabei unsere Telefonnummern hinterlassen, hatten also bereits unsere Bordkarten und daher einen entspannten Nachmittag bis zu Fahrt zum Flughafen.
Bis um 16.00Uhr plötzlich die SMS eintraf, dass der Flug nach Brindisi abgesagt wäre! Wir dachten zunächst an einen üblen Scherz oder an einen Telefon-Hack. Aber als wir zur Kontrolle die Website des Wiener Flughafens öffneten und wir dort die Absage bestätigt fanden, war es plötzlich vorbei mit der Entspanntheit! 

Zahlreiche Telefonate mit TUI, einer Fahrt zum Flughafen und der Weiterleitung zum AUA-Schalter später hatten wir dann ein Ticket nach München in der Tasche. Dort angekommen bekamen wir beim Lufthansa-Schalter ein Hotel, Taxi- und Essens-Gutscheine sowie Tickets von München nach Brindisi - allerdings erst für Sonntag in aller Herrgottsfrüh. Kurz vor 10.00 Uhr kamen wir in unserem Hotel in Alberobello an und bekamen sogar noch ein Frühstück.

Unser Hotel

Das Zimmer war sehr klein, wir mussten jeden verfügbaren Platz nutzen.


Dabei hatten wir noch Glück! Vier weitere Teilnehmer sollten ebenfalls aus Wien anreisen, bekamen aber keinen Platz mehr für den Flug nach München. Die wurden sogar über Zürich und Stuttgart umgeleitet und kamen dann in Bari statt Brindisi an. Sonntag Nachmittag war die Gruppe dann wirklich komplett.

Sonntag, 3. September

Alberobello


Anna, unsere Reiseleiterin führte uns zwei dann durch einen Teil von Alberobello, bis wir uns mit zwei weiteren Damen aus Deutschland trafen, die den Vormittag auf eigene Faust durch den Ort streiften.
Danach setzten wir unsere Tour durch das "Lebende Museum" zu Fünft fort. 

Was die Trulli betrifft, ist Alberobello zweigeteilt. Auf der einen Seite die historischen Trulli, auf der anderen die jüngeren, die praktisch ausschließlich als Lokale und Souvenirläden für Touristen genutzt werden.

Im historischen Teil zeigt ein Verein vor und in etlichen Trulli, wie sich das einfache Leben der vergangenen Jahrhunderte dort abgespielt hat - daher der Ausdruck "Lebendes Museum".

Hier werden Orecchiette (Öhrchen) hergestellt, die typische Form von Pasta in Apulien

Öhrchen

Korbflechter bei der Arbeit

Steinmetz
Jeder Steinmetz hatte "seine" Form von Fialen


Holzschnitzer


Steuervermeidung ist keine Erfindung von apple, Google oder amazon, die gab es früher auch schon, und die Trulli waren ein Vehikel dafür. Als das Königreich Neapel zu den Spaniern gehörte, war der Statthalter der spanischen Krone in Neapel natürlich auch für die Steuereintreibung zuständig. Unter anderem gab es da eine Steuer auf feste Häuser. Um die zu vermeiden, veranlassten die lokalen Häuptlinge den verstärkten Bau von Trulli; denn deren kegelförmiges Dach ist aus flachen Kalksteinen nur lose (also ohne Mörtel) aufgeschichtet. Sobald eine Kontrolle aus Neapel angesagt war, musste die arme Landbevölkerung die Dächer abtragen oder einstürzen lassen, sodass man dem Statthalter glaubhaft versichern konnte, dass die Gebäude nicht fest gemauert waren. Sobald die Kontrolleure abgezogen waren, wurden die Dächer wieder aufgebaut und die Trulli erneut besiedelt.

Kein Mörtel zwischen den Steinen!

Trulli (in der Einzahl "Trullo") gab es aber auch schon davor. Sie wurden nicht nur als Wohnhaus, sondern auch als Stall, Getreidespeicher oder als Wachturm verwendet. In Alberobello und Umgebung gibt es besonders viele schöne Exemplare, daher sind sie heute UNESCO-Weltkulturerbe. 

Hier noch ein paar Fotos vom Innenleben der Trulli:

Aufgang zum Schlafzimmer im Obergeschoß

Herd

Als Heizung diente ein Kohlebecken (braciere) und sorgte für warme Füße

Der Webstuhl wurde von Haus zu Haus weitergereicht

Aussteuer-Truhe mit Bettwäsche

Grotte di Castellana


Nach der Führung durch das "Lebende Museum" und einem sehr gepflegten Mittagessen im "Trullo d'oro" fuhren wir zur Tropfsteinhöhle "Grotte di Castellana" ganz in der Nähe.

In der Höhle gibt es eine kürzere und eine längere Führung, wir entschieden uns für die kürzere. Auf eine Führung in deutsch hätten wir noch weitere 30 Minuten warten müssen, also nahmen wir an einer italienischen teil und Anna übersetzte für uns; hat tadellos geklappt.

Gleich der erste Raum war eine Doline, eine eingestürzte Karsthöhle

Der "Deckel" der ehemaligen Höhle liegt heute auf deren Boden

Typische Tropfsteinformen, hier ist mit ein wenig Fantasie ein Kamel zu erkennen


Nach der Führung ging es wieder zurück zum Hotel. Dort waren inzwischen die letzten vier Mitglieder der Gruppe (via Zürich und Stuttgart, s. o.) angekommen. Anna nahm sie mit auf eine Tour durch Alberobello. Wir wollten diese Tour nicht noch einmal machen und legten uns statt dessen ein wenig hin - die kurze Nacht holte uns jetzt ein.

Montag, 4. September

Trani


Trani nennt sich selbst "cittá slow" und huldigt der Langsamkeit und der Entschleunigung.

"Eine Stadt des guten Lebens"
Auf unserem Spaziergang durch die Stadt kommen wir zunächst an der Allerheiligenkirche vorbei. Sie soll von Templern errichtet worden sein, was aber angeblich nicht so recht gesichert ist.

Allerheiligenkirche

Zwischendurch muss aber auch einmal eine kleine Pause eingelegt werden, besonders nach einer längeren Busfahrt:

Es gibt sie noch, sie ist uns aber in der ganzen Woche nur einmal untergekommen

Dafür mit Weihnachtsdekoration

Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Trani sind aber die Kathedrale "Nikolaus der Pilger" (nicht zu verwechseln mit Nikolaus von Myra, der kommt dann in Bari) sowie die Festung.

Nikolaus der Pilger war ein "Narr um Christi Willen", der ständig "Kyrie eleison" rief. Als er auf seiner Pilgerschaft in Trani ankam, musste er deswegen Schläge ertragen, an denen er letztendlich starb - im zarten Alter von 16 Jahren. Die Kirche in Trani ist ihm geweiht und beherbergt selbstverständlich auch seine Gebeine.

In der Kirche ist das alte Tor ausgestellt. Es ist aus Holz und mit Bronzeplatten bedeckt. Um es vor weiteren Beschädigungen zu schützen, wurde es eben in das Innere der Kirche gebracht und durch eine originalgetreue Kopie ersetzt.

Die Kathedrale von außen

Das heutige Tor: eine Kopie...

... des originalen Tores, das in der Kirche ausgestellt ist.

Romanische Kirche

Reliquien. "Es ist der Glaube, der sie echt macht" (Umberto Eco in "Baudolino")
Festung
Der weitere Weg führte uns durch enge Gassen in das jüdische Viertel von Trani und danach auch schon wieder zurück zum Bus.



Jüdisches Viertel

Synagoge

Castell del Monte


Nächste Station war das Castell del Monte. Die Entstehungsgeschichte ist nur zu erahnen: es gibt einen Brief, in dem römisch-deutsche Kaiser Friedrich II. (Staufer) den Auftrag gibt, dieses Castell zu bauen. Der Zweck dieses Bauwerkes ist ebenfalls unklar: als Gefängnis scheidet er ebenso aus wie als Festung, denn es wurde nie richtig fertig gestellt. Eher ist es noch als Wohnung vorstellbar, denn es gibt zwei Geschosse, Wandverkleidungen und Kamine. Es ist auch als Kalender denkbar, denn die Anordnung der Fenster scheint auf den Sonnenstand ausgerichtet zu sein.

Der achteckige Bau ist von acht ebenso achteckigen Türmen umgeben. Es liegt auf einem Hügel und ist schon von Weitem zu sehen. Das Gebäude mit seinen markanten Umrissen war übrigens auch die Vorlage für die Bibliothek im Film "Der Name der Rose" nach dem gleichnamigen Roman von Umberto Eco.

Der Busfahrer hielt extra für einen Fotostopp an

Aufgang zum Castell

Eingang

Innenhof

Die Wände waren mit Marmor verkleidet; das Kondenswasser wurde in eigenen Rinnen abgeleitet

Marmorsäulen, darunter wieder die Rinnen für das Kondenswasser

Thron einmal so...

... und einmal so

Hier sind noch Reste eines Kamins erkennbar

Im Kastell waren gerade Installationen des Künstlers Nino Longobardi ausgestellt.
Hier erfahren wir, wie es unter dem Bett der Hempels wirklich aussieht.




Ende von Teil 1 des Reiseberichts. Hier geht's zu Teil 2!

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