Mittwoch, 15. Februar 2017

Swetlana Alexijewitsch: Der Krieg hat kein weibliches Gesicht ★★★★☆

Swetlana Alexijewitsch: Der Krieg hat kein weibliches Gesicht 

Cover: suhrkamp


"Zuhören und aufschreiben, bevor es zu spät ist". So könnte das gemeinsame Motto lauten, das man über alle Bücher von Swetlana Alexijewitsch stellt. So auch hier. Was aber bei diesem Buch speziell dazu kommt ist die weibliche Perspektive: Es kommen ausschließlich Frauen zu Wort. 

Sie haben sich großteils freiwillig gemeldet und zwar zu den unterschiedlichsten Diensten. Vom Klassiker Sanitätsdienst bis zur Fliegerei, manche haben sich als Scharfschützin oder Pionierin ausbilden lassen, sehr viele waren bei den Partisanen.

Was sie berichten, ist keine leichte Kost, selbst nur das Lesen ist emotional ziemlich anstrengend, vom eigenen Erleben reden wir da gleich gar nicht. Neben den zahlreichen Kriegsgräueln, von denen sie erzählen, waren für mich vor allem diese Aspekte neu und besonders interessant:
  • Wenn diese meist jungen Frauen von der Front nach Hause zurück kamen, hatten sie es schwer: sie galten als "Frontmädchen", die wer weiß was an  der Front gemacht hatten; und sie galten als zu männlich.
  • Die Bevölkerung, die in den von den Deutschen besetzten Gebieten gelebt hat, galt dem Staatsapparat nach dem Krieg als suspekt: Sie kamen mit Deutschen in Kontakt und haben von  ihnen vielleicht den einen oder anderen Brauch oder Idee übernommen.
  • Heimkehrende Frontsoldaten (und eben auch Soldatinnen) waren danach ebenfalls verdächtig, weil sie gesehen haben, wie reich man im Westen lebt. Ob das jetzt stimmte oder nicht: Wahrheit oder Logik zählten in der Stalin-Zeit da nicht.
  • Etliche Frauen berichten, dass sie durch den dauerhaften physischen und psychischen Stress "aufhörten, eine Frau zu sein": es setzte monatelang "...diese...na, du weißt schon, diese Frauensache eben..." aus. 

Die Collage-Technik der späteren Bücher ist hier noch nicht so ausgeprägt, aber doch schon erkennbar. Die Geschichten sind noch geschlossener als später, sie sind aber relativ kurz und nach Themen gruppiert.

Interessant sind auch die ersten Kapitel des Buches, in denen die Autorin von der Entstehungsgeschichte berichtet: von den ersten Ideen und Interviews etwa Mitte der 1980er-Jahre, damals inbegriffen noch der Kampf mit den Zensoren, bis zur freien Veröffentlichung nach der Wende 1990. 

Schön für uns jedenfalls, dass sie es geschafft hat! 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen