Dienstag, 16. Juni 2015

Rumänien 2015 - Teil 4

Die letzte größere Station unserer Rundreise ist Hermannstadt, das 2007 Europäische Kulturhauptstadt war. Aus diesem Anlass wurde die Stadt so richtig herausgeputzt und in ein richtiges Juwel verwandelt.

Auf unserer Fahrt nach Bukarest machten wir noch beim Kloster Cozia sowie in Curtea de Argeș halt. In Bukarest hatten wir dann noch einen ganzen Tag zu unserer Verfügung, bevor wir zum Flughafen aufbrachen.


Sonntag, 31. Mai

Dieser Tag gehörte nun endlich Hermannstadt (Sibiu); Radu führte uns durch seine Heimatstadt.
Wir marschierten vom Hotel weg, vorbei an der Orthodoxen Kirche und durch die Gassen zunächst einmal bis zur ehemaligen Festungsanlage.

Unser Hotel in Hermannstadt

Vor der orthodoxen Kirche (Pfingstsonntag)

Turm und Reste der Wehrmauer und Wehrgang

Der "Dicke Turm" (rechtes Ende des Gebäudes) wurde verlängert und ...

... zum Thaliatheater umgebaut

In Hermannstadt gibt es ein jährliches Theaterfestival. Der ehemalige Wehrgraben hat jetzt einen "walk of fame" und berühmte Theaterleute bekommen dort einen Stern (Peter Brook, Peter Stein, ...)


Danach ging es aber wirklich ins Zentrum der Stadt; und hier merkte man besonders die Anstrengungen, die wegen "Kulturhauptstadt 2007" unternommen wurden. Die zentralen Plätze Großer Ring, Kleiner Ring sowie der Platz um die Evangelische Kirche und die Fußgängerzone sind schon ein wirklich sehr sehenswertes Gesamtensemble!

Die lutheranische Kirche wurde zunächst als katholische erbaut, im Zuge der Reformation aber recht rasch umgewandelt, wobei die Verzierungen der Wände belassen wurden. Für eine protestantische Kirche ist das Innere also ziemlich reich geschmückt!  Die sieben Giebel der Kirche symbolisieren die sieben Städte Siebenbürgens, die vier kleinen Türmchen auf dem Turm verweisen wieder auf die Blutgerichtsbarkeit.
Gleich gegenüber der Kirche ist das Brukenthal-Gymnasium zu finden. Diese sächsische Schule stammt aus dem Jahr 1380, wurde 1921 nach Samuel Brukenthal benannt und hat heute noch deutsch als Unterrichtssprache. Radu ist übrigens Absolvent dieser Schule und der jetzige Präsident von Rumänien (Klaus Johannis) war sein Lehrer in Physik!

Die evangelische Kirche von außen mit fünf der sieben Giebel


Decke und Orgel der evangelischen Kirche

der Wandschmuck wurde belassen

die Kirche dürfte gut besucht sein, der Boden ist schon stark abgenutzt

Kirchenraum mit Hauptaltar

Seitenaltar
Ein Votivfenster erinnert an die Landler (s. weiter unten im Text)

Die tonangebenden Gebäude am Großen Ring sind das Brukenthal-Museum, das Rathaus sowie die katholische Kathedrale. Etwas weiter rechts davon gibt es noch den markanten Ratsturm.

Links das Brukenthal-Museum, in der Mitte das Rathaus, rechts die katholische Kathedrale

noch weiter rechts: der Ratsturm

Der Platz ist wirklich groß

Zu Beginn hatten die Habsburger ihre liebe Not mit den Hermannstädtern - und umgekehrt. Die Stadt wurde belagert und letztlich erobert. Von einem der Fenster im ersten Stock behielt der österreichische General den Großen Ring unter Kontrolle. Das Durchgangstor in diesem Haus wird von den Einheimischen daher "Generalloch" genannt.

Das Brukenthal-Museum ist im Palais Brukenthal untergebracht und nach Samuel Brukenthal benannt; einem Sachsen, der nach Wien ging und dort Eingang in den Hof Maria Theresias gefunden hat. Sie machte ihn zum Gouverneur von Siebenbürgen und damit zu ihrem Statthalter in diesem für die Habsburger relativ neuen Gebiet. Die Gemälde- und Buchsammlung, die sich Brukenthal in Wien angelegt hatte, nahm er mit nach Hermannstadt und bildet die Basis dieses Museums.

Apropos Maria Theresia und Siebenbürgen.
Ihr Vater und sie waren ja begeisterte Gegenreformatoren. Die aufmüpfigsten Protestanten, die sich partout nicht katholisch machen lassen wollten, deportierte sie kurzerhand nach Siebenbürgen: das war eh schon protestantisch, da passten sie gut dazu und störten nicht, weil weit abseits vom Schuss. Die erste und eine der größten Gruppen stammte aus dem Raum Eferding in Oberösterreich, genannt "Landl". Dieser Name wurde auch auf die neuen Siedler im Osten übertragen, die ab jetzt eben "Landler" hießen. Viele weitere sollten folgen (vor allem aus Kärnten und Oberösterreich); so viele, dass ihr Sohn und Nachfolger (Josef II.) seiner Mutter androhte, das Erbe nicht anzutreten, wenn sie diesen Unfug mit den Deportationen nicht abstellen sollte. Er erkannte, dass zu viele und vor allem gut ausgebildete Leute das Land verlassen mussten - von den persönlichen Schicksalen ganz abgesehen.

Im Gegensatz zu den Sachsen waren die Landler also nicht freiwillig ins Land gekommen. Im Vergleich zu ihnen bildeten sie nur eine sehr kleine Gruppe, die in wenigen Dörfern rund um Hermannstadt mehr neben als mit den Sachsen lebten; so haben sie sich ihre eigene Sprache und Bräuche bewahrt und sich mit den Sachsen kaum vermischt.
Aber wie die Sachsen verließen sie nach der Wende schlagartig das Land. Roland Girtler besuchte diese Dörfer kurz nach der Wende (1991) sowie noch einmal 2012/13. In Großpold (Apoldu de Sus) lebten 2013 nur noch 30 Landler von ehemals 1600. In der zweiten Auflage seines Buches "Die Landler in Rumänien" schreibt er daher lapidar: "Die in diesem Buch beschriebene Bauernkultur der Landler und Sachsen in Siebenbürgen existiert nicht mehr".


Nach diesem kleinen Einschub zurück zu Hermannstadt. Der Ratsturm trennt den Großen vom Kleinen Ring und ist heute Museum und Aussichtsturm.
Der Kleine Ring ist eben - wie der Name schon sagt - kleiner als der Große Ring, aber als architektonisches Ensemble steht er seinem größeren Bruder in nichts nach!

Kleiner Ring

Kleiner Ring

Die Lügenbrücke über der Salzgasse. Hier wird nicht gelogen, sondern der Name leitet sich von "liegen / über der Straße liegen" ab

Das Luxemburghaus, im Hintergrund der Ratsturm

Unterkumft für fahrende Zimmerleute - immer noch als solche in Betrieb!

Blick in einen Innenhof an der Fußgängerzone

Montag, 1. Juni

Nach dem Frühstück reisten wir Richtung Bukarest ab. Bevor wir dort ankamen, gab es aber noch zwei Zwischenstationen.

Zunächst einmal beim Kloster Cozia (Călimănești). Nach dem orthodoxen Kalender war das jetzt erst der Pfingstmontag, dementsprechend groß war der Trubel dort!

Klosterkirche

Das Kloster selbst ist rund um die Kirche gebaut

Wegen des großen Andrangs wurde die Messe im Freien gefeiert

Kerzen...

... und wundertätiges Wasser


Und den zweiten Halt hatten wir in Curtea de Argeș. Genau genommen waren es dort zwei Plätze, die wir besichtigten, die aber ganz nah nebeneinander liegen.

Um die Kathedrale gibt es eine sensationelle Legende von eingemauerten Frauen, künstlichen Flügeln, tragischen Abstürzen und klaren Quellen - da tun einem die Ohren vom Zuhören echt weh! Und es ist immer noch Pfingstmontag und der Rummel groß!

Kathedrale mit quadratischem Grundriss und verdrillten Türmen

Und wieder Kerzen

Orthodoxe Devotionalien...

mindestens so schlimm wie in Mariazell

gleich nebenan (!) wieder eine Großklotzkotz-Baustelle der Orthodoxie

Der Fürstenhof von Basarab I. ist heute großteils Ruine, es gibt aber noch eine intakte orthodoxe Kirche innerhalb des ummauerten Geländes. Basarab I. gilt als der Begründer und der erste Fürst der Walachei.

Denkmal für Basarab I.

Eingang zum Fürstenhof, bzw. was davon übrig blieb

Manche Gebäude dieses Hofes warten noch auf ihre Renovierung

Blick zur Kirche des Fürstenhofes

Die Kirche von außen...

... und innen

wieder sind kräftige Anker notwendig, um das Gebäude zusammenzuhalten


Jetzt aber wirklich ab nach Bukarest! Auf einer der wenigen Autobahnen ging es zügig weiter; sie ist relativ neu und wie die meisten Hauptverbindungen des Landes in sehr gutem Zustand; die meisten allerdings erst seit kurzer Zeit. Unsere große Befürchtung "schlechte Straßen", die uns von einer eigenen früheren Reise abhielt, stellte sich als nicht berechtigt heraus. Eine richtige Schlaglochtour erlebten wir nur in Mediaș. Zitat Radu: "Wer wissen möchte, wie die Straßen in Rumänien früher waren, muss nach Mediaș kommen!"

Ganz moderne Autobahn

Im Gegensatz dazu: Schlagloch-Parcour durch Mediaș

Solche (und noch verfallenere) Industrieruinen kommen einem öfter unter (hier in Copșa Mică). Dieser Ort gilt als einer der am schlimmsten verschmutzten Plätze in Europa!

In der Walachei wird noch Öl gefördert

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Zum Abendessen gab es endlich -das- rumänische Gericht: Krautrouladen mit Polenta

in einem sehr stimmungsvollen Lokal im Lipscani-Viertel


Dienstag, 2. Juni

Unser letzter Tag in Rumänien, noch dazu komplett frei zu unserer Verfügung, da unser Transfer zum Flughafen erst am späteren Nachmittag sein würde.

Wir beschlossen, das Freilichtmuseum "Muzeul Satului" (weitere Links auf  englisch und rumänisch bzw. die eigene Homepage) im Norden der Stadt zu besuchen. Im ganzen Land wurden alte Häuser, Kirchen und Scheunen ab- und hier wieder aufgebaut. Als Ergebnis gibt es einen sehr sehenswerten Park, in dem wir uns eine ganze Weile aufhielten.

Eingang zum Museum

Zur Abwechslung einmal eine ganz einfache orthodoxe Kirche aus Holz

Außenseite des Giebels des einfachen Tonnengewölbes

Haus, halb in der Erde eingegraben

Wohnraum eines Hauses aus dem Donaudelta

Mobile


Dieses Karussell musste von zwei Personen in Schwung versetzt werden

Bett neben Kachelofen

Unterschiedliche Häuser mit diversen Dachdeckungen

Eine Draisine (Spurkranz!)

Reisewagen mit geflochtener Überdachung

Und zum Schluss noch eine Reihe von sehr schönen Zimmermanns-Arbeiten:






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In Rumänien gibt es so viele Bären, dass pro Jahr 2% der Population geschossen werden dürfen (dabei wird die Quote fast nie erreicht). Bär wird in manchen Restaurants daher ganz normal und legal als Wildspezialität angeboten. Am letzten Tag war es für uns dann soweit!

Bär mit Pilzen (und Pommes). Sehr dunkles, fast schwarzes Fleisch; hat die Konsistenz und etwa den Geschmack von Rindfleisch.

Das war's. Der Rest war nur noch Transfer zum Flughafen und Flug nach München und Wien.

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Nach dieser Reise ist Rumänien für uns kein gänzlich unbekanntes Land mehr. Die Tour war gut geplant und organisiert, und Radu hat mit seinen oft sehr persönlichen Anmerkungen viel zum Verständnis von Land und Leuten beigetragen. Wir werden diese Reise jedenfalls in guter Erinnerung behalten, da bin ich ganz sicher!



Ende des Berichts

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