Mittwoch, 10. Juni 2015

Rumänien 2015 - Teil 1

Vom 23. Mai bis 2. Juni unternahmen Jutta, Fritz, Felix und ich mit einer Reisegruppe eine Rundreise durch Rumänien - zumindest Bukarest, die Moldauklöster und Siebenbürgen waren enthalten, den Rest dieses recht großen Landes haben wir dabei nicht kennen gelernt.

Die Karte zeigt, wo wir überall waren:



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Die Reisegruppe war diesmal etwas anders zusammen gesetzt als sonst: Felix war erstmals dabei, dafür war Gundi terminlich leider verhindert.

Wir vier vor der Draculaburg in Bran




Rumänien also.
Schon vor zwei Jahren hatten wir überlegt, mit dem eigenen Auto nach Rumänien zu fahren und eine Rundreise zu unternehmen - haben wir uns aber dann nicht getraut: die Straßen sind zu schlecht, wir reiten uns unser Auto dort zugrunde. Nächste Überlegung: nach Bukarest oder Hermannstadt fliegen und dann mit einem Leihwagen die Rundreise zu machen. In diesem Fall wäre uns der Schaden am Auto nicht so wichtig gewesen. Aber wieder waren es die schlechten Straßen, die uns davon abhielten. Was machen wir, wenn wir mitten auf der Strecke liegen bleiben? In einem Land, dessen Sprache und Gewohnheiten wir nicht kennen? Wie wir dann auf unserer tatsächlichen Reise mit dem Bus feststellen konnten, waren unsere Bedenken die Straßen betreffend gar nicht angebracht, aber davon später mehr.

Ein paar allgemeine Anmerkungen vorweg:
  • Ich werde bei Ortsangaben den "gängigen" Namen verwenden, in den meisten Fällen wird das also der deutsche Name sein (also Bukarest und nicht București). So wie wir ja auch üblicherweise Prag und nicht Praha sagen. Ich werde aber immer auch die rumänische Bezeichnung mit angeben.
  • Die Links werden meistens auf deutschsprachige Seiten verweisen - falls es solche gibt. In manchen Fällen ist aber nur eine englische oder rumänische Seite verfügbar.
  • Allgemeine Informationen zu Land und Leuten werde ich im Text einstreuen.
  • Die Reisebeschreibung ist chronologisch und nicht nach Themen oder Orten gegliedert.
  • Manche Fotos sind während der Fahrt aus dem Bus heraus aufgenommen - leicht erkennbar an diversen Reflexionen und Aufklebern auf der Scheibe.

Samstag, 23. Mai


Die Anreise war gleich einmal eine große Hürde, weil mitten in der Nacht der Wecker läutete. Wir bekamen keinen Direktflug Wien - Bukarest, sondern mussten über München fliegen. Aber sonst ging alles glatt. Am frühen Nachmittag waren wir bereits im Hotel Hilton in Bukarest und machten gleich einmal einen ersten Erkundungsgang. Am Abend trafen wir dann auch unseren Reiseleiter und die ganze Gruppe fuhr mit dem Bus einmal Abendessen - in eine ehemalige Karawanserei.

Hotel Hilton

Der Fuhrpark vor dem Hotel: Bentley, Lamborghini und Ferrari. Den Arme-Leute-7er-BMW dahinter hab ich weggelassen. Und dann fuhren wir mit unserem Bus vor...

Früher lagerten im Hof der Karawanserei die Pferde und im viereckigen Gebäude konnten die Fuhrwerker übernachten. Heute ist das ein Riesenlokal mit einem sehr schönen Ambiente!

Zurück zum Hotel gingen wir dann zu Fuß; der Weg führte uns durch das Lipscani-Viertel, in dem am Samstagabend richtig was los war!


Sonntag, 24. Mai

Mit unserem Reiseleiter Radu Coica machten wir uns auf den Weg zu Fuß vom Hotel Richtung Süden. Radu (*1980) ist Rumäne, ging aber in eine deutsche (sächsische) Schule in Hermannstadt, dementsprechend gut war sein Deutsch. Sein ehemaliger Lehrer in Physik (Klaus Johannis) ist seit kurzem Präsident der Republik, worauf er natürlich mächtig stolz ist - zu Recht, wie ich meine.

Denn möglicherweise schafft er es, was seine Vorgänger nicht geschafft haben, nämlich mit dem immer noch ziemlich korrupten politischen System aufzuräumen. Denn dass er etwas zuwege bringen kann, hat er als Bürgermeister von Hermannstadt bewiesen. Die Kämpfe des derzeitigen Ministerpräsidenten Victor Ponta mit dem Vorgängerpräsidenten Traian Băsescu sind legendär, ebenso sein Umgang mit Plagiatsvorwürfen zu seiner Dissertation: als die Vorwürfe ruchbar wurden, hat er kurzerhand das Gremium, das seine Doktorarbeit prüfen sollte, von 20 um 25 Mitglieder seines Vertrauens aufgestockt - und die Sache war erledigt. Băsescu hat Ponta einmal mit dem Satz charakterisiert: "Er lügt, solange er atmet". Er selbst war allerdings auch kein Waisenknabe (s. Link); ebenso wie seine Vorgänger und so weiter. Auf diese Art und Weise hat Rumänien sicherlich viele Jahre verloren, in denen eine Erneuerung möglich gewesen wäre.

Zurück zu unserer Tour. Nach dem Athenäum (gleich neben dem Hotel gelegen), ging es weiter zur sehenswerten Universitätsbibliothek sowie zum Revolutionsplatz.

Athenäum

Universitätsbibliothek, gestiftet von König Carol I.

Nächste Station: Revolutionsplatz. Hier haben sich am 21. und 22. Dezember 1989 jene dramatischen Szenen abgespielt, die letztlich zur Wende geführt haben.

Der ehemalige Königliche Palast ist heute Nationalmuseum

Fotos am Zaun des Nationalmuseums erinnern an die dramatischen Tage des Dezembers 1989: Straßenkämpfe zwischen Armee und Securitate und als Folge davon etliche Brände; zurück blieben zahlreiche Tote.

Gleich gegenüber erinnert das dornenförmige Denkmal an diese Kämpfe und Toten. Dahinter liegt das ehemalige ZK-Gebäude, in dem heute das Innenministerium untergebracht ist.

Radu hat diese Tage als Zehnjähriger in Hermannstadt miterlebt.
Nicolae Ceaușescu hat am 21. Dezember 1989 vom Balkon des ZK-Gebäudes eine Rede vor tausenden versammelten Getreuen gehalten. Nach einleitenden Begrüßungsformeln und begeisterten Bravorufen seiner Anhänger kommen aber völlig überraschend Pfiffe und Buhrufe aus dem Publikum. Darauf war Ceaușescu nicht vorbereitet. Er gerät völlig in Panik und versucht drei Minuten lang mit "Ha-llo"-Rufen die Menge zu beruhigen. Seine Frau Elena und Securitate-Leute reden auf ihn ein, seine Ansprache fortzusetzen. An dieser Stelle bricht das Fernsehen die Übertragung einfach ab, es wurde aber weiter gefilmt. Nach eben diesen drei Minuten beruhigt sich die Menge wieder und er kann weiter machen. Aus dem Stegreif verspricht er der Menge spontan Lohn- und Kindergelderhöhungen, die am 1. Jänner wirksam werden sollten.

Wir, die Reisegruppe, waren alle mit Kopfhörern ausgestattet und Radu hat diese Rede via YouTube in diese Audioanlage eingespielt und hat sie für uns kommentiert. Dadurch wurde dieser historische Tag für uns unmittelbar und sehr eindrucksvoll erlebbar!

Die Rede ist, wie gesagt, in YouTube abrufbar. Dieser Link steigt in die Rede ein, kurz bevor Ceaușescu völlig von der Rolle gerät.

Radu (ganz links) und einige Mitglieder der Reisegruppe vor dem ZK-Gebäude. Vom Balkon im Hintergrund hat Nicolae Ceaușescu am 21. Dezember seine letzte Rede gehalten. Wenn man genau schaut, ist auf Radus Smartphone Ceaușescu zu sehen.
Der weitere Verlauf der Revolution ist in dem sehr ausführlichen Artikel in der Wikipedia nachzulesen.

Wie schlimm die Zustände unmittelbar nach der Revolution waren, geht aus einer Email hervor, die mir meine Schwägerin geschickt hat. Sie war im Sommer 1990 auf Durchreise durch Rumänien in Richtung Türkei:
[...] Erschreckt hat mich vor allem: die Armut überall! In Bukarest hat mir eine Frau ihren schmutzigen Säugling ins Autofenster hineingereicht: ich sollte ihn mitnehmen, sonst würde er bald verhungert sein....
Mitten in der Hauptstadt standen die Menschen Schlange um die Hydranten, von denen sie Wasser geholt haben.

1971 besucht Ceaușescu China und Nordkorea; vor allem dort lernt er den aberwitzigen Personenkult um Kim Il-sung kennen, der ihn mächtig beeindruckt und den er dann in Rumänien für sich aufbaut. Größter Ausdruck dieses Größenwahns ist der "Palast des Volkes", dessen Bauende er nicht mehr erlebt hat, und der heute unter anderem das Parlament beherbergt. Die oberen Stockwerke sind nicht fertig ausgebaut, sondern bekamen nur Fenster, damit er wenigstens von außen fertig aussieht.

Der Palast des Volkes plus riesigem Platz davor für eine jubelnde Menge. Das Gebäude ist nach dem Pentagon das zweitgrößte der Welt.

Ein weiteres Monstergebäude aus dieser Zeit auf dem Heldenplatz mit Heldendenkmal. Das Relief stellt die glorreiche Geschichte von den Römern und Dakern bis zum Sozialismus dar.

Und so wird die Reliefwand heute genutzt

Gleich hinter dem Palast des Volkes gibt es eine weitere Großbaustelle: hier errichtet die Orthodoxe Kirche eine gigantische Kathedrale, die Ceaușescus Palast in nichts nachsteht. Projektkosten: EUR 500.000.000,- (in Worten: fünfhundert Millionen Euro)! Man gönnt sich ja sonst nichts! An dieser Baustelle sind wir nur mit dem Bus vorbei gefahren, ich hab daher leider kein eigenes Foto davon.

Baustelle der Erlöserkirche Jänner 2015 [Quelle: Wikimedia]


Weitere Stationen unserer Tour:

Die Crețulescu-Kirche ist ein typischer orthodoxer Kirchenbau, allerdings mit zwei Türmen

Das ehemalige Securitate-Gebäude blieb nach der Revolution nur als Ruine auf den Revolutionsplatz stehen. Das jetzige Haus der Architekten-Union ist in diese Ruine hinein- und darübergebaut.


Der Cantacuzino-Palast beherbergt jetzt ein Museum, das dem Komponisten George Enescu gewidmet ist

Hier im Nobelviertel im Norden der Stadt stand früher das Haus Ceaușescus. Heute gehört das Grundstück der Kuwaitischen Botschaft.

Es soll hier nicht der Eindruck vermittelt werden, als gäbe es nur hübsche Gebäude in Rumänien. Gerade in den Großstädten gibt es wirklich hässliche Plattenbauten, die kurz vor dem Zusammenbrechen sind - ein weiteres Erbe aus der Ceaușescu-Zeit. Wie in vielen sozialistischen Ländern setzte auch er vor allem auf die Schwerindustrie; damit verbunden sind aber auch Landflucht und Verstädterung, und irgendwo mussten die Menschen ja wohnen. Außerdem betrieb er in den letzten zehn Jahren seiner Diktatur ein umfangreiches Dorfzerstörungs-Programm, dem etwa die Hälfte der ehemals 8000 Dörfer zum Opfer fielen. Gerade dieses Programm hat naturgemäß viel Unmut unter der Bevölkerung hervorgerufen und trug wesentlich zur revolutionären Grundstimmung bei!

Mitten in Bukarest: ein Bild der Kontraste.

Beispiele aus Bukarest.

Solche Plattenbauten (in diesem Zustand) gibt es aber in allen größeren Orten.

Nach einer weitern Nacht im Hilton ging es dann am Montag früh mit dem Bus Richtung Kronstadt (Brașov).

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Hier geht's zu Teil 2 des Reiseberichts.

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