Mittwoch, 28. Dezember 2022

Robert Menasse: Die Hauptstadt ★★★★☆

Robert Menasse: Die Hauptstadt  ★★★★☆


Cover: SUHRKAMP

Robert Menasse bewies eine gewisse Portion Mut mit seiner Themenwahl. Denn die Europäische Union im allgemeinen und die Kommission im besonderen in den Mittelpunkt eines Romans zu stellen, kommt nicht alle Tage vor und das Thema löst wahrscheinlich bei vielen potentiellen Lesern lediglich ein tiefes Schlafbedürfnis aus.

Aber wer, wenn nicht er? Robert Menasse ist als glühender EU-Fan bekannt; noch dazu als einer, der die EU und ihre Institutionen gerne weiter entwickeln würde. Genau das kommt in seinem Buch immer wieder zur Sprache, besonders deutlich in der Person eines Wiener Professors, der ein Referat in einem EU-Think Tank hält.

Im Zentrum steht aber die Kommission, die mit einem Aufsehen erregenden Projekt ihr Image aufpolieren möchte. Welche Kräfte, Intrigen und persönliche Animositäten da bei der Planung im Spiel sind und welch ein Gezerre der einzelnen Abteilungen untereinander da stattfindet, ist schon sehr gut dargestellt! Da stecken viel Recherche und Wissen dahinter, das sieht man praktisch jedem Satz an!


Montag, 12. Dezember 2022

Dulce Maria Cardoso: Die Rückkehr ★★★★☆

Dulce Maria Cardoso: Die Rückkehr  ★★★★☆

Kein Cover verfügbar


Seit 1961 rumorte es in den afrikanischen Kolonien Portugals. Die Aufständischen konnten immer mehr Land zurückerobern. Die Kolonialmacht antwortete mit erbittertem Krieg, der sowohl menschlich als auch materiell unglaubliche Opfer forderte. In den letzten Jahren waren 80% der portugiesischen Soldaten in Afrika stationiert und der Krieg verschlang unbeschreibliche 60% des Wirtschaftsaufkommens. Zum Vergleich: Deutschland bemüht sich seit Jahren, die Verteidigungsausgaben auf 2% zu heben. Von Österreich reden wir an dieser Stelle lieber gar nicht.

60% sind für jedes Land Irrsinn. Aber für das verarmte und rückständige Portugal umso mehr. Diese Armut kam hauptsächlich daher, dass die Salazar- (und später Caetano-) -Diktatur ihre Bewohner bewusst von Bildung fern hielt und damit jeglichen Fortschritt und Innovation unmöglich machte. Gewünscht waren ungebildete, willfährige Untertanen. Falls das mit dem "willfährig" nicht so klappen sollte, gab es wie in jeder Diktatur noch Gefängnis und Folter. Einschränkung der Pressefreiheit war ebenfalls hilfreich.

Es war aber letztlich das Militär selbst, das 1974 diese Diktatur stürzte. Die menschliche und finanzielle Last war eben unerträglich und der Krieg in Afrika trotzdem nicht zu gewinnen.

In der Nacht des 25. April 1974 ertönte im Radio das Lied, das als Startsignal für die Revolution vereinbart war. Militär und Volk standen gleichermaßen dahinter, sodass dieser Umsturz praktisch unblutig (mit ganz wenigen Ausnahmen) über die Bühne ging. Er sollte später als Nelkenrevolution in die Geschichtsbücher eingehen.


Wir waren im Juni 2014 in Lissabon.
40 Jahre nach der Nelkenrevolution war die Stadt voll mit Wandmalereien ...

... und Plakaten, die an sie erinnerten.
Mehr dazu in meinem Reisebericht von damals.


Die Übergangsregierung begann sofort, das zentrale Versprechen umzusetzen: Einstellung des Krieges in Afrika und Entlassung von Mosambik und Angola in die Unabhängigkeit.

Für die portugiesischen Kolonialisten war das das Signal, in das "Mutterland" zurückzukehren – und das taten sie auch. Und so setzten sich innerhalb weniger Monate 500.000 Menschen in Bewegung, um auf ein völlig verarmtes Portugal mit 11 Millionen Einwohnern zu treffen.

Dulce Maria Cardoso (*1964), die Autorin dieses Buches, war selbst eine dieser Rückkehrerinnen. Ihre Eindrücke von damals hat sie hier verarbeitet; Eindrücke, die sie sowohl von Angola als auch nach ihrer Ankunft in Portugal mitgenommen hat.

Das ist ihr ganz ausgezeichnet gelungen! Ein sehr bewegendes und aufwühlendes Stück Zeitgeschichte, das da heraus gekommen ist!


Sonntag, 4. Dezember 2022

"Das weite Land" im Akademietheater

Ende November besuchten wir das Akademietheater, gegeben wurde "Das weite Land" von Arthur Schnitzler. Wir hatten das Stück vor Jahren schon einmal in einer anderen Inszenierung gesehen. Ich halte es für sein gelungenstes, daher kann man es sich im Abstand von ein paar Jahren schon wieder einmal anschauen.

Es war gar nicht einfach, Karten für diese Vorstellung zu bekommen, weil der Spielplan immer nur zwei Monate im Voraus veröffentlich wird; und die wenigen Vorstellungen, die es davon gibt, immer recht gut gebucht waren.

Aber letztlich haben wir es ja doch geschafft – und das Warten wurde belohnt! Wir hatten einen sehr interessanten, dichten, intensiven Theaterabend!


Das Ehepaar Hofreiter hat sich auseinander gelebt
Foto: Burgtheater / Andreas Pohlmann

Donnerstag, 1. Dezember 2022

"Die Blendung" im Stadttheater Baden

Für den Roman "Die Blendung" bekam Autor Elias Canetti 1981 den Nobelpreis.

Paulus Hochgatterer ist im Hauptberuf Kinder- und Jugendpsychiater, im Nebenberuf aber auch Autor und hat als solcher schon etliche Romane veröffentlicht; einige davon hab ich auch gelesen. Er ist derjenige, der aus Canettis Roman ein Theaterstück formte.

Und Nikolaus Habjan ist ein toller Regisseur und Puppenspieler. Seine Inszenierung des "Don Quijote", bei der sämtliche Figuren lebensgroße Puppen waren, bleibt uns sicher noch lange in guter Erinnerung.

Beste Voraussetzungen also für einen gelungenen und aufregenden Theaterabend. Wir sahen das Stück im Stadttheater Baden als Gastspiel des Landestheaters St. Pölten.


Landestheater Niederösterreich / Luiza Pulu