Dienstag, 8. Januar 2019

Walter Ötsch, Nina Horaczek: Populismus für Anfänger ★★★★☆

Walter Ötsch, Nina Horaczek: Populismus für Anfänger 


Cover: Westend Verlag


Seit etlichen Jahren sind in vielen Ländern der EU Populisten auf Stimmenfang; von Frankreich und Italien über Deutschland, die Niederlande, Polen und Ungarn, sogar Schweden und Finnland und last but not least Österreich. Zunächst waren sie eher Randerscheinungen, aber in den letzten Jahren kommen immer mehr von ihnen auch in die Regierung. Sie sind also sehr erfolgreich unterwegs. Aber damit nicht genug. Auch die beiden ehemaligen Supermächte USA und Russland sind inzwischen fest in der Hand von Populisten.

Was macht sie so erfolgreich? Sicher, da sind einmal die einfachen Antworten auf komplizierte Fragen; die kann man aber meistens leicht als ebensolche entlarven. Dennoch dieser Erfolg. Es muss da also doch noch mehr geben. Ja stimmt, und das Autorenpaar Walter Ötsch und Nina Horaczek arbeitet dieses "Mehr" in diesem Buch sehr schön heraus.

In Anbetracht der bevorstehenden Wahl zum EU-Parlament im Mai wollte ich dieses Buch noch rechtzeitig gelesen haben.




Ich möchte aber zunächst den Begriff wechseln. "Populist" klingt mir zu sehr nach Volksnähe (lat. populus = Volk), was ja an sich nichts Negatives ist. Die in diesem Buch beschriebenen Methoden, Handlungsmuster und vor allem Personen zielen eher auf Volksverführung ab; daher ist mir in diesem Zusammenhang der Begriff "Demagoge" (griech. demos und agein = Volk (ver)führen) lieber.

Das Wichtigste, was ein Demagoge zu tun hat - und das zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch - ist, die Welt in "wir" und "die anderen" zu unterteilen. Wobei WIR selbstverständlich die Guten und die anderen die BÖSEN, die FEINDE sind. Wer zum WIR gehört, bestimmt ausschließlich der Führer oder der Guru der Partei. Die Zugehörigkeit zum WIR kann auch urplötzlich enden und man findet sich fortan bei den FEINDEN. Die Schreibung in Blockbuchstaben von WIR und den FEINDEN ist im Buch übrigens konsequent durchgehalten!

Der Führer kann alles behaupten und alles abstreiten, Schuld haben immer die FEINDE, egal worum es sich handelt. Der Führer diffamiert die FEINDE und veröffentlicht schon mal deren private Wohnadressen und Telefonnummern (Trump), er macht sie verächtlich, spottet über das Aussehen (Trump), macht sich über Namen (Haider über "Adamovich" und "Ariel") und Herkunft lustig und ist tendenziell frauenfeindlich (Trump). Der Führer repräsentiert "das Volk", so, als wäre "das Volk" ein homogener Körper, bestehend aus gleichartigen Individuen. "WIR sind das Volk" ist daher auch ein Spruch, dem man immer wieder begegnet. WIR hatten eine großartige Vergangenheit, die FEINDE haben das Land und das Volk gegen die Wand gefahren, WIR werden es wieder zu alter Größe führen. Demagogen beschwören also die gute alte Zeit, zu Fragen der Zukunft fällt ihnen nicht so viel ein.

Und so weiter. Die Autoren nennen diese Verhaltensweisen "Muster" und zählen diese auch durch - bis 70 kommen sie. Fallweise sind diese Muster einander sehr ähnlich und überhaupt hatte ich oft das Gefühl, die eine oder andere Passage schon einmal gelesen zu haben.

Aus diesen Mustern klärt sich dann schön langsam die Anfangsfrage "Warum sind sie so erfolgreich?". In der Politik geht es um Emotion, um WIR-Gefühle, um Heimat, um Zusammengehörigkeit, um Sicherheit. Wenn einfache Slogans vom WIR und den FEINDEN immer und immer wieder getrommelt werden, bleiben sie irgendwann auch hängen - und wer will nicht zum Volk, zum WIR, gehören? Eben.

Irgendwann hat man als Leser dann genug davon und fragt sich, ob und wie man Demagogen erfolgreich entgegentreten kann. Im letzten Kapitel wird man dann erlöst, denn es gibt durchaus Wege. Immer wieder kommen die beiden Autoren auf den Bundespräsidentenwahlkampf 2016 in Österreich zu sprechen und nennen das Verhalten von Alexander van der Bellen gegenüber Norbert Hofer letztlich als ausschlaggebend für den Erfolg von van der Bellen. Er hat meist ruhig und gefasst agiert und wenn es demagogisch wurde, hat er genau dieses demagogische Verhalten zum Gespräch gemacht.

Das ist letztlich auch das wichtigste Rezept im Umgang mit Demagogen, das die Autoren vorschlagen.

Das Buch befasst sich ausschließlich mit rechten Demagogen. Nirgends - jedenfalls ist mir keine Stelle in Erinnerung - wird erwähnt, dass es diese Demagogen selbstverständlich auch im linken Spektrum gibt (vor allem Mittel- und Südamerika). Das halte ich für eine Schwäche des Buches, denn es eröffnet Angriffsflanken, die absolut unnötig und vermeidbar sind.

Abgesehen von den Längen und Wiederholungen also ein sehr aufschlussreiches Buch. Auch wenn man instinktiv schon gewusst oder geahnt hat, wie Demagogen agieren, ist es gut, diese Muster zusammengefasst zu sehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen