Freitag, 21. April 2017

Eine Woche in Breslau und Krakau - Teil 3

In Teil 3 berichte ich von unserem Aufenthalt in Tschenstochau und vom ersten Tag in Krakau.

Das Kloster Jasna Gora mit seiner Schwarzem Madonna ist die Wallfahrtsstätte Polens. Und Krakau als alte Königsstadt Polens war unsere zweite Station mit Hotelaufenthalt.

Wawel


Mittwoch, 5. April

Tag der Abreise aus Breslau und Übersiedlung nach Krakau. Unterwegs machten wir Stopp in Tschenstochau (polnisch Częstochowa), genauer gesagt beim Kloster Jasna Gora. In einer der Kapellen dieses Klosters befindet sich die Schwarze Madonna, die für alle Polen die Wallfahrtsstätte schlechthin ist. Papst Johannes Paul II. hat sie mehrmals besucht. Calen, unser Stadtführer in Krakau (dazu später mehr), erklärte mir, "jeder Pole muss da mindestens einmal gewesen sein"!

Die erste Aprilwoche ist für Tschenstochau natürlich noch Vorsaison; Viele Souvenirläden waren noch geschlossen. Dennoch war der Besucherandrang schon enorm, und das mitten in einer ganz normalen Arbeitswoche. Besonders auffallend war für uns, dass so viele junge Leute anwesend waren. Unserer Schätzung nach waren bestimmt 80% der Besucher so um die 20 Jahre alt. Die katholische Kirche kann also in Polen nicht über Nachwuchs klagen - ganz anders als bei uns!


Vorsaison, viele Souvenirläden waren noch geschlossen

Eingangsbereich

Eingangstor

Großer Platz vor den Kapellen im Innenhof des Klosters

Mittelschiff der Hauptkirche

Kapelle mit der Schwarzen Madonna

Die Schwarze Madonna war gerade auf Mittagspause, da ist die Ikone zugedeckelt

Die Madonna hat schon oft ihre wundertätige Wirkung gezeigt. Zum Beweis: Krücken und Prothesen, die danach nicht mehr benötigt werden!

Beim zweiten Versuch hatten wir dann mehr Glück. Die Schwarze Madonna.

Die Wallfahrer rutschen auf den Knien um das Bildnis herum

An der Rückseite des Klosters ist eine riesige Bühne für große Freiluftmessen aufgebaut. Die Wiese darunter ist für die Messbesucher.

Weiteres Eingangstor zum Kloster neben der oben erwähnten Wiese

Denkmal für Kardinal und Primas von Polen Stefan Wyszyński.
Er war im polnischen Widerstand tätig und gab der polnischen Bevölkerung Halt und Identität.

Am Nachmittag fuhren wir dann weiter nach Krakau (polnisch Kraków), wo wir unseren zweiten Hotelstützpunkt hatten.

Das Hotel war in einem alten Wohnhaus untergebracht. Es waren eigentlich nicht Hotelzimmer im engeren Sinn, sondern Appartements mit Kochplatz (den wir aber nicht nützten). Frühstück gab es dann in einem kleinen Lokal ("Scandale Royal"), das im gleichen Haus untergebracht war.

Rechts der Eingang zum Hotel, im Lokal links davon gab es Frühstück

Wermutstropfen dabei: kein Lift, aber Zimmer im 4. Stock (das von Felix war sogar im 5.). Wir werden alt. Dafür hatten Bad und WC diesmal richtige Türen, die den Namen auch verdienten 😉 !

Nach dem Bezug der Zimmer brachen wir gleich einmal auf zu einem kleinen Rundgang auf dem Rynek, der nur ein paar Schritte von unserem Hotel entfernt war. Es lag also wirklich sehr zentral!

Äh, nein, stimmt nicht ganz. Kurz nach unserer Ankunft begann es nämlich ordentlich zu regnen, Gewitter mit Blitz und Donner war auch dabei. Also besuchten wir erst einmal das Scandale Royal und machten eine ausgedehnte Kaffeepause, um das Schlechtwetter auszusitzen.

In den Tuchhallen

Ein Laden neben dem anderen

Blick aus den Tuchhallen auf den Rynek. Das Gewitter war zwar vorbei, es blieb aber feucht.

Donnerstag, 6. April

Treffpunkt 10:00 Uhr beim Florianitor zu unserer Stadtführung. Wir nahmen wieder eine "free walking tour", Sprache war diesmal englisch. War aber kein Problem, weil Calen, unser tour guide, ein sehr klares und gut verständliches Englisch sprach. Er ist in Krakau geboren, hat hier Geschichte studiert und hat in den Stadtführungen seinen Traumjob gefunden. Er ist nicht nur Stadtführer, sondern hat in letzter Zeit auch selbst spezialisierte Führungen gestaltet, die im Programm seiner Firma Aufnahme fanden. Auch hier wieder das gleiche Konzept wie schon in Breslau: einheimischer Führer, die Sprache der Führung ist zweitrangig, und die Bezahlung basiert auf freiwilligen Spenden.

Der promovierte Historiker Calen als unser tour guide. Selbstbeschreibung "the Krakow giant", weil er wirklich sehr groß ist. Macht es bei einer Führung sehr einfach, ihn wieder zu finden!

Das Wetter war am Donnerstag etwas besser als am Vortag. Es gab zwar immer wieder kleinere Schauer, wirklich schwerer Regen war aber nicht dabei. Nur kurz vor Beginn der Führung waren unter die Regentropfen ein paar Eiskügelchen gemischt. Zitat Calen: "This is polish easter. Welcome to Poland!"

Das Florianitor ist Teil des letzten Restes der alten Stadtbefestigung. Sie blieb unter anderem deshalb erhalten, um den Wind etwas zu bremsen, der sonst ungehindert vom Norden zum Rynek blasen würde.

Der Barbakan wurde außerhalb des Florianitores errichtet, um das Tor zusätzlich zu schützen. Der kurze Weg vom Barbakan zum Tor war noch mit Mauern und Decke befestigt, die aber heute nicht mehr erhalten sind.

Der Weg führt uns zunächst zum Czartoryski-Museum. Dort findet sich ein Wappen, das die verbundenen Königreiche Polen und Litauen symbolisiert. Der Weg zu dieser Union (Calen sprach von einem Commonwealth) war aber einigermaßen verwickelt. Zentrale Figuren in dieser Geschichte sind die Heilige Kinga (Kunigunde), die Heilige Jadwiga (Hedwig) und Wladislaw Jagiello.

Kinga war ungarische Prinzessin und wurde schon sehr früh dem polnischen König als Ehefrau versprochen. 1239 heiratete sie als 15-jährige dann tatsächlich den polnischen König Boleslav V. (der Bräutigam war sogar erst 13 Jahre alt). Die Ehe blieb kinderlos und nach dem Tod des Königs ging Kinga ins Kloster, wo sie dann auch starb. Boleslav bestimmte noch einen Nachfolger aus einer Nebenlinie der Piasten, doch auch diese Linie drohte 100 Jahre später auszusterben.

Hier kommt Jadwiga ins Spiel. Sie war als Tochter des letzten Piasten bereits König (nicht Königin!) von Polen und suchte Verbündete. Den fand sie im Großfürsten Jogaila von Litauen; nach dessen Taufe stand einer Ehe mit Jadwiga nichts mehr im Wege und so wurde er als Wladislaw Jagiello König von Polen, während sein Vetter Großfürst von Litauen war. Damit war die Polnisch-Litauische Union begründet, die immerhin 400 Jahre Bestand haben sollte.

Wappen der Polnisch-Litauischen Uniion. Oben die polnische Krone, darunter der Litauische Reiter

Wir gehen weiter zum Rynek (Markt). Wie schon in Breslau, so stehen auch in Krakau Gebäude mitten auf dem zentralen Platz, sodass sich ein Ring um diese Gebäude ergibt. Früher gab es auf dem Platz noch das Rathaus und einige weitere feste Gebäude für Händler, heute sind davon nur noch der Rathausturm, die Adalbert-Kirche und die Tuchhallen übrig.


Das alte Rathaus wurde abgetragen, übrig blieb nur der Turm

Eine der ältesten Kirchen (romanisch) in Krakau ist dem Hl. Adalbert geweiht

An der Adalbert-Kirche ist ein deutlicher Niveau-Unterschied zu erkennen. Das höhere Niveau ergibt sich durch je eine Schichte Abfall (Mist) und Erde!

Die Tuchhallen stehen mitten auf dem Platz und beherbergten früher tatsächlich Läden für Tuchhändler.

Die Gruppe zieht weiter zur Jagiello-Universität. Dort gibt es zwei bemerkenswerte Innenhöfe. Im ersten, dem Collegium Maius befindet sich die Bibliothek und oberhalb ihres Einganges gibt es ein Glockenspiel mit bewegten Figuren. Das Collegium Maius ist heute das Universitätsmuseum.
Der zweite Hof nennt sich Professorengarten und diente früher Professoren und Studenten dem gedanklichen Austausch. Calen war besonders stolz darauf, dass er als Historiker die gleichen Räumlichkeiten benutzen konnte wie schon Kopernikus oder der spätere Papst Johannes Paul II. vor ihm.

Collegium Maius

Die Tür führt in die alte Bibliothek

Darüber die Spieluhr, die zu jeder vollen Stunde ihre Figuren raus lässt.

Da sind natürlich sämtliche Augen und Kameras dorthin gerichtet!

Eingang zum Professorengarten, darüber das Wappen der Jagellionen mit den zwei gekreuzten Szeptern.

Professorengarten

Denk, grübel, denk.


Der weitere Weg führt uns zum Erzbischöflichen Palais, noch vorbei an einigen anderen Kirchen bis zum Wawel. der Burganlage von Krakau.

Eingang zum Erzbischöflichen Palais mit Bild Johannes Pauls II.
Er war ja Kardinal von Krakau, bevor er zum Papst gewählt wurde.

Zahlreiche Kerzen und Blumen vor der Franziskanerkirche (gegenüber dem Erzbischöflichen Palais) erinnern an den Todestag von Johannes Paul II. (2. April)

Interessantes Glasfenster über dem Eingang zur Franziskanerkirche.
Wir konnten es leider nicht von innen sehen, weil gerade eine Messe gehalten wurde. Wir, die wir sofort als Touristen zu erkennen waren, wurden umgehend von zwei Wächterinnen heftig verscheucht.

Von der Franziskanerkirche ist es nicht mehr weit bis zum Wawel. Diese mächtige Burganlage liegt auf einem Hügel und unter diesem Hügel gibt es eine Höhle, die von einem Drachen bewohnt wurde. Der Sage nach hat Krak, der legendäre Gründer von Krakau diesen Drachen bezwungen bzw. bezwingen lassen. Er versprach demjenigen seine Tochter Wanda zur Frau, der dieses Untier erledigen könnte. Der Schusterlehrling Dratewka war dann letztlich erfolgreich.
Etwas südöstlich des Wawel, schon drüber der Weichsel, gibt es einen Grabhügel (Krak mound), der angeblich für Krak und seine Tochter Wanda aufgeschüttet wurde.

Der Wawel war früher Sitz des polnischen Königs und umfasst zahlreiche Gebäude. Die wichtigsten sind sicherlich die Kathedrale und der Arkadenhof.

Am Fuß des Wawelhügels bewacht heute noch ein Drache den Eingang zur Höhle

Kathedrale

Wawel mit Kathedrale

Kathedrale

Eingangsbereich der Kathedrale. Am linken Bildrand erkennt man noch die Überreste des Drachen, der früher die Höhle bewacht hatte. Sie wurden hierher gehängt, um der Bevölkerung zu zeigen, dass es den Drachen wirklich gab. Tatsächlich handelt es sich um Knochen eines Nashorns und eines Wals!

Der mittelalterliche Teil des Wawel brannte nach einem Alchemisten-Versuch ab. An seine Stelle errichtete ein italienischer Architekt den neuen Trakt mit einem Renaissance-Arkadenhof.

In einem Trakt ist Leonardo da Vincis Gemälde "Dame mit dem Hermelin" ausgestellt.
Das Bild wurde vom Czartoryski-Museum erworben und hat sonst keinerlei Bezug zu Krakau.
Portraitiert ist eine Mätresse Ludovico Sforzas (Spitzname "Der weiße Hermelin"), er selbst ist eben verklausuliert als Hermelin dargestellt.

Auf dem Wawel endete unsere Führung; sie dauerte sogar etwas länger als die geplanten zweieinhalb Stunden. Calen hat seine Aufgabe großartig erledigt, unsere Spende ist entsprechend ausgefallen!

Nach einer kurzen Mittagspause gingen wir dann wieder auf eigene Faust weiter ins Judenviertel Kazimierz, das nach dem polnischen König Kasimir dem Großen benannt wurde.

Der alte jüdische Friedhof und die Remuh-Synagoge waren leider bereits geschlossen. Das Wetter wurde wieder schlechter, sodass wir eine etwas ausgedehntere Kaffeepause einschoben. Ein Besuch der Alten Synagoge passte zeitlich wunderbar, sodass wir praktisch nahtlos zu unserem Abendessen mit Klezmer-Musik-Begleitung übergehen konnten.

Eingang zum alten jüdischen Friedhof. Leider bereits geschlossen.



Diese kleinen Handwerkerläden wurden innen zu einem großen Lokal vereinigt.

Auslage der alten Schneiderwerkstätte
Eine Tischlerwerkbank wird heute im Café als Tisch verwendet

Die alte Synagoge hatte noch geöffnet

Innenraum

Spenden erbeten

Schrein für die Thorarollen

Das ist keine Zeichnung sondern Scherenschnitt - unglaublich!

Im Frauenraum schimmern an manchen Stellen noch die alten Wandinschriften durch

Die Klezmer-Musik entstand aus jüdischer Tradition und ist hauptsächlich instrumental. Wenn gesungen wird, dann meist auf jiddisch. Eine recht gute Auswahl von Klezmer gibt es auf YouTube.



In diesem Lokal gibt es jüdische Spezialitäten ...

... mit Klezmer-Begleitung

Dieses Plakat im Vorraum des Lokals ist aus zwei Gründen bemerkenswert.
Erstens wird darin der berühmte polnische Regisseur Andrzej Wajda erwähnt.
Und zweitens ein Dybbuk, eine Art jüdischer Zombie.

Dieses Plakat auf dem letzten Foto löste bei mir sofort zwei Assoziationen aus.

Einerseits zu einer für das Fernsehen aufbereiteten Theater-Inszenierung von Schuld und Sühne (die selbst schon ausgehend vom Roman für das Theater dramatisiert wurde) und bei beiden Versionen führte eben Andrzej Wajda Regie. Darin zu sehen sind Udo Samel als Untersuchungsrichter, Stephan Bissmeier als Raskolnikow und Jutta Lampe als Sonja. Großartiges Stück Theater, unzählige Male gesehen!

Und andererseits zu dem Vorfilm von "A Serious Man" von den Coen-Brüdern. Der Film selbst erzählt eine moderne Version der Hiob-Geschichte. Der Vorfilm ist insofern speziell, weil er von amerikanischen Schauspielern auf jiddisch gespielt wird (Filmschauspieler, die jiddisch sprechen, gibt es nicht sehr viele). Und ein Dybbuk hat darin eine wesentliche Rolle - daher die Assozation. Der folgende Video-Clip hat zwar englische Untertitel, aber es ist erstaunlich, wie viel davon man als deutsch Sprechender ohnehin auch so versteht. Viel Spaß!




Ich merke gerade, dass der Post schon wieder sehr lang geworden ist; ich hab mich wieder einmal nicht zurückhalten können, weder beim Text noch bei den Fotos. Ich hoffe, ich habe mich über den polnischen Katholizismus nicht zu despektierlich geäußert, ich habe jedenfalls versucht, mich zurück zu halten.

Für die noch fehlenden beiden Tage muss ich also noch einen Teil 4 schreiben. Darin wird es um das Salzbergwerk Wieliczka gehen, sowie noch einmal um Krakau und unsere letzte Station Olmütz.

Ende von Teil 3. Hier geht's zu Teil 4 des Reiseberichts.

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