Dienstag, 22. November 2016

Umberto Eco: Das Foucaultsche Pendel ★★★★★

Umberto Eco: Das Foucaultsche Pendel 


Cover: Hanser Literaturverlage

Ich hab diesen Roman jetzt zum vierten oder fünften Mal gelesen. Da zum letzten Mal doch fast 15 Jahre Abstand sind, sind mir einzelne Details nicht mehr so in Erinnerung gewesen. Umso größer war der Genuss des Lesens - denn das ist seine Lektüre immer! Ein großartiges Buch, das in meiner Favoritenliste ganz ganz weit oben steht! Witzig, einfallsreich, genial konstruiert, spannend; hier passt einfach alles.



Es ist die Geschichte von drei Verlagslektoren, die sich tagtäglich mit Manuskripten von Esoterikern, Verschwörungstheoretikern, Zahlenmystikern und Co. herumschlagen müssen. Eines Tages beschließen sie, alles das, was ihnen da unterkommt, selbst zu verarbeiten und eine große Verschwörung zu basteln, die sich über 600 Jahre erstreckt. Ihr "Großer Plan" enthält alles, was sich auf diesem Feld so tummelt: Tempelritter, Rosenkreuzer, Freimaurer, Illuminaten, Den Alten vom Berge (Festung Alamut), Assassinen, Kabbalisten, Kryptografen, die Protokolle der Weisen von Zion, die Thulegesellschaft und so weiter und so weiter.

Der Große Plan ist völlig frei erfunden; er ist aber so überzeugend, dass führende Köpfe der Szene den Köder tatsächlich schlucken, als er ihnen vor die Füße geworfen wird. Für die drei Lektoren nimmt das kein gutes Ende, soviel kann man schon verraten.

Umberto Eco hat es mit diesem Roman haupsächlich auf die Esoteriker und Verschwörungstheoretiker abgesehen, mit dem ihm eigenen Witz. In dieser kurzen Textprobe zum Beispiel die Zahlenmystiker:

Er riss theatralisch die Flügel auf, bat uns hinauszuschauen und zeigte uns in der Ferne, an der Ecke zwischen der Seitenstraße und der Allee, einen hölzernen Kiosk, in dem vermutlich die Lose der staatlichen Lotterie verkauft wurden.
»Sehen Sie jenen Kiosk dort«, sagte er. »Ich lade Sie ein, nachher hinzugehen und ihn zu vermessen. Sie werden sehen, dass die Breite des Bodens 149 Zentimeter beträgt, also ein Hundertmilliardstel der Entfernung von der Erde zur Sonne. Die Höhe der Rückwand geteilt durch die Breite des Fensters ergibt 176 : 56 = 3,14, die Zahl pi. Die vordere Höhe beträgt 19 Dezimeter, soviel wie die Zahl der Jahre des griechischen Mondzyklus. Die Summe der Höhen der beiden vorderen und der beiden hinteren Kanten macht 190 ´ 2 + 176 ´ 2 = 732, das Datum der Schlacht von Poitiers. Die Dicke des Bodens beträgt 3,10 Zentimeter und die Breite des Fensterrahmens 8,8 Zentimeter. Ersetzt man die Zahlen vor dem Komma durch die entsprechenden Buchstaben des Alphabets, so erhält man C10H8, die Formel des Naphthalins.

Und so weiter, alle bekommen sie ihr Fett ab. Nebenbei hat der Roman stark autobiografische Züge, was vor allem in der Figur des Jacopo Belbo zu sehen ist.

Witzig auch diese Stelle, als der Ich-Erzähler in den Computer von Jacopo Belbo einsteigen möchte:
Schließlich, in einem Wutanfall, als Abulafia [der Computer, Anm.] zum x-ten Mal seine sture Frage stellte (»Hast du das Passwort?«), hackte ich: »Nein.« 
Der Bildschirm begann sich mit Zeichen zu füllen, mit Linien, Kolonnen, mit einer Flut von Worten.
Ich hatte Abulafias Geheimnis geknackt.

Solche und ähnlich Stellen gibt es viele in diesem Roman.

Das Buch verlangt vom Leser schon einiges Durchhaltevermögen, ganz einfach ist die Lektüre nicht. Aber wenn man sich durchkämpft, wird man mit einer ganz fantastischen Geschichte belohnt!

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