Der dritte Teil des Reisetagebuches führt uns in das Dorf Aït-Ben-Haddou und über den Tichka-Pass wieder zurück nach Marrakesch. Dort besuchen wir noch einmal den Gauklerplatz: Diesmal bei Nacht, als dort richtig viel los war. Der letzte Tag ist dann dem wunderschöne Bahia-Palast gewidmet.
Dienstag, 19. März
Aït-Ben-Haddou
Ganz in der Nähe von Ouarzazate liegt der Ksar (befestigtes Dorf) Aït-Ben-Haddou. Die Lehmhäuser und Gassen winden sich einen kleinen Hügel hinauf – sehr malerisch.
So malerisch, dass diese Kulisse gerade für ein Foto-Shooting genutzt wurde, als auch wir dort waren. Andererseits wurde sie schon öfter für Filme verwendet. Der bekannteste davon ist wahrscheinlich der "Gladiator".
Wir hatten einen ausgedehnten Spaziergang durch das Dorf, bevor es wieder mit dem Bus weiter ging.
Störche überall |
Dieses Lehmhaus wurde durch das Erdbeben 2023 stark beschädigt. |
Es wird wieder aufgebaut, diesmal aber aus herkömmlichen Betonsteinen. Schade, aber verständlich. |
Außerhalb der Altstadt gibt es noch einen Bach, der sogar Wasser führt. Das Wasser kann mit diesem Schieber (wenn er da ist) reguliert werden. |
Eine lange Brücke führt über den (trockenen) Fluss in die Altstadt |
Am Eingang zur Altstadt |
Im Hintergrund einer der Drehorte für den "Gladiator" |
Regie-Büro |
Teile dieses wunderschönen Hauses sind noch bewohnt, Teile davon aber vom Erdbeben stark mitgenommen. |
Hier kamen auch Karawanen vorbei. Nach Timbuktu (Oasenstadt im heutigen Mali) brauchte man 52 Tage |
Mit dem Auto sind es heute immer noch 65 Stunden – netto, ohne Pausen. |
Tizi n'Tichka
Unsere Route biegt bereits nach Norden ab Richtung Marrakesch. Zwischen uns und dem Ziel liegt aber noch eine sehr schöne Bergfahrt über den Hohen Atlas. Der Weg führt dabei über den Pass Tizi n'Tichka. Irgendwo auf der Passstraße liegt dann das Lokal, in dem Moulay wieder ein Mittagessen für uns arrangiert hat.
Die losen Felsen sind eine echte Bedrohung. "Damokles-Schwert" fällt mir immer wieder dazu ein. |
Postamt |
Bauernhof mit Feldern im Terrassenbau |
Die Straße windet sich hinauf zum ... |
... Tichka-Pass |
Diese Route ist natürlich ein Motorrad-Paradies |
Wir kommen immer weiter nördlich, es wird wieder grüner |
Die kleine Ausgabe, die jede Person für sich bekommt, wird "Junggesellen-Tajine" genannt. |
Massive Hangrutschung. Die Aufnahme hab ich aus dem fahrenden Bus gemacht; Reflexe bitte ignorieren. |
In Marokko geht das offenbar noch. Bei uns wäre diese Fahrt nach wenigen 100 Metern zu Ende. |
Marrakesch
Der Kreis ist geschlossen, wir sind wieder in Marrakesch.
Die berühmte Kasbah-Mosche (oder Moschee-al-Mansur) wurde leider vom Erdbeben stark getroffen. Sie ist derzeit unzugänglich!
Mausoleum der Saadier
Gleich um die Ecke befindet aber das Mausoleum der Saadier, das sehr wohl noch für Besichtigungen offen ist. Die Saadier war die Vorgänger-Dynastie der bis heute herrschenden Alawiden-Dynastie.
Spaziergang durch den Suq
Kurzer Stopp beim Bab Agnaou, einem der bedeutendsten Tore der Stadt. Es war Eingang zum ehemaligen Palast. |
Suq |
Besuch bei einer Naturheilkundlerin
In dieser Natur-Apotheke dreht sich alles um Argan-Öl.
Der Arganbaum wächst heute nur noch in einer ganz bestimmten Region Marokkos – und wirklich nur dort. Es gab schon viele Versuche, den Baum auch woanders anzusiedeln, die aber bisher allesamt scheiterten. Eine Ausnahme ist nur die Gegend um Alicante (Spanien).
Argan-Produkte sind inzwischen auch im Westen angekommen. Das Öl wird sowohl in der Küche verwendet, vor allem aber sehr viel in der Kosmetik.
Hier in dieser Apotheke wurden uns die Produkte als wahre Wundermittel für und gegen alles dargestellt: Bei Magen-Darm-Beschwerden, gegen Fußpilz, gegen Glatzenbildung, als Tages- und Nacht-Creme für Gesicht und Hände, gegen Muskelverspannungen, gegen Lippen-Herpes, zum Stress-Abbau, ... [Aufzählung unvollständig]. Fragen nach doppelt-blinden klinischen Studien mit Kontrollgruppen stellen nur Skeptiker. 😉
Die Argan-Nüsse werden mühsam manuell aufgeklopft. Die dann zum Vorschein kommenden kleinen Samenplättchen ... |
Moulay links, die Naturheilkundlerin rechts. Moulay begann schon, für uns zu übersetzen, als sich herausstellte, dass sie selbst ein wirklich außergewöhnlich gutes Deutsch sprach! |
Ihre Hände waren reich mit Henna verziert |
Diverse Produkte |
Hier gab es noch echte, reale Warenkörbe, nicht nur virtuelle! Wurden von uns übrigens ordentlich gefüllt! |
Wir setzten unseren Spaziergang durch den Suq fort und hatten anschließend noch einige Zeit, auf eigene Faust weiter zu flanieren oder eines der zahlreichen Kaffeehäuser rund um den Gauklerplatz zu besuchen.
Wir machten beides.
Die Verkäufer krabbeln durch diesen "Eingang" auf allen Vieren, um in ihren Verkaufsstand zu kommen. |
Während des Abendessens im Hotel gingen plötzlich die Lichter aus. Während die meisten schon an einen Stromausfall dachten, kam das Hotelpersonal mit Pauken und Trompeten in den Saal und spielte ein Geburtstags-Ständchen für ein (etwa) sechsjähriges Mädchen!
Kutschenfahrt und Gauklerplatz bei Nacht
Damit war der Tag aber noch nicht zu Ende. Moulay organisierte eine nächtliche Kutschenfahrt durch Marrakesch. Sie führte uns direkt vom Hotel durch die Altstadt bis zum Gauklerplatz.
Kasbah-Moschee |
Bab Agnaou |
Am Gauklerplatz angekommen |
Nach Einbruch der Dunkelheit ist auch zu Ramadan ordentlich was los auf dem Gauklerplatz |
Gegrillte Schafsköpfe – eine lokale Delikatesse |
Viele viele Musikgruppen auf dem Platz |
Diverse Geschicklichkeitsspiele. An der Angelschnur ist ein Ring befestigt. Man muss es schaffen, diesen Ring um einen Flaschenhals zu legen. Sehr schwierig! |
Hier muss man Plättchen auf das Zielgebiet werfen. Je nachdem, wo man hintrifft, gewinnt oder verliert man. |
Mittwoch, 20. März
Ja, das ist bereits der letzte Tag! Am Vormittag besuchten wir noch den Bahia-Palast, bevor es auch schon wieder zum Flugplatz ging!
Bahia-Palast
Der Großwesir Si Moussa ließ sich im 19. Jhdt. diesen Palast bauen, sein Sohn Bou Ahmed erweiterte ihn dann noch um Moschee, Hamam und Garten und benannte ihn nach seiner bevorzugten Frau "Bahia" (der Brillant). 1912 wurde er Hauptquartier der französischen Besatzer, danach Residenz für König Mohammed V. und noch später ging er in die Verwaltung durch das Kulturministerium über, das daraus eine große Touristenattraktion machte – eine der größten und bekanntesten des Landes!
Familie Oufkir
Der Palast war aber auch Schauplatz einer sehr düsteren Geschichte.
Mohammed Oufkir war Innen- und Verteidigungsminister unter König Mohammed V. (dem Befreier Marokkos und Großvater des aktuellen Königs). Der König adoptierte eine Tochter Oufkirs (Malika, *1953), die daraufhin in den Bahia-Palast übersiedeln musste. Sie war also eine Art Spielkameradin für den späteren König Hassan II., der ebenfalls in diesem Palast aufwuchst. Erst mit 16 Jahren durfte Malika zu ihrer Familie zurückkehren.
Drei Jahre später (1972) war Mohammed Oufkir immer noch im Amt, beteiligte sich aber an einem Putsch, bei dem es beim Versuch blieb. Er wurde umgehend hingerichtet, offiziell starb er allerdings durch Selbstmord (Kugeln in Lunge, Leber, Rücken, ...).
Die überlebende Familie wurde zunächst unter Hausarrest gestellt, später in ein Gefängnis in den Süden Marokkos übersiedelt, wo sie schlicht vor sich hinvegetierte. Nach 15 Jahren durfte Malika wieder nach Marrakesch, stand aber bis 1991 weiter unter Hausarrest.
Als Danielle Mitterand (Frau des ehemaligen Präsidenten Frankreichs) davon erfuhr, setzte sie alle Hebel in Bewegung, um diese Familie zu befreien, was eben 1991 tatsächlich gelang.
Inzwischen lebt Malika Oufkir in Paris und hat ihre Geschichte in einer Autobiographie veröffentlicht. Ich hab das Buch bereits, allerdings noch nicht gelesen. Ich hoffe, ich hab die Geschichte aus dem Gedächtnis halbwegs richtig wiedergegeben.
Flughafen
Zum Schluss noch ein paar Fotos vom Flughafen bzw. vom Weg dorthin.
Straßenkreuzung mitten in Marrakesch |
Flughafen |
Sehenswertes Dach |
Flughafenkatze |
* * * * * * *
So, aus, das war Marokko im Schnelldurchgang! Irrsinnig viel gesehen und erlebt, Land und Leute kennengelernt – nicht zuletzt durch unseren tollen Reiseleiter Moulay!
In dieser kurzen Zeit besuchten wir 6 UNESCO-Welterbestätten!
- Altstadt (Medina) von Fes
- Medina von Marrakesch
- Aït-Ben-Haddou
- Medina von Meknès
- Römerstätte Volubilis
- Rabat
Mit dem aktuellen König zieht eindeutig frische Luft durchs Land. Es muss sicherlich noch mehr geschehen, aber Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut.
Die Reisezeit März ist optimal: Nicht kalt, auch nicht in den zentraleren und höher gelegenen Städten; andererseits noch nicht zu heiß für den Süden. An den Ramadan hätten wir auch vorher schon denken können; ich glaube aber nicht, dass wir deshalb die Reise nicht gemacht hätten. Wir waren erstaunt, wie locker und entspannt die Bevölkerung mit Touristen umgeht, die nicht an die Fastengebote gebunden sind.
Alles in allem: Eine schöne Reise, die wir noch lange in ebenso schöner Erinnerung haben werden!
Ende des Reiseberichts
wie immer. von dir ein toller sehr informativer reisebericht habt wirklich viel gesehen und erlebt
AntwortenLöschenlg norbert