Freitag, 22. Oktober 2021

Theater in der Josefstadt: Die Stadt der Blinden

Der Roman "Die Stadt der Blinden" ist wahrscheinlich einer der bekanntesten des portugiesischen Nobelpreisträgers José Saramago. Ich hab das Buch vor etlichen Jahren gelesen und war davon so angetan, dass ich in weiterer Folge noch zahlreiche andere seiner Bücher las.

Als ich davon hörte, dass die Josefstadt eine dramatisierte Version dieses Werkes auf die Bühne bringen würde, war sofort klar, dass ich das sehen musste. Umso mehr, als es in der Presse eine sehr zustimmende Besprechung gab.

Am 2. Oktober waren wir also in der Josefstadt.

Die Ampel blinkt bereits lange vor der Vorstellung


Vorweg ein Hinweis. Im Roman (und auch im Stück) haben die Personen keine Namen, sondern werden nur anhand ihrer charakteristischen Eigenschaften benannt. So gibt es also den Augenarzt, die Frau des Augenarztes, den ersten Blinden, den Mann mit der Augenklappe, und so weiter.


Ein Autofahrer steht an einer roten Ampel und wartet, dass es grün wird. Als es soweit ist, fährt er aber nicht los, sondern berichtet, dass er plötzlich erblindet sei, alles sei in einen grellen weißen Nebel gehüllt. Dieser erste Blinde wird aber nicht der einzige bleiben. So nach und nach erblinden immer mehr Menschen in der Stadt; selbst der Augenarzt ist betroffen. Seltsamerweise aber nicht dessen Frau; sie wird die einzige Sehende bleiben.

Zunächst glaubt die Stadt an eine ansteckende Epidemie und sperrt die Erblindeten in ein Lager. Die Frau des Augenarztes zieht mit ihrem Mann ebenfalls dort ein, obwohl sie ja eigentlich sehend blieb. Die Internierten werden streng bewacht und bekommen von außen nur das Allernotwendigste über den Zaun geworfen. 

Irgendwie hat es einer geschafft, eine Waffe in das Lager zu schmuggeln. Er und seine Gesellen ziehen sofort ein Terrorregime auf. Sie geben die Essensrationen an die andere Gruppe nur frei, wenn sie dafür bezahlen. Zunächst. Die Situation eskaliert, als sie als Bezahlung nicht mehr Geld, sondern die Frauen der anderen Gruppe verlangen. Jetzt geht es ans Eingemachte, jetzt ist es ganz still im Publikum, jetzt geht es nur noch um das nackte Überleben. Daher entschließen sich die Frauen nach einiger Diskussion, auf die Forderung einzugehen. Es gilt nur noch das Faustrecht.

Bei einem ähnlichen Anlass greift die Frau des Augenarztes zu der Schere aus einem Verbandspaket, die sie noch hat, und tötet damit den Bewaffneten. Danach ist die Lage zwar entspannter, aber die Frau des Augenarztes leidet unter ihren Selbstvorwürfen, die sie sich deshalb macht.

Als ein Brand ausbricht und alle aus dem Lager zu fliehen versuchen, stellen sie fest, dass die Wachen längst abgezogen sind, denn auch sie sind erblindet. Die Gruppe um die Frau des Augenarztes zieht durch eine inzwischen verwüstete und chaotische Stadt. Die Frau des Augenarztes organisiert aus Supermärkten noch vorhandenes Essbares und führt die Gruppe in eine freie Wohnung.

Viele dieser Wohnungen sind ebenfalls verwüstet; andere Blinde waren in fremden Wohnungen (sie wussten ja nicht, wo sie waren) auf der Suche nach Essbarem und sind danach wieder abgezogen. In einer dieser Wohnungen trifft die Gruppe auf eine dort allein lebende Frau. Sie hat überlebt, weil sie im Garten noch Gemüse sowie Hasen und Hühner hat. Mit der Zeit hat sie sich daran gewöhnt, das Gemüse, aber auch die Tiere, roh zu verzehren; Kochgelegenheit hat sie ja keine. Der bestialische Gestank von halbvermoderten Tierfellen in der Wohnung lässt allen die Tränen in die Augen schießen.

Vor allem dieses Chaos in der Stadt und diese Szene in der Wohnung fand ich in der Inszenierung besonders gelungen. Insgesamt hält sich das Stück ganz genau an die Romanvorlage. Das geht so weit, dass die Gruppe um die Frau des Augenarztes Teile aus dem Buch als Chor rezitiert um dramaturgische Lücken zu schließen.

Zum Ende des Stückes werden alle so nach und nach wieder sehend. Dafür erblindet jetzt die Frau des Augenarztes.

Die Intensität der Darstellungen fällt etwas unterschiedlich aus. Ganz vorne steht dabei die Frau des Augenarztes sowie die alleinstehende Frau. Bei den Herren sind es vor allem der Mann mit der Augenklappe und der Augenarzt. Die anderen Darsteller und Darstellerinnen haben eher Nebenrollen und können daher nicht so in den Vordergrund treten. Ihre Leistung wird dadurch aber nicht gemindert!


Alles in allem ein sehr gelungener Theaterabend. Ich kann beides wärmstens empfehlen: sowohl den Roman als auch diese Dramatisierung in der Josefstadt!

* * * * * * *

P.S.: Wir leben ja gerade in der Zeit, die coronabedingt voller 2G 2,5G und 3G-Regeln ist. Die Josefstadt nimmt es dabei besonders genau.

Es beginnt damit, dass die Tickets personalisiert sind. Ebenfalls auf den Tickets ist bereits vermerkt, welcher Eingang in das Theater zu nehmen ist. Dort wird dann nicht nur der grüne Pass gecheckt, sondern es wird auch ein Ausweis verlangt, um zu prüfen, ob sowohl das Ticket als auch der grüne Pass zu der entsprechenden Person passen.

Vorbildlich!


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