Donnerstag, 28. Oktober 2021

Riga 2021 - Teil 1

Bereits im August waren Jutta, Martin und ich ein paar Tage in Riga. Martin hatte die Reise von uns zum Geburtstag bekommen und er war es auch, der Riga als Reiseziel ausgewählt hat.

Eine sehr gute Wahl, wie wir gleich sehen werden.

Denn so klein und übersichtlich die Stadt auch sein mag: Sie hat wirklich eine Menge zu bieten! Zudem war Riga 2014 Kulturhauptstadt Europas, was von den Städten immer als Anlass genommen wird, sich speziell herauszuputzen.

Wir haben in diesen Tagen wirklich viel unternommen und gesehen, ich hab daher wieder viele Fotos anzubieten. Etliche werde ich in diesem Post verwenden; noch mehr davon gibt es dann ein einem allgemein zugänglichen Webalbum. Eine kleine Bedienungsanleitung für so ein Webalbum kann ich ebenfalls zur Verfügung stellen.

Folgt mir also bitte in diese malerische Hauptstadt Lettlands! Es lohnt sich!


Wir sind an vielen Bauwerken mehrmals vorbeigekommen, sowohl bei unseren eigenen Spaziergängen als auch im Zuge einer Stadtführung. Anders als üblich möchte ich diesen Reisebericht also nicht chronologisch führen, sondern eher thematisch – sprich nach Sehenswürdigkeiten gruppiert. Ansonsten, fürchte ich, würde der Inhalt zu sehr zerrissen und zerfleddert werden. Ausnahmen werden nur größere, abgeschlossene Blöcke sein, wie etwa der Ausflug nach Jūrmala oder die Bootsfahrt auf der Düna.

In diesem Sinne!


Anreise und Hotel

Ach ja, Corona. Kein Reisebericht in diesen Zeiten ohne Corona. Die Reise war überhaupt erst möglich geworden, weil wir vollständig geimpft sind. Das wird schlicht und einfach von Lettland vorausgesetzt. Vor der Reise mussten wir uns noch auf einer Website registrieren, aber dann war bei der Einreise alles ganz einfach. 

Lokale zu besuchen kann ebenfalls ganz einfach sein. Wenn man Plätze vor dem Lokal wählt, wurde überhaupt nichts überprüft. Wenn man aber ins Lokal wollte, dann wurde das Impfzertifikat sowohl angesehen als auch mit einer App auf seine Gültigkeit gecheckt. Ausweis wurde keiner verlangt – immerhin. In Innenräumen und in Öffis war generell Maskenpflicht (FFP2).

Die Impfquote ist in Lettland relativ niedrig, sodass die Infektionszahlen derzeit (Ende Oktober) so hoch sind, dass diese Reise jetzt gar nicht mehr möglich wäre. Gut also, dass wir schon in der zweiten Augusthälfte dort waren.

Der Andrang zum Impfzentrum hielt sich in Grenzen

Corona hat sich dann leider auch auf unseren Hotelaufenthalt ausgewirkt. So war der Frühstücksraum für die zahlreichen Gäste zu klein, sodass er generell geschlossen war; die Sicherheitsabstände hätten nicht eingehalten werden können. Das Frühstück wurde daher ins Zimmer geliefert. Dazu musste man aber schon am Vorabend bekanntgeben, was man haben möchte und ein Nachschlag bei Kaffee oder Orangensaft war nicht möglich. Noch dazu war das Zimmer relativ klein, sodass der zweite Tisch, den wir von Martins Zimmer zu uns geholt hatten, gerade noch rein passte. Also etwas suboptimal, aber für die paar Tage haben wir es in Kauf genommen.

Hier sollte das Frühstück stattfinden

Und so war es in unserem Zimmer

Das war aber schon das einzig Negative zu diesem Hotel Justus. Das alte Haus hat sehr viel Charme und Flair und liegt so zentral, wie ein Hotel nur zentral liegen kann: Genau zwischen Dom und Peterskirche gelegen, und auch das Schwarzhäupterhaus lag gleich um die Ecke! 

In den Gängen gab es viele interessante Vitrinen



Historische Ansicht von Riga in der Hotel-Lobby

Nicht zu vergessen die nahe Lokalszene und die Bar, die abends zu unserem Stammhaus wurde.




Dom

Der Dom wurde kurz nach Gründung der Stadt (1201) erbaut (1211) und war zunächst katholische Kathedrale. Die Reformation konnte sich in Livland aber rasch ausbreiten und festigen, sodass die Kirche 1563 endgültig protestantisch wurde.

Der Dom ist heute noch die größte Kirche des Baltikums. Die 1884 fertiggestellte Orgel war damals außerdem die größte der Welt. 124 Register können schon ganz schön Lärm entwickeln!

In dieser Aufnahme sind zu Beginn alle vier Manuale gekoppelt. Die Organistin hat einen eigenen Assistenten zum Umregistrieren!



Ein Modell einer Orgel ist im Dom ausgestellt



Der bischöfliche Bauherr prüft die Pläne und gibt Anweisungen


An den Dom angeschlossen ist auch ein sehenswerter Kreuzgang. Heute vermittelt er eher den Eindruck einer Rumpelkammer für alles Mögliche, das im Inneren keinen Platz mehr hatte.




Der Steinkopf von Salaspils wurde Mitte des 19.Jhdts von einem Bauern auf einem Feld gefunden.
Bis 1875 war er in einem Museum ausgestellt, dann verliert sich seine Spur. Im Jahr 2000 tauchte er im Domgarten plötzlich wieder auf.
Der Kopf ist immerhin 93cm hoch und fast 800kg schwer!


Der erste Rigaer Bischof gilt auch als Gründer der Stadt: Albert von Buxthoeven


Neben dem Dom gibt es ein eigenartiges Labyrinth aus Holz ...

mit zum Teil fabelhaften Figuren

Diesem Gürteltier ist beinahe die Flucht gelungen


Peterskirche

Die Peterskirche ist noch etwas älter als der Dom und gilt mit seinem überragenden Turm als ein Wahrzeichen von Riga. Der Turm ist im Laufe der Zeit bereits eingestürzt bzw. abgebrannt, wurde aber immer wieder erneuert. Stufen und neuerdings ein Lift führen nach oben und bieten einen einmaligen Rundblick um die Stadt. Wir blieben allerdings unten und nutzten später die Aussicht vom Akademieturm.




Aufgang in den Turm

In den Seitenschiffen finden immer wieder Ausstellungen statt

Die alte hanseatische Verbindung nach Bremen ist immer noch aufrecht. Dieses Denkmal zu den Bremer Stadtmusikanten ist ein Geschenk der Stadt Bremen und steht an der Nordseite der Peterskirche

Gleich gegenüber der Peterskirche (rechts) steht die Johanneskirche (links)

Die Legende sagt, dass sich für das gute Gelingen des Baues zwei Mönche lebendig einmauern ließen. Allerdings unter der Voraussetzung, dass sie später heiliggesprochen würden. Das mit der Heiligkeit ist leider nichts geworden, aber man hat zu ihrem Andenken zwei Gesichter aus der Wand schauen lassen.



Schwarzhäupterhaus

Das, was wir heute als Schwarzhäupterhaus bewundern, ist gerade einmal 20 Jahre alt. 1999 wurde der Neubau fertiggestellt, nachdem das Haus im Krieg schwer zerstört und später komplett gesprengt wurde. Nur die Kellergeschoße blieben erhalten und sind heute als Museum zugänglich. Die Säle im Erdgeschoß, die ebenfalls zugänglich sind, sind eben bereits Teil des Neubaus.

Das Schwarzhäupterhaus war Herberge und Gesellschaftshaus der gleichnamigen Gilde Rigas. Das war eine Vereinigung unverheirateter, junger Kaufleute, die in Riga lebten, aber von außerhalb kamen und somit nicht das Rigaer Stadtrecht hatten. Ursprünglich war Georg ihr Schutzpatron. Sie erwählte sich aber später den Heiligen Mauritius (Maurice, Moritz), als dessen Herkunftsland Ägypten angenommen wird. Er wird fast immer dunkler dargestellt als er wahrscheinlich in Wirklichkeit war. Aber seine Hautfarbe war jedenfalls Namensgeberin der Gilde und somit des Hauses. Die Gilde selbst lebt übrigens in Bremen weiter.

Imposantes Gebäude


Eingang zum Schwarzhäupterhaus

Rechts neben dem Eingang: der dunkle Heilige Mauritius, Schutzpatron der Gilde

Nach dem Krieg standen nur noch Reste, die dann auch noch gesprengt wurden.

Museum in den Kellerräumen

Herrensaal


Schrank mit aufwändigen Schnitzereien

Eine davon: Der Vater überrascht das junge Liebespaar
Auseinander!

Sammlung von Schnupftabaksdosen

Auf dieser Dose dargestellt: Ein Mönch schummelt im Strohballen ein Mägdelein ins Kloster; die Mitbrüder freuen sich schon!

Festsaal

Winziges Bad

Büsten von Musikern, die im Schwarzhäupterhaus gewirkt haben.
Mozart und Beethoven

Schubert und Wagner. Und viele weitere.



Rolandsstatue, Rathaus

Vor dem Schwarzhäupterhaus steht eine der noch in Europa erhaltenen Rolandsstatuen. Der Ritter mit dem gezogenen Schwert deutet an, dass es in dieser Stadt bürgerliche Freiheiten und eine eigene Gerichtsbarkeit gibt.


Und gleich gegenüber dem Schwarzhäupterhaus befindet sich das Rathaus der Stadt

Rathaus

Panoramaaufnahme des Platzes zwischen Rathaus und Schwarzhäupterhaus



Jakobskirche

Die Jakobskirche ist nur wenig jünger als der Dom und ist heute die Kirche des katholischen Erzbistums Riga. Sie hat im Laufe der Zeit mehrmals die Konfession gewechselt, seit 1923 ist sie wieder katholisch.

Der Turm der Kirche hat eine Besonderheit. An einer Seite, etwa in halber Höhe des Daches, gibt es eine kleine Ausbuchtung, in der eine Glocke hängt.

Die Jakobskirche ...

... mit der charakteristischen Außenglocke am Turm

Innenansichten

Für eine katholische Kirche erstaunlich schmucklos


Das Parlament gleich neben der Jakobskirche



Wirklich gut verstecktes Café

Handwerksladen mit umstrickter Dachrinne auf dem Weg dorthin


Im Café



Weitere Sehenswürdigkeiten und Orte

Der junge Richard Wagner wirkte einige Zeit in Riga und lebte auch dort schon auf großem Fuß. Eigentlich über seine Verhältnisse, und so mussten er und seine Frau 1839 Hals über Kopf per Schiff vor den Gläubigern fliehen. Diese zweiwöchige Fahrt verlief äußerst stürmisch und inspirierte angeblich den Komponisten zu seiner frühen Oper "Der fliegende Holländer".

In der heutigen Richard Wagner-Straßen haben sie gewohnt

Gedenktafel am Haus


Friedrich Scheffel, der Erbauer dieses Katzen-Hauses (Katze links oben), wollte einst in die Große Gilde aufgenommen werden, was ihm allerdings verwehrt wurde. Als Retourkutsche setzte er zwei Katzen auf sein Hausdach, die ihre Hinterteile in Richtung Gilde hielten.

Die Gilde protestierte heftig dagegen, letztlich musste er die Katzen zumindest umdrehen.

Beim Rauchfangkehrerhaus gibt es keine solche Legende. Hier dient der oben sitzende Rauchfangkehrer einfach als Zunftzeichen (oder Glücksbringer, wer weiß).


Die Drei Brüder sind ein Gebäude-Ensemble, das heute ein Architekturmuseum beherbergt. Hätten wir gerne gesehen, aber leider stimmten die Öffnungszeiten nicht, die vor den Häusern angegeben waren. Als wir dann zu einem Zeitpunkt hinkamen, an dem eigentlich geöffnet sein sollte, war trotzdem geschlossen. Das war leider an einem Freitag; und Samstag und Sonntag ist sowieso zu. Ärgerlich.

Früher einmal war in dem ältesten Steingebäude Rigas eine Bäckerei untergebracht. Auf kleinster Fläche aber auf mehreren Etagen wurde verkauft, gewohnt, gearbeitet und Materialien gelagert.

Die Drei Brüder


Die alte Stadtbefestigung wurde bis auf wenige Reste abgetragen. An ihrer Stelle wurden Parkanlagen errichtet. Der Stadtgraben allerdings blieb erhalten und dient heute zusammen mit den Parks als ein Naherholungsgebiet für die Rigaer Bevölkerung.

Lettland wurde nach dem Ersten Weltkrieg unabhängig und blieb es bis zum Zweiten Weltkrieg. Dieses Denkmal erinnert daran. Nicht einmal die Sowjets wagten es, dieses Denkmal zu beseitigen!

Die drei Sterne symbolisieren die drei großen Regionen Lettlands (Livland, Kurland und Lettgallen).
Mit etwas Fantasie kann man ein Kleinkind im Taufgewand erkennen: Die Kreis innerhalb der Sterne ist der Kopf, die Hände und Arme der Statue bilden wiederum die Arme und das Kleidchen des Täuflings.

Sockel des Freiheitsmonuments

Stadtgraben und Park statt Befestigungsmauer


Der Pulverturm in der Nordwestecke der Altstadt ist eines der wenigen Überbleibsel der alten Stadtbefestigung. Angeblich, weil der Aufwand zu groß gewesen wäre, die bis zu drei Meter dicken Mauern abzutragen. Bei einem schwedischen Angriff wurde er dennoch schwer zerstört, später aber wieder aufgebaut. Er war ursprünglich wirklich Lagerstätte für Schießpulver.

Am Pulverturm ist eine deutliche bauliche Grenze zwischen alt (unten, hell) und neu (oben, rötlich) zu erkennen

Dieses Gebäude steht ebenfalls an der alten Stadtgrenze, wurde aber erst später an den Pulverturm drangebaut. Heute befindet sich darin ein Kriegsmuseum.

Das Schwedentor ist ebenfalls eines der wenigen verbliebenen Stücke der alten Stadtmauer.

Anstatt die ausgedienten Kanonen einzuschmelzen, verwendete man sie als Rammsteine beim Schwedentor.

Dieses mehrere hundert Meter lange Gebäude läuft parallel zum Kriegsmuseum (gegenüber) und hat eine bewegte Geschichte.
Es war schon Kaserne, Gefängnis ...

... und Schule; jede Klasse hatte eine eigene Eingangstür ins Freie.
Inzwischen sind auch schon Wohnungen darin untergebracht.


Rund um die Albertstraße gibt es eine Reihe von wirklich prachtvollen Jugendstilhäusern. Bei vielen (etwa 50) hieß der federführende Architekt Michail Eisenstein. Dieses Neustadt-Ensemble ist heute Teil des Rigaer UNESCO-Welterbes. Bei uns bekannter ist wahrscheinlich sein Sohn Sergei Eisenstein, der Regisseur des berühmten und filmsprachlich bahnbrechenden Stummfilms "Panzerkreuzer Potemkin".

Gedenktafel für den Architekten Michail Eisenstein





Nur für betuchte Mieterschaft


Zuletzt noch ein paar wirklich vereinzelte Fotos


Skulptur zum Thema Müllvermeidung / Recycling


Denkmal für Alexander Puschkin

Denkmal für Paul Walden, einem deutsch-lettischen Chemiker.
Er befasste sich mit stereo-symmetrischen Molekülen und deren Verhalten im polarisierten Licht.
Das Denkmal stellt ein Apfelsäure-Molekül mit seinem Spiegelbild dar.

Info zu Paul Walden

Das Rigaer Schloss ist heute Sitz des Staatspräsidenten

Hat nichts mit Bier zu tun, sondern heißt schlicht "Schloss-Straße"


* * *


Teil 1 ist schon wieder recht umfangreich geworden; ich muss meinen Bericht also wieder einmal schneiden.

In Teil 2 berichte ich dann noch über die Moskauer Vorstadt mit ihren alten Holzhäusern, der Synagoge, dem Markt und der Akademie der Wissenschaften. Außerdem über das Städtische Museum, über einen Ausflug zum Ostseestrand sowie eine Panoramafahrt auf der Düna.

Und dann gibt es noch eine spannende Geschichte, die von Vergesslichkeit und/oder Blödheit handelt; die aber ein sehr erfreuliches happy end hat!


Teil 2 des Reiseberichts >>



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