Mittwoch, 1. Juli 2020

Museumsdorf Niedersulz

Heuer haben wir zum ersten Mal die Niederösterreich-Card (NÖ-Card) gekauft. Mit dieser Karte hat man bei ca. 300 Orten ermäßigten oder überhaupt freien Eintritt. Das Spektrum reicht vom Freibad über diverse Museen bis hin zu gebührenpflichtigen Wanderwegen oder Lehrpfaden. Vornehmlich natürlich in Niederösterreich, es gibt aber auch ein paar Ziele in Wien, Oberösterreich, der Steiermark und im Burgenland.

Es ist halt wie immer bei solchen Tourismuskarten: Auf der einen Seite haben wir ein paar Vergünstigungen, auf der anderen Seite erfahren die Veranstalter, wer ihr Publikum ist: Vom Alter und Geschlecht bis zum Wohnort; sie erfahren auch, wie weit die Anreise ist etc. Aus solchen Informationen lassen sich natürlich zahlreiche Maßnahmen für die Zukunft ableiten.

Die NÖ-Card ist vergleichsweise harmlos, also können sie meinetwegen diese Daten gerne haben, hier nehme ich es in Kauf.

Unser erstes Ziel war das Museumsdorf Niedersulz im östlichen Weinviertel. Dort wurden zahlreiche Bauern- und sonstige Häuser zu einem ganzen Dorf neu zusammengestellt. Vergangenen Sonntag waren wir dort und erlebten einen interessanten Nachmittag.

Etliche Fotos davon werde ich in diesem Post verwenden, es gibt aber ein Web-Album, in dem noch viel mehr zu sehen sind. Und wie immer der Hinweis an dieser Stelle zur kleinen Anleitung, wie man dieses Album bedient.



Schulklasse von Anno dazumal


Das Eingangsgebäude ist sehr repräsentativ und modern



Mit den gesammelten Gebäuden ist, wie gesagt, ein komplettes Dorf aufgebaut worden. So gibt es dort einen Dorfplatz mit Gasthaus und Tanzboden, natürlich zahlreiche Bauernhöfe, aber auch eine Schule, eine Lehmwerkstätte sowie Handwerksbetriebe.

Schule

Lehrmaterial, zB Weinbau (wir sind im Weinviertel!)

Hefte

Schulklasse mit Rechenmaschine, Buchstabensatz und Tafel

Rechen-"Maschine", Buchstabensatz

Schulordnung, darüber das Kaiserbild

Schiefertafeln statt Papierheften für die ganz Kleinen. Daher auch der Ausdruck "Taferlklassler".

Schrank mit Tierpräparaten und drei Bänden "Brehms Tierleben"

Karte mit dem alten K&K-Österreich

Die Schule hat auch einen angeschlossenen Lehrgarten

Chill-Ecke des Lehrpersonals mit erholsamen Pflanzen.


Stadel zum Trocknen von Lehmziegeln

Quaderstock mit eingearbeitetem Stroh als Bewehrung



Ein paar Musterwände





Besonders interessant für uns war die Wagnerei, die aus Hollabrunn stammt, und dessen Besitzer Franz Halmschlag und dessen Sohn Franz ich noch persönlich kannte.
Nach der Pensionierung des Besitzers wurde das gesamte Gebäude 1981 hierher verpflanzt.



Radlbock mit frisch eingeschlagener Speiche

Neben Schiern ...

... wurden natürlich klassische Wagnerei-Produkte hergestellt

Blick in die Werkstätte:
vorne rechts ist noch eine Hobelmaschine erkennbar,
im Hintergrund steht die einfache Drehbank, wie sie auch mein Großvater (Hobbytischler) hatte.

Bandsäge

Infotafel zur Wagnerei Halmschlag



Nächste Station war eine Mühle. Der Zugang zum Mahlwerk war leider nicht möglich, dafür gab es Einblicke in die Wohnungen der Müllersleute und des Verwalters.

Wasserzuführung ...

... zum Mühlrad

Küche der Müllersleut

Nudelbrett und Nudelholz, darunter die ausziehbare Abwasch

Blick in das Wohnzimmer der Müller ...

... sowie das des Verwalters



Die Bauernhöfe hatten meist einen kleinen Vorgarten zur Straße hin.
Die Blumen dienten dem Eigenbedarf, wurden aber auch für Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse geschnitten.

Streckhof aus Pirawarth

Weinviertler Bank

In diesem Hof war auch eine Perlmutt-Knopffabrik untergebracht.
Die Knöpfe wurden aus Muschelschalen ausgebohrt und dann weiter verarbeitet.
Im unteren Regal sieht man dann die Reste der Muscheln.


Saustall (rechts) mit angeschlossener (links) ...

... Toilette

Taubenkobel

Gleditschie mit kräftigen Dornen








Die Tür zu dieser Toilette lädt zum Spechteln ein 😉
Wurde auch sicher gemacht!







Ein richtiges Dorf braucht natürlich auch ein Gasthaus und eine Greißlerei (Einkaufsladen).

Gasthaus ...

... zum Vogelkäfig? zum eisernen Bienenstock? ...zur Weinrebe?
Ich hab keine Ahnung, was das sein soll.
Das Wirtshaus stand in Poysdorf und hieß "Auf der Alm".

Gaststube, wieder mit Kaiser.

Schank

Greißlerei. Über dem Fenster hängt eine Uhr mit der Aufschrift "Victoria Tee"


Kegelbahn im Außenbereich des Gasthauses

Kegelbahn

Kegel

Tanzboden mit Bühne auf dem Dorfplatz


Neben dem Wirtshaus gab es auch eine richtige (nicht-museale) Gaststätte für Besucher des Museumsdorfes.

Tirol fehlt, aber ansonsten ist das Österreich-Schnitzel recht gut gelungen!



Sattlerwerkstätte

Links Taschen, rechts zwei sog. Köllazega, mit dem die Bauern Wein für den eigenen Bedarf vom Keller nach Hause transportierten oder zur Feldarbeit mitnahmen.

Die abgeschnittenen Weinreben wurden getrocknet und zu Bündel verschnürt. Super zum Anheizen des Ofens.
Hier zu sehen die Bündelpresse vor dem Verschnüren der Reben.

Maschine zum Holzklieben ("Scheitl kliam")

Schlauchturm der Feuerwehr

Blick in den Turm



An diesem Sonntag hatte auch ein echter Schuhmacher einen Stand. Wir haben dort gelernt, dass ein Schuster Schuhe nur reparieren durfte, ein Schuhmacher sie aber auch herstellen.

Diverse Lederarten. Oben Pferdeleder, darunter das von einem Rochen.

Schnitt durch einen Lederschuh

Fassbinder mussten ihr Material zunächst einige Zeit zum Trocknen lagern

Wir sind inzwischen in der Kellergasse.
Hier ein Blick in ein Presshaus, wo die Trauben angeliefert, gerebelt und gepresst werden.




Lutherische Kapelle aus Niederfellabrunn


Das Hutterer- / Täuferhaus war leider geschlossen.
Wäre aber sicher interessant gewesen.

Diese Fußschelle (Fußfessel, nicht elektronisch) plus Kette war für die Frau des Hutterer-Hauses bestimmt!

Die Kette läuft rechts am Haus vorbei, geht dann nach links und führt in das (leider verschlossene) Haus.
Die Kette begrenzte also den Wirkungsradius der Huttererfrau.
War mir nicht bewusst, dass bei den Hutterern derart strenge Bräuche herrschten!
Die Hutterer leben heute in Amerika und sprechen immer noch den bairisch-österreichischen Dialekt des 16. Jahrhunderts.



Der lange Streckhof ist den Südmährern, ihrem Brauchtum und ihrer Vertreibung gewidmet.



Diese sog. Schraubendampfer wurden auf normale Straßenschuhe geschnallt / geklemmt (festgeschraubt).
Hab ich in meiner Kindheit auf dem Eislaufplatz noch gesehen.

Kinderschlitten

Kirtagszenen

Baseball, südmährische Art.


Im Stadel lagerten ein kompletter Glockenstuhl samt Glocken ...

... sowie eine Zwiebel-Kirchturmspitze

Weintransporter

Büro von Leopold Figl (1953).
Zu dieser Zeit war er nicht mehr Bundeskanzler, sondern Außenminister.


Attraktion vor allem für Kinder: Der lebende Bauernhof mit seinen Tieren.



Nicht zu vergessen: Es gibt in der Kellergasse auch eine Vinothek. Der Riesling und der Grüne Veltliner haben uns so überzeugt, dass wir gleich ein paar Flaschen mitgenommen haben.

Alles in allem ein schöner Ausflug in die Welt von Gestern. Ein lohnendes Ziel, Einstand der NÖ-Card voll gelungen!



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