Montag, 30. September 2019

Bulgarien-Rundreise 2019 - Teil 4

Teil 4 führt uns zu unserem letzten Thrakergrab in Alexandrowo, zur Kult- und Orakelstätte Perperikon, zur Orpheusstätte Tatul, in die Kulturhauptstadt 2019 Plowdiw, in das Kloster Batschkowo, zur Kirche Bojana und noch einmal in die Stadt Sofia, wo wir das Historische Museum mit seinen unglaublichen Goldschätzen aus der Thrakerzeit besuchten.


Thrakischer Goldschatz von Panagjurischte



Freitag, 20. September


Thrakergrab Alexandrowo


Noch einmal ein Thrakergrab, diesmal wieder eine Nachbildung, aufgebaut in einem ganz neuen Museum. Das Grab wurde erst im Jahr 2000 zufällig enteckt, als Archäologen bei einem Hügel frisch aufgeschüttete Erde fanden; verdächtig, offensichtlich waren hier Grabräuber am Werk. Das Gelände wurde gesichert und es begannen umgehend professionelle Grabarbeiten. Zum Vorschein kam eine der größten Grabanlagen des Landes.

Zum Grab führt ein 15m langer Gang, das Grab selbst besteht wieder aus Vor- und Hauptkammer. Diese ist mit Jagdszenen verziert, deren Farben so frisch sind, als wären sie erst kürzlich aufgetragen worden. Im Artikel der Wikipedia sind die Malereien ausführlich beschrieben.


Ein langer Gang ...

... führt zu Vorkammer und Grab

Vorkammer

Links ist ein Diener zu erkennen, der der Person rechts von ihm in einem Horn Wein reicht.
Rechts von diesem sitzen der Herrscher und seine Frau, beide halten sich an der Hand (ähnlich wie in Kasanlak)

Jagdszene. Die Doppelaxt deutet darauf hin, dass der Nackte ganz rechts der Herrscher sein dürfte.



Blick nach oben.
Der Schlussstein ist rot, schwarz und weiß bemalt. Rot steht für den Sonnenaufgang, schwarz für den -untergang. Die beiden weißen Felder bilden die Doppelaxt.

Der tote Herrscher wurde auf dieses Steinbett gelegt
Hier endlich einmal ein Foto von Zdravko, unserem Fahrer. Immer fürsorglich, immer zuvorkommend!

Chaskowo



Wir fuhren bereits am frühen Nachmittag in unser Hotel in Chaskowo, zur Abwechslung hatten wir einmal freie Zeit. Leider lag das Hotel ziemlich abseits und die Stadt Chaskowo selbst bietet auch nicht wirklich viel. Wir blieben also im Hotel und genossen den freien Nachmittag.

Am Abend fuhren wir in ein "französisches" Lokal. Es zeichnet sich dadurch aus, dass die Tische in eigenen Räumen oder Nischen stehen. Unser Restaurant hatte noch dazu reich verzierte Holzdecken zu bieten.

Restorant Alafrangnts




Nach dem Abendessen genehmigten wir uns noch Cocktails an der Hotelbar, die uns die Dame von der Rezeption zubereitete. Nach einiger Zeit stellten wir fest, dass sie ausgezeichnet deutsch sprach. Sie erzählte uns dann, dass sie sieben Jahre lang in Passau gelebt, dort studiert und ihren zukünftigen bulgarischen Mann kennengelernt hatte. Bei der Überlegung, ob sie in Deutschland bleiben oder nach Bulgarien zurückkehren sollten, entschieden sie sich für Bulgarien. Also zur Abwechslung einmal jemand, der nicht auswanderte, sondern im Gegenteil, wieder zurückkehrte!

Toller Sonnenaufgang ...

... am nächsten Morgen.
Direkt vom Hotelbalkon aus aufgenommen.


Samstag, 21. September


Perperikon


Auf der Fahrt nach Perperikon machten wir bei einem Gemüsestand Halt, der direkt an der Straße lag.

Kürbisse, bergeweise

Tomaten, Knoblauch, Zwiebel


Ziel unserer Fahrt war aber eben Perperikon. Das ist kein Tippfehler, sondern das erste "Per" steht für "hyper" bzw. "super". Der restliche Name "Perikon" hat unterschiedliche Bedeutungen, die Forschung ist sich noch nicht so ganz klar darüber, welche die richtige ist. Die Deutungen reichen von "Feuerstätte" (pyros, Pyrotechnik, Pyromane), die auf die Feuerkulte anspielen, bis zur Goldwährung "Perper", was auf die Reinheit des Goldes abzielt.

Tatsache ist aber, dass es hier bereits in der Bronzezeit eine Kultstätte gab. Sie wurde später von den Thrakern übernommen, stark ausgebaut und war deren Zentrum in den östlichen Rhodopen. Auch die Römer nutzten die Stadt als ihr Zentrum auf dem Balkan, ebenso die Byzantiner nach der Teilung des Römischen Imperiums. Perperikon war Kultstätte für Orpheus und als Orakelstätte ebenso bekannt wie Delphi. Bei der Eroberung des Gebietes durch die Osmanen wurde die Stadt vollständig zerstört und die Reste als Steinbruch für andere Bauwerke verwendet; daher finden sich heute praktisch nur noch Grundmauern wieder, aber keine weiteren Steine, die einmal die Häuser bildeten. Danach wurde Perperikon der Natur überlassen, die sie im Laufe der Jahrhunderte mit Erde und Pflanzen überwucherte.

Die Ausgrabungen laufen erst seit dem Jahr 2000; obwohl das Perperikon, das es heute zu besichtigen gibt, eine riesige Anlage ist, sind dennoch etwa 90% immer noch unter einer Erdschicht verborgen. Die Arbeit für die Archäologen ist also für die nächsten Jahrzehnte hier gesichert!


Für leibliches Wohl wird am Parkplatz gesorgt
Die Führung war auf englisch, wieder einmal sehr informativ und kompetent.
Den Namen der Führerin hab ich leider vergessen.









Kultplatz

Ganz oben war eine der beeindruckendsten Stellen: ein Wassersammelbecken, von Hand in den Felsen geschlagen

mit Überlauf

Reste einer Kirche mit Resten einer Kanzel


Gräberfeld

Die Gräber waren nur flache Ausnehmungen im Fels

weiteres Grab

Weinpresse. Die Trauben wurden mit Füßen gestampft, der Saft floss dann durch die Öffnung nach unten

Aktuelle Ausgrabung. Hier wartet noch viel Arbeit!




Nach dieser beeindruckenden Stätte fuhren wir nach Mudrets zu einem Lokal, das das lokale Reisebüro als Geheimtipp ausgewählt hatte. Es sollte Recht behalten!

Zdravko war skeptisch, aber das Navi hat uns wirklich ans Ziel gebracht!

Unscheinbarer Eingang

Dahinter tut sich ein wunderschöner Garten auf. Im Hintergrund das Haus der türkischen Familie, das auch als kleines Hotel dient.



Die blauen Augen gegen den bösen Blick dürfen bei Türken nicht fehlen


Tatul


Nach dem Mittagessen ging es weiter nach Tatul. Dort erwartete uns ein thrakisches Felsengrab, angeblich das Grab von Orpheus; jedenfalls war Tatul eine Kultstätte für Orpheus.

Auf der Fahrt nach Tatul

Hier vertraute Zdravko dem Navi ausnahmsweise nicht, daher fuhren wir zunächst einen Feldweg hinauf, der dann zu einer Alm führte.

Almlandschaft um Tatul

Auf dem Parkplatz saß eine kleine Katze, die hauptsächlich aus Ohren zu bestehen schien.
[Foto: Hella]

Orpheus-Kultstätte Tatul


Grab für einen thrakischen Herrscher.
Ganz oben ist noch einmal ein Sarkophag in den Fels gemeißelt, den man aber von hier aus nicht sieht.


Der Hase war natürlich auch dabei

Manche ...

... wollten es ganz genau wissen.

Felix im Sarkophag am Gipfel. Ahoi!



In Bulgarien gibt es den Brauch der Marteniza. Im März verschenkt man im Freundeskreis rot-weiße Fäden oder Armbänder. Die trägt man dann so lange, bis man ein Frühlingszeichen entdeckt: einen Storch, eine Schwalbe oder einen blühenden Baum. Dann (aber spätestens am 1. April) hängt man diesen Glücksbringer an einen Baum.
Wichtig sind die Farben: rot steht für Gesundheit (rote Backen), weiß für hohes Alter (Haarfarbe).
Dieser Brauch ist immaterielles UNESCO-Welterbe Bulgariens.


Danach fuhren wir nach Plowdiw, unserer vorletzten Station der Reise.

Im Restaurant, in dem wir unser Abendessen hatten, gab es ein ganz spezielles Bild!



Sonntag, 22. September


Plowdiw


Plowdiw ist die zweitgrößte Stadt des Landes und sehr lebendig. Möglicherweise kam dieser Eindruck auch daher, dass es Sonntag und somit Wochenende war; und außerdem ist der 22. September Nationalfeiertag. Er erinnert an die vollständige Unabhängigkeit des Landes, die Bulgarien 1908 erlangte und damit an den Beginn des Dritten Bulgarenreiches. Und nicht zu vergessen: Plowdiw ist 2019 Europäische Kulturhauptstadt (gemeinsam mit Matera in Apulien). Auch diese Tatsache zieht natürlich viele Touristen an. All das wird sich dann auf den Fotos wiederfinden.

Die Stadt hat ihren Namen von ihrem Gründer Philipp II., dem Vater von Alexander dem Großen. Zu seiner Zeit hieß sie Philippopolis (Stadt Philipps) und dieses Philippopolis wurde so lange sprachlich glatt geschliffen, bis daraus Plowdiw wurde. Da die Stadt auf drei Hügeln liegt, nannten sie die Römer übrigens Trimontium (drei Berge).

Wir hatten den ganzen Vormittag Zeit für einen ausgedehnten Stadtspaziergang, dementsprechend viel haben wir auch von der Stadt gesehen.





Ah ja, Nationalfeiertag, Unabhängigkeit

Fernsehen ist auch da

letzte Adjustierungen

Überall Trachten

Dieses sehenswerte Haus (1847) ist ein typischer Vertreter aus der Zeit der Wiedergeburt. Heute ist darin das Ethnografische Museum untergebracht

Diverse Gürtelschnallen

Schneiderwerkzeug: Schere, Bügelpresse, Bügeleisen

Trachten


Auch in Bulgarien gibt es strenge Winter, deren Geister mit diesen Perchten vertrieben werden müssen.

Das sind Sicherheits-Erntehandschuhe. Mit den Haken kann man das Getreide zu sich ziehen, das Holz schützt die Finger vor Schnittwunden durch die Sichel

Bratpfanne, in der der Braten nicht in seinem eigenen Saft schmort, sondern darüber liegt.

Wohnungseinrichtungen. Von einfach

Einfache Wohnung

... über mittleren Standard ...

... bis zu gehobenem Standard

Auf solchen senkrechten Webstühlen werden ...

... diese Teppiche gewebt. Die Technik und das Muster sind immaterielle UNESCO-Welterbe.

Der Garten um das Haus ist von einer Mauer umgeben. Damit die Bewohner aber nicht gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten sind, gibt es dieses "Klatschhäuschen" mit bester Aussicht auf die Straße!

Einer der drei Hügel ist der Nebet Tepe; hier kann man noch Überreste der thrakischen Siedlung sehen; und von hier aus hat man einen herrlichen Ausblick auf die Stadt

Panaorama vom Nebet Tepe
Dort oben haben wir auch echt goldene, thrakische Schuhe gesehen!

Vorbereitungen für eine Hochzeit


Konstantin und Helena-Kirche

Eingang zur Konstantin und Helena-Kirche


in der Kirche

Das Lamartinhaus heißt so, weil der französische Schriftsteller Alphonse de Lamartine hier Gast war.

In den 1970er-Jahren wurde hier für die Kanalisation gegraben. Dabei stieß man in 15m Tiefe rein zufällig auf dieses wirklich große Theater aus der Römerzeit.

Der Hase war auch dabei - und dort blieb er auch. Ich hab ihn leider in Plowdiw auf diesem Stein vergessen...

An diesem Sonntag gab es wirklich viele Hochzeiten; so wie hier vor der Maria Himmelfahrts-Kirche.
Praktisch: gleich gegenüber ist das Standesamt.

Es war nicht nur Sonntag, sondern es war eben auch Unabhängigkeitstag. Es wurden offenbar viele hungrige Gäste erwartet.



Das Kapana-Viertel ("die Falle") war früher Zentrum der Handwerker; heute finden sich dort viele Kunsthandwerks-Läden und vor allem viele Lokale.

Herausragendes Zentrum in diesem Viertel ist die Dschumaja-Moschee


Mitten in der Stadt gibt es ein weiteres römisches Überbleibsel: Das langgezogene Stadion liegt großteils unter dem Alexander-Boulevard (Fußgängerzone), nur der Kopfteil ist freigelegt.

Fußgängerzone auf dem Alexander-Boulevard. Unter uns liegt der Längsteil des Stadions

CocaCola

Plowdiw ist 2019 gemeinsam mit Matera Europäische Kulturhauptstadt

Das antike Plowdiw ist auf der Warteliste der UNESCO-Welterbestätten; uns hat aber auch die moderne Stadt sehr gut gefallen.


Kloster Batschkowo


Ebenfalls auf dieser Warteliste steht das Kloster Batschkowo. Es liegt am Rand der Rhodopen etwa 30km südlich von Plowdiw und ist eines der wichtigsten religiösen Zentren Bulgariens. Zur Wiederholung: es war Sonntag und noch dazu Unabhängigkeitstag, sodass wirklich, wirklich viele Menschen dort versammelt waren!

Das Kloster besteht aus zwei Höfen, in jedem davon steht eine Kirche. Getrennt werden die Höfe durch das Refektorium (Speisesaal).


Schon bei der Anfahrt zum Parkplatz musste sich unser Bus durch die Menschenmassen pflügen

Eingang zum Kloster


Ein seltener Urweltmammutbaum gleich beim Eingang

Erster Hof. Die Wallfahrer dieser langen Schlange warteten wieder einmal geduldig ...

... bis sie zu dieser Ikone vordringen konnten

Im Inneren der Kirche des ersten Hofes







Die vergleichsweise kleinen Früchte der Lotuspflaume werden zu Schnaps gebrannt. Eine ganze Pflaume wird dann zusätzlich noch in die Flaschen gegeben.

Auf einem Flügel des Refektoriums gibt es eine große Wandmalerei. Sie erzählt die Geschichte der Klostergründung

Das Kloster wurde nach dem Fund einer Ikone gebaut, einmal pro Jahr wird diese Ikone im Rahmen einer Prozession vom Kloster zum ursprünglichen Auffindungsort getragen.
Auch das Innere des Refektoriums ist reich bemalt
[Foto: Hella]
Durchgang in den zweiten Hof


Kirche im zweiten Hof

Wieder zahlreiche Wandmalereien. Hier ist das jüngste Gericht zu sehen; die Guten warten auf den Einlass ins Paradies.
Links oben ...

... hat sich der Maler in einem Selbstporträt verewigt.


Nach dem Besuch des Klosters fuhren wir zurück nach Sofia, womit sich der Kreis unserer Rundreise schloss.

Sämtliche Straßen außerhalb Sofias (auch solche wie auf dem Foto) sind mautpflichtig (EUR 50,-- pro Jahr). Immer wieder weisen solche blauen Tafeln am Straßenrand darauf hin.

Mautkontrolle

Einfahrt nach Sofia

Capital Fort, ein modernes Bürogebäude

Solche Kabäuschen zur Verkehrsregelung gab es auch bei uns.

Nach dem Abendessen: Alexander Newski-Kathedrale bei Nacht


Montag, 23. September


Sofia


In Sofia hatten wir noch zwei Stationen. Zunächst die im Süden der Stadt gelegene Kirche Bojana, wiederum eine UNESCO-Welterbestätte, wiederum Fotografierverbot, eigene Führung und nur kurzer Aufenthalt in einem klimatisierten Innenraum.

Schade. Gerade die Fotografierverbote finde ich nicht ganz angebracht; denn beim Fotografieren ohne Blitz passiert den Malereien rein gar nichts. Mache Stätten verlangen extra Gebühr für Fotos, womit ich einverstanden bin. Aber mit komplettem Verbot hab ich Verständnisprobleme.

Kirche daher nur von außen




Die zweite Station war dann das Nationale Historische Museum Sofia. Das Gebäude war in sozialistischer Zeit ein Repräsentationsgebäude, was man dem Haus sowohl außen als auch innen noch ansieht. Im Inneren gibt es aber wirkliche Schätze zu sehen!


Prunkklotz aus der sozialistischen Ära

Innenansichten


Dieser Schatz ist noch aus Kupfer

Das Prunkstück des Hauses und wahrscheinlich ganz Bulgariens der Thrakerzeit: der Goldschatz von Panagjurischte.
Er besteht aus neun Gefäßen, alle aus reinem Gold, in Summe über 6kg schwer!

Amphoren, Trinkgefäße

Diese Amphore ist das größte Einzelstück des Schatzes

Opferschale (Phiale)



Grabbeigabe in Form eines goldenen Buches aus einzeln gearbeiteten goldenen Blättern.

Goldener Blattkranz, wie wir ihn schön öfter gesehen hatten





Zur Abwechslung nicht Gold, sondern Silber.

Büste des Freiheitskämpfers Wassil Lewski


Schnell noch Mitbringsel für die Enkelkinder besorgen; der Weg zum Einkaufszentrum führt über die "Brücke der Verliebten" ...

... und vorbei am Kulturpalast.

Ganz, ganz zum Schluss noch eine Stunde in der Fußgängerzone, danach ging's dann schon zum Flughafen.

Auf Wiedersehen, Sofia!



* * * * * * *

Das war also unsere Rundreise durch Bulgarien. Unglaublich, was wir in diesen 12 Tagen alles gesehen haben. Ich hab einmal zusammengezählt und bin auf 26 Stätten gekommen, die wir besucht haben. Klar, dass dann der Reisebericht und das Album so groß ausfallen, wie sie eben ausgefallen sind.

Das Land war für uns zuvor ein weißer Fleck auf der Landkarte, ich gestehe es. Jetzt ist es das nicht mehr. Wir durften ein Land kennenlernen, das unglaublich reich an kulturellen Schätzen und Sehenswürdigkeiten ist. Ich hoffe, ich konnte mit diesem Bericht einen kleinen Eindruck davon vermitteln.

Nachahmung wirklich empfohlen!

Ende des Reiseberichts.

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