Freitag, 21. September 2018

Urheberrecht im EU-Parlament

Der erste Anlauf im Juli war noch knapp gescheitert, aber beim zweiten Mal (12. September) hat das EU-Parlament das neue Urheberrecht mit großer Mehrheit durchgewinkt; dabei waren die Änderungen, die in der Zwischenzeit vorgenommen wurden, eher gering.

Sowohl Gegner als auch Befürworter hatten sich eine wahre Lobbyistenschlacht geliefert und viel Geld in die Hand genommen; am Ende des Tages knallten die Sektkorken dann in den Redaktionen und Verlagshäusern.


Quelle: pixabay


Zu Recht? Oder handelt es sich dabei eher um einen Scheinsieg? 


Im Wesentlichen ging es um zwei Punkte:

  1. Sind Online-Plattformen wie facebook oder YouTube bei Verstößen gegen das Urheberrecht straf- bzw. haftbar?
  2. Dürfen Zeitungen, Zeitschriften, Verlage oder sonstige Rechte-Inhaber Geld dafür verlangen, wenn Suchmaschinen in ihren Trefferlisten bereits kleine Ausschnitte / Zitate aus dem Gefundenen anführen?
Beide Fragen wurden vom Parlament am 12. September mit "Ja" beantwortet.

Urheberrecht und Online-Plattformen

Wenn man sich facebook oder YouTube ansieht, fällt sofort auf, dass unzählige Clips Material verwenden, für das deren Schöpfer garantiert keine Rechte haben. Das können Fotos sein, die einfach so verwendet oder verfremdet werden, oder Musikbegleitung für selbstgebastelte Videos und so weiter. Das Thema ist so alt wie die Online-Plattformen selbst. 

Aber bisher waren die Plattformen nicht dafür haftbar, sondern allenfalls derjenige, der das Video hochgeladen hat. Das soll sich nun ändern, indem die Verantwortung bzw. Haftung zu den Plattformen verschoben wird. Da diese Plattformen wenig Lust haben, ständig in irgendwelche Verfahren verstrickt zu werden, müssen sie sich also etwas Anderes einfallen lassen, etwas, das möglichst automatisch die hochgeladenen Dinge auf Urheberrechtsverstöße checkt und im Zweifelsfall aussortiert: Die immer wieder genannten Upload-Filter kommen hier ins Spiel.

Die sind technisch durchaus schon in der Lage, solche Aufgaben zu übernehmen; sie haben allerdings noch eine relativ hohe Fehlerrate. Erst vor kurzem etwa wurde die Unabhängigkeitserklärung der USA in facebook blockiert, weil sie laut dem eingesetzten Uploadfilter "hate speech" enthält (ich hab im Juli dazu schon berichtet). Ähnliches ist in anderen Fällen zu erwarten, weil diese Filter von den Plattformen eher defensiv ausgelegt werden; also lieber einmal zuviel ausfiltern als einmal zuwenig.

Im Vorfeld wurde von den Gegnern dieser neuen Regelung immer wieder ins Spiel gebracht, dass die Kreativität im Netz darunter leiden wird; manche haben sogar von Zensur gesprochen. Satire, Verfremdungen, Meinungen ("Memes"), die auf fremdem, an sich geschütztem Material aufbauen, werden dadurch erschwert bis unmöglich gemacht. Ich bin  sicher, dass Sites wie etwa 9gag.com erhebliche Probleme bekommen werden. Wenn die mit dem Filter Ernst machen, wird nicht viel Inhalt auf 9gag übrig bleiben und die Site könnte für die Betrachter eher uninteressant werden.

Bei diesem Punkt bin ich bereit, noch einigermaßen Verständnis aufzubringen - immerhin handelt es sich um geschütztes Material, für das jemand seine eigene Kreativität und Arbeitszeit zum Einsatz gebracht hat. 

Ich selbst nehme das Thema in meinem Blog sehr ernst. Entweder poste ich überhaupt nur eigene Fotos, oder ich geb die Quelle an, wenn es sich um freies Material handelt. Oder - wie in einem Fall beim Reisebericht über Südtirol - hole ich das Verwendungsrecht beim Inhaber schriftlich ein (Foto von einem Fresko auf der Burg Eppan).


Zitate in Trefferlisten der Suchmaschinen

Hier haben sich vor allem Zeitungs- und Zeitschriftenverlage stark dafür eingesetzt; an vorderster Front der Axel Springer-Verlag ("Bild"). Sie wollen nämlich, dass Google (stellvertretend hier für alle Suchmaschinen) dafür zahlt, wenn sie in den Trefferlisten bereits ein paar Wörter als Zitat verwenden - Stichwort Leistungsschutzrecht.

Gemeint sind die Text-Schnippsel, die ich rot eingerahmt habe. Dafür möchten die Verlage in Zukunft Geld sehen.

Als Anwender möchte ich das aber unbedingt haben, denn es erleichtert mir die Entscheidung, ob ein  Treffer nun der richtige sein könnte oder nicht. Das ist ein Service, das Google unentgeltlich zur Verfügung stellt, sowohl den Suchenden, als auch denen, die gefunden werden wollen - und wer von den Inhalte-Anbietern möchte das nicht? Geld verlangt Google erst, wenn ein Anbieter möglichst weit oben in der Trefferliste stehen möchte und dieser Treffer mit "Anzeige" gekennzeichnet wird.

Diese neue Regelung (Leistungsschutzrecht) ist für Deutschland gar nicht so ganz neu, denn sie ist seit 2013 geltendes Recht; sie wurde "lediglich" auf ganz Europa ausgedehnt. Aber siehe da, dieses Recht ist bis jetzt nicht durchsetzbar. Weil nämlich selbst den Verlagen klar wurde, dass sie von Google totgeschwiegen werden, sollten sie wirklich Geld dafür verlangen. Sie sind daher großzügigerweise dazu übergegangen, Google diese Schnippsel zum Preis von null Euro zu überlassen. Immerhin leben sie ja von der Werbung auf ihren Seiten, und das umso mehr, je mehr Leute ihre Seiten ansurfen. Und wann tun die das? Richtig, wenn sie in der Google-Trefferliste aufscheinen. Wer in der Trefferliste nicht dabei ist, wird nicht angeklickt. So einfach ist das.

Wie man an meiner Ausdrucksweise leicht erkennen kann, hab ich für diesen zweiten Punkt so überhaupt kein Verständnis. Vielmehr muss ich davon ausgehen, dass man in den Verlagen den Charakter und die Funktionsweise des Internets noch nicht so ganz verstanden hat. Verstärkt wird dieser Eindruck noch, wenn es von dort heißt, dass der Begriff "klein und kleinster Ausschnitt" sehr restriktiv gehandhabt werden soll; die Rede ist von 5 bzw. 3 Wörtern. Da geht sich nicht einmal der Titel der Seite bzw. des Artikels aus, geschweige denn ein erklärender Text-Schnippsel.

Wohltuende Ausnahme ist bei alledem wieder einmal der heise-Verlag; offenbar sorgt der tägliche Umgang mit dem Medium Internet dort doch für ein tieferes Verständnis. Dieser Verlag hat nämlich bereits 2013 eine Erklärung veröffentlicht, die meiner Meinung nach genau in die richtige Richtung geht:

[...] Daher legen wir Wert darauf, unseren Nutzern noch einmal klar öffentlich zu erklären, dass Links auf und kurze Textausschnitte/Snippets aus unseren Publikationen weiter höchst willkommen sind und dass dies weiterhin keiner Erlaubnis des Verlages bedarf oder gar Geld kostet. Selbstverständlich werden wir auch niemanden deswegen abmahnen oder auf eine andere Weise dagegen juristisch vorgehen. Als Richtlinie hier gilt: Erlaubt ist zum Beispiel die Übernahme der Artikelüberschrift nebst Anrisstext oder eine vergleichbare Textlänge. [...]
Das ist allerdings genau die umgekehrte Richtung, in die der Parlamentsbeschluss geht.

Sonstiges

In Wirklichkeit ist alles natürlich noch viel komplizierter; ich hab mich bemüht, diese sperrige und komplexe Materie halbwegs vereinfacht zu erläutern. Die Regelungen für Nachschlagewerke, Cloud-Anbieter, private Sicherungen in der Cloud, Sportveranstaltungen (besonders krass: sogar Selfies im Stadion wären verboten), Handelsplätze (Leseproben bei amazon.de, buecher.de, thalia.at etc.) und vieles mehr: hab ich einfach weggelassen, um das große Bild nicht zu zerstören. 

Wer sich näher dafür interessiert, sei an diverse Artikel des bereits oben erwähnten heise-Verlags verwiesen:

Wie geht es weiter?

Der Beschluss des EU-Parlaments war nur ein Schritt, dem noch viele weitere folgen werden. Zunächst geht die Materie in den sogenannten Trilog, also in Verhandlungsrunden zwischen dem Parlament, der Kommission und den Mitgliedsländern. Das wird eine Weile dauern und es kann/wird dabei noch zu einigen Adaptierungen kommen. Die Regelung ist als EU-Richtlinie entworfen, es müssen also auch noch die Parlamente der Mitgliedsländer diese Materie in nationales Recht umsetzen. Dafür bekommen  sie üblicherweise ein paar Jahre Zeit.

Kurz: bis das wirklich schlagend wird, wird noch einiges Wasser die Donau hinabfließen. Aber kommen wird es.

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