Sonntag, 30. September 2018

Was vom Tage übrig blieb. Monatsrückblick September 2018

Die Sommerpause ist zu Ende, alle sind wieder aus dem Urlaub zurück, alle haben wieder ihre Arbeit aufgenommen. Dementsprechend war wieder allerhand los!

  • Die Hausdurchsuchung im BVT wird in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet
  • Gleich zwei Veröffentlichungen, die sich mit dem geistigen Zustand von Donald Trump befassen
  • Wahlen in Schweden und auf den Malediven
  • Der türkische Präsident auf Good Will-Tour
  • Der spanische Diktator Franco wird exhumiert und umgebettet
  • Friedensschluss zwischen Äthiopien und Eritrea
  • Die EU setzt erste Maßnahmen zu Polens Justizreform
  • Einzelfälle, diesmal auch auf höchster politischer Ebene
  • Die Berliner Schaubühne bricht ihre Tournee durch China ab
  • Das Urheberrecht im EU-Parlament
  • Ein Einzelner verhinderte den dritten Weltkrieg
  • Brand des Brasilianischen Nationalmuseums
  • Explosive Kerze
  • Bier wurde schon vor langer Zeit gebraut
  • Moorbrand in Norddeutschland
  • Erdbeben und Tsunami in Indonesien
  • Ig-Nobelpreise 2018 wurden verliehen
  • Eine Granate als Briefbeschwerer
  • All You Can Eat - oder doch nicht?
  • Wasserleiche in Steyr - oder doch nicht?

Die uneingeschränkte Pressefreiheit ist ein wichtiges Gut jeder funktionierenden Demokratie
Quelle: pixabay



Politik


Im Parlament hat der BVT-Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufgenommen. Da soll aufgeklärt werden, wer warum wen wie und zu welchem Zweck die Aufsehen erregende Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Auftrag gegeben hat. Wie dabei vorgegangen wurde, welche Daten eingesammelt wurden und so weiter. Nach anfänglichen Problemen (Akten wurden nicht angeliefert, es musste erst der Verfassungsgerichtshof eingeschaltet werden) dürfte der Ausschuss bis jetzt recht gute Arbeit leisten. Die wird aber noch Monate in Anspruch nehmen, sodass ich realistischer Weise erst wieder nach deren Abschluss davon berichten werde.


In den USA gab es kurz hintereinander zwei Veröffentlichungen, die den Geisteszustand des Präsidenten in Frage stellen. Da war einmal das neue Buch von Bob Woodward "Fear. Trump in the White House". Darin beschreibt der Autor, der seinerzeit gemeinsam mit einem Kollegen die Watergate-Affäre aufdeckte, wie es im Weißen Haus derzeit zugeht. Angeblich zugeht. Denn die große Schwäche dieses Buches ist, dass es keine Belege und keine Zeugen für all den Wahnsinn gibt, der darin vorkommt.

Und nur einen Tag später veröffentlicht die New York Times einen anonymen Artikel auf der Titelseite, in dem offenbar ein Mitarbeiter aus dem innersten Kreis um den Präsidenten aufdeckt, dass eben jener Kreis alles Mögliche unternimmt, um die schlimmsten Dinge zu verhindern ("keine Sorge, es sind Erwachsene im Raum"): da verschwinden Akten, damit D.T. sie bloß nicht unterschreibt, es wird ihm der Geisteszustand eines Zwölfjährigen attestiert, etc. Auch hier wieder: klingt alles plausibel, ja, so stelle ich mir den Alltag in diesem Irrenhaus auch vor. Aber das Ganze ist halt leider "nicht belastbar", wie das neuerdings heißt - weil eben anonym. Klar, dass der Präsident tobt und den Maulwurf sucht; aber bisher hat sich noch keiner aus der Deckung gewagt.


Auch die Wahl in Schweden brachte einen Rechtsruck, indem die populistischen Schwedendemokraten stark an Stimmen zulegen konnten; allerdings weit nicht so stark wie vorhergesagt: statt der erwarteten 25 Prozent wurden es "nur" knapp 18. Aber dennoch: ohne sie wird eine Regierungsbildung schwierig werden.


Ganz anders als erwartet ging die Wahl auf den Malediven aus, denn dort gewann völlig überraschend die Opposition; der noch amtierende Machthaber hat seine Niederlage bereits eingestanden. Ob die Wahl tatsächlich einen Machtwechsel bewirkt, ist aber noch fraglich, denn das Militär steht hinter der derzeitigen Regierung.


Dass es der Türkei wirtschaftlich nicht besonders gut geht, hat sich inzwischen ja herumgesprochen. Ihr Präsident ist daher dabei, die Beziehungen zu Deutschland und Österreich wieder zu normalisieren, Ende September war er auf Staatsbesuch in Deutschland. Allerdings gibt es da noch bedeutende Hindernisse, etwa die Geiseln, die die Türkei nach wie vor hält; im September sind wieder zwei dazu gekommen. Oder die eingeschränkte Pressefreiheit oder der eingeschränkte Zugang zum Internet (Wikipedia ist in der Türkei seit mehr als einem Jahr blockiert).


Nördlich von Madrid steht das Mausoleum für Franco, das in den letzten Jahrzehnten immer mehr zur Pilgerstätte für Ewiggestrige geworden ist. Nach langem Tauziehen mit den Nachkommen Francos kann er jetzt endlich von dort woandershin umgebettet werden und das Mausoleum soll zu einer Gedenkstätte für die Zeit der Franco-Diktatur umgebaut werden. Vielleicht nimmt sich Spanien nach mehr als 40 Jahren doch noch seiner Vergangenheit an. Man muss aber gar nicht mit dem Finger auf Spanien zeigen, in Österreich begann dieser Prozess der Vergangenheitsbewältigung ja auch erst in den 1980er-Jahren...


Ein Jahrzehnte lange dauernder Krieg konnte in Ostafrika beendet werden. Äthiopien und Eritrea unterzeichneten einen formellen Friedensvertrag! Wünschen wir den Menschen dort, dass der Friede jetzt auch in den Alltag einkehrt!


Für Polen gibt es die ersten Auswirkungen, dass dort die Justiz systematisch ausgehöhlt wird (es gibt ja bereits ein laufendes Artikel 7-Verfahren deswegen). Polnische Juristen wurden als Mitglieder des EU-Juristen-Zirkels European Network of Councils for the Judicary (ENCJ) suspendiert.

Und als nächsten Schritt im oben angesprochenen Artikel 7-Verfahren hat die Kommission Polen beim EuGH verklagt - per Eilverfahren, denn die Zeit drängt. Im April 2019 sollen die nächsten Schritte der polnischen Justizreform in Kraft treten.


Einzelfälle


Einen ganz heftigen Einzelfall gab es vom Wehrsprecher der so arg von Einzelfällen gebeutelten Partei. Ganz im Stile Rommels wollte der nämlich Land in Afrika militärisch besetzen, um so Platz für Flüchtlingslager zu schaffen. Nach dem öffentlichen Aufschrei zog er natürlich erst einmal die Opferkarte und wurde leider, leider falsch zitiert. Erst als der Originalwortlaut veröffentlicht wurde, war klar, dass er es sehr wohl genau so gesagt und gemeint hatte. Inzwischen ist wieder Gras über die Sache gewachsen und kaum jemand erinnert sich noch daran.


Der stellvertretende Parteichef in Pinkafeld trat zurück, nachdem er rassistische Postings auf facebook in Schutz genommen hatte.


Noch einen Einzelfall gibt es, diesmal auf höchster Ebene. Da sollte Hubert Keyl oberster Verwaltungsrichter werden, auf Vorschlag der FPÖ - daher scheint dieser Fall auch in dieser Rubrik auf. Wes Geistes dieser Kandidat ist, hat Oliver Pink in der Presse recht gut beschrieben (sehr lesenswert). Nach gewaltigem öffentlichen Druck, der dann auch noch vom Koalitionspartner verstärkt wurde, zog der Kandidat dann selbst zurück. Aber wie Oliver Pink schreibt: der nächste Fall wird kommen...


Und da ist er auch schon! Das ging schneller als erwartet! Da wurde eine Email aus dem Innenministerium öffentlich, in der überlegt wurde, gewissen Medien, die nicht genehm über das Ministerium berichten, nur noch die allernötigsten Informationen zukommen zu lassen; die guten Medien sollten weiterhin mit weitreichenden Daten versorgt werden. Der Aufschrei war so groß, dass sogar Bundespräsident und Bundeskanzler dazu öffentlich Stellung nahmen, obwohl sie gerade in New York bei der UNO-Vollversammlung waren. Der Rückzieher des Ministers erfolgte zwar, allerdings nur widerwillig und unter Schuldzuweisung an einen untergeordneten Beamten: er selbst hätte davon gar nichts gewusst und so weiter - das Übliche halt. Ein unerhörter Schritt in Richtung Orbánisierung!

Der ORF hat das Thema in "Willkommen Österreich" recht schön aufbereitet!






Gesellschaft


Da soll noch einer sagen, Theateraufführungen sind wirkungslos. Die Berliner Schaubühne war auf Tournee in China und brachte ein Stück (Ibsens "Volksfeind") auf die Bühne, in dem auch das Publikum mit eingebunden war. Die Zuschauer haben Fragen nach ihrem Umfeld und ihrem Befinden überraschend ehrlich beantwortet. Zu ehrlich jedenfalls für die politische Aufsicht. Die Folge war, dass daraufhin rein zufällig die Bühne in Nanjing (der nächsten Tourneestation) einen technischen Defekt hatte und die Vorstellung daher leider abgesagt werden musste. Die Schaubühne brach daraufhin die Tournee ab.


Das EU-Parlament hat im zweiten Anlauf das neue Urheberrecht nun doch durchgewinkt. Im Wesentlichen wurde die Verantwortung für Urheberrechtsverletzungen von den hochladenden Anwendern auf die Plattformen (facebook, YouTube,...) verlagert; und außerdem ermöglicht das neue Leistungsschutzrecht den Verlagen, von den Suchmaschinen Geld zu verlangen, wenn sie in den Trefferlisten "kleine und kleinste" Auszüge aus Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften bringen. Ersteres wird zu den viel zitierten Upload-Filtern führen. Sollten die Verlage tatsächlich Geld verlangen, würden sie von den Suchanbietern totgeschwiegen. Mehr Details dazu hab ich in einem eigenen Artikel zusammengefasst.


Hier handelt sich nicht um ein aktuelles Ereignis, sondern um eines, das bereits 35 Jahre zurück liegt. Aber dieses Jubiläum hat es sich durchaus verdient, in diese Liste aufgenommen zu werden. Am 26. September 1983 hat nämlich ein einzelner Mensch den dritten Weltkrieg verhindert - nicht mehr und nicht weniger. Stanislaw Petrow hat richtig reagiert, als er einen vermeintlichen nuklearen Angriff der USA auf die UdSSR als Fehlalarm eingeschätzt hat und diesen eben nicht an seine Vorgesetzten gemeldet hat. Wie sich hinterher herausgestellt hat, hatte er damit recht. Aber in dieser Situation so zu reagieren, dazu gehört schon eine ordentliche Portion Mut!


Chronik / Panorama


Gleich zu Beginn des Monats wurden Jahrhunderte der Geschichte Brasiliens vernichtet. Ein verheerender Brand des Nationalmuseums in Rio de Janeiro ließ außer ein paar Mauern nichts übrig. Zahlreiche, nicht zu ersetzende, Exponate sind für immer verloren. Besonders ärgerlich daran: die Unterfinanzierung und Risiken waren jahrelang bekannt; das Museum war halt nicht wichtig genug...


Unglaubliches Glück hatte eine Frau, die in der Dunkelheit eine Kerze suchte. Sie fand auch etwas Kerzenähnliches. Was sie leider nicht wusste, war, dass der Vorbesitzer des Hauses im Keller ein paar Dynamitstangen gelagert hatte; und ausgerechnet so eine hat sie dann auch angezündet.


Archäologen haben in Israel wahrscheinlich eine Bierproduktion entdeckt, die etwa 13.000 Jahre alt ist. Im alten Kanaan, dem Gelobten Land, dürften also nicht nur Milch und Honig geflossen sein!


Die deutsche Bundeswehr hat bei einer Übung ein ganzes Moor in Brand gesetzt. Ursache war eine Rakete, die von einem Hubschrauber aus in Richtung Boden abgefeuert wurde. Die Bekämpfung ist äußerst schwierig und riskant, vor allem, weil auf dem Gelände noch zahlreiche scharfe Blindgänger herumliegen, die durch die Hitze jederzeit losgehen könnten. Der Regen, der zu Hilfe kam, war leider nicht ausreichend, sodass für das Gebiet um Meppen sogar der Katastrophenzustand ausgerufen werden musste. Tagelang war sogar von der Evakuierung zweier Ortschaften die Rede (das ist inzwischen nicht mehr notwendig). Da hat wohl irgendjemand die wochenlange Hitzewelle ignoriert.


In Indonesien hat die Erde gebebt. Das ist an sich noch nichts Ungewöhnliches in dieser Region. Diesmal waren es aber zwei recht starke Beben kurz hintereinander; dementsprechend wurde auch eine Tsunamiwarnung ausgegeben - die kam nur leider bei den Betroffenen nie an. So, wie es derzeit (30.9.) aussieht, haben die Sirenen, die die Menschen warnen sollten, nicht funktioniert. Ahnungslos gingen sie ihrer Beschäftigung entlang der Küste weiter nach. Die Folgen sind verheerend: Hunderte Tote, die bis jetzt bekannt sind, allerdings ist eine ganze Region noch nicht einmal erreicht worden, weil Straßen und Brücken stark zerstört sind.


In Harvard wurden die diesjährigen Ig-Nobelpreise vergeben. Dabei werden wissenschaftliche Studien geehrt, die auf den ersten Blick skurril aussehen, aber auf den zweiten Blick durchaus ernsthafte Ergebnisse liefern. Dieses Jahr herausragend: Achterbahn fahren hilft bei Nierensteinen! Die Liste der bisherigen Preisträger ist durchaus unterhaltsam!


Auf dem Weg zur Verblödung


Alter dürfte kein ausreichender Schutz sein. Wie sonst ist es möglich, dass eine 90-Jährige, die den Krieg erlebt hat und daher wissen sollte, was so etwas anrichten kann, eine scharfe Granate zur Polizei bringt? Dabei hatte sie noch unglaubliches Glück, dass das Ding in den letzten 75 Jahren nicht losgegangen ist, die es auf dem Schreibtisch gelegen ist...


Wie: Echt jetzt? Kurioses, Skurriles


"All you can eat" birgt für das anbietende Restaurant natürlich ein gewisses Risiko, vor allem, wenn ein Triathlet vorbei kommt...


In Steyr wurde glücklicherweise doch keine Wasserleiche entdeckt.

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