Sonntag, 24. April 2016

"Drei Schwestern" im Burgtheater


Die Premiere war zwar bereits vor vier Wochen, aber erst gestern Abend war in unserem Abo die Vorstellung "Drei Schwestern" von Anton Tschechow vorgesehen.

Ich muss gestehen, ich kannte bis gestern von Tschechow nur den Namen aber keine Werke von ihm. Die Inhaltsangaben im Zuge der Vorbereitungen auf das Stück rissen mich jetzt nicht wirklich vom Hocker. Dazu saß mir die fürchterliche Vorstellung von "Wassa Schelesnowa" noch in den Knochen - insgesamt also keine allzu guten Vorzeichen.

Quelle: Burgtheater / Georg Soulek

Mit dementsprechend tief gelegten Erwartungen ging ich daher in diese Vorstellung.

Aber siehe da: kaum hob sich der Vorhang, war dieses Vorurteil (ja, ich weiß) auch schon verflogen! In jeder Ecke der Bühne hängt eine der Schwestern wie ein langsam verrottendes Stück Fleisch in den Möbeln - besser und schöner hab ich Langeweile noch nie auf der Bühne gesehen!

Wieder so ein Tag, der einfach nicht vergehen will. [Quelle: Burgtheater / Georg Soulek]

Und fad ist ihnen in der Provinz, und wie! Als der Vater in dieses Provinznest versetzt wurde, ging's ja noch; aber seit er seit einem Jahr tot ist, möchten die drei nur noch eines: wieder zurück "nach Moskau"! Und sie möchten arbeiten, sinnvollen Tätigkeiten nachgehen. Aber irgendwie schaffen sie das nicht, so wie die meisten völlig antriebslosen Mitglieder des Adels, Teilen des Bürgertums und des Militärs. Der Baron Tusenbach gesteht, dass er "noch nie einer Arbeit nachgegangen" ist. Die russische, vorrevolutionäre, bürgerliche Gesellschaft des beginnenden 20. Jahrhunderts zerbröselt schön langsam. Einer der Fadisierten spürt zwar "ein reinigendes Gewitter" heranziehen (Revolution), aber noch ist es nicht soweit.

Zum Ende des Stückes ist das Ganze den Bach runter gegangen: Olga ist als Schuldirektorin widerwillig an den Ort gebunden, aber von ihrer Schwägerin Natascha aus dem Haus gedrängt. Mascha kehrt wieder zu ihrem Mann zurück, nachdem ihr geliebter Kommandant mit seinem Regiment in eine andere Stadt versetzt wurde. Irina wird als frischgebackene Lehrerin wie geplant in eine andere Stadt ziehen, auch oder gerade weil ihr Bräutigam (Baron Tusenbach) einen Tag vor der Hochzeit in einem Duell getötet wurde.

Zurück bleiben der Bruder Andrej, der wegen seiner Spielschulden das Haus verpfändet hatte, und seine Frau Natascha, die nebstbei noch ein Verhältnis mit Andrejs Vorgesetztem hat. Wegen ihrer kleinbürgerlichen Herkunft einst von den Schwestern eher missachtet, hat sie sich mit der Zeit eine dominierende Rolle im Haus erarbeitet. Sie ist die neue Herrin im Haus und hat große Umbaupläne vor. Auf die Gesellschaft übertragen heißt das eben, dass die alte Führungsschichte abdankt und eine neue, pragmatische und vor allem arbeitende das Ruder übernimmt.

Das alles wird von einem ganz vorzüglichen Ensemble über die Rampe gebracht. Es fällt schwer, da irgendjemanden herauszustellen. Wenn es schon sein soll, dann noch am ehesten Fabian Krüger als Kommandant Werschinin oder Falk Rockstroh als verkommenen und versoffenen Militärarzt.

Großer Schlussapplaus, Bravo-Rufe. Völlig zu Recht. Das war ein wirklich ganz, ganz feiner Theaterabend!

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