Sonntag, 9. September 2012

Burgbaustelle Friesach

In Friesach (Kärnten) wird seit ein paar Jahren eine Burg gebaut; nein, nicht eine bestehende renoviert, sondern eine komplett neue Burg errichtet. Und zwar mit den Werkzeugen und Methoden des ausgehenden Mittelalters.
Übersichtsplan

In Frankreich gibt es ein ganz ähnliches Projekt, allerdings ist da der Bau schon wesentlich weiter fortgeschritten.

Warum man im 21. Jahrhundert eine Burg baut, wird in den beiden oben angegebenen Links ausführlicher erklärt. Im Wesentlichen geht es aber um Erkenntnisse auf den Gebieten der Archäologie und Geschichte, weil es aus dieser Zeit kaum Dokumente gibt, die Aufschluss über altes Handwerk geben. Es gibt keine Pläne in unserem heutigen Sinn, sondern nur ein grobes Bild des fertigen Bauwerkes; ansonsten wurde recht spontan drauf los gebaut und improvisiert. Deshalb ist es auch nicht Ziel dieser beiden Projekte, am Ende der Bauzeit eine fertige Burg zu haben, sondern es geht eben um den Weg bis zur fertigen Burg.

Modell der fertigen Burg


Friesach liegt für uns halt einiges näher als Frankreich, und so haben wir es immerhin geschafft, diese Baustelle zu besuchen. Ein Rundgang durch die Baustelle ist nur im Rahmen einer Führung möglich, und so haben wir uns am Freitag um 11:00 Uhr so einer Führung angeschlossen. Ein Geschichtestudent der Uni Klagenfurt hat uns eineinhalb Stunden lang sehr kompetent das Projekt näher gebracht.

Der äußere Teil des Projektgebietes ist vom inneren durch einen Zaun baulich getrennt. Nur innerhalb wird "authentisch", dh mittelalterlich gebaut - aber eben nur mittelalterlich: es gibt dort keine Kräne, Kettensägen, Bohrmaschinen, Mischmaschinen, Kreissägen oder sonstiges modernes Werkzeug.

Ein paar Kompromisse muss man aber schon eingehen bzw. eine Grenze ziehen, sonst ist Ende nie:
  • es gelten die heutigen Sicherheitsbestimmungen, also: Schutzbrillen, Helme, Sicherheitsschuhe, Hygiene, Atemschutz, Tierschutz (Pferdefuhrwerke!), ...
  • die Steine für die Burg werden per LKW über den Zaun gekippt, innerhalb des Zaunes müssen sie aber mittelalterlich weiter transportiert bzw. bearbeitet werden.
  • es wird nicht Erz abgebaut und selbst zu Eisen verhüttet, sondern das Metall als Rohmaterial extern angeliefert
  • der angrenzende Wald wird als Holzlieferant genutzt (mittelalterliche Einbringung), er besteht aber nur aus Fichten. Anderes Holz (zB Lärche) wird extern angeliefert
  • Seile gelten als sicherheitsrelevant und dürfen daher nicht selbst hergestellt werden; es gibt also keine eigene Seilerei.
  • Hammer und Amboss sowie die ersten paar Zangen für die Schmiede wurden extern beschafft

Gleich beim Eingang zum inneren Bereich ist ein Maß-Stein ausgestellt. Er definiert die auf der Baustelle gültigen Maße (zB. Fuß):

eingravierte Maße, die auf der Baustelle gelten


Erste Station der eigentlichen Führung war ein Stand zum Sägen von Brettern: aus grob behauenen Vierkanthölzern werden Pfosten und Bretter gesägt:

unser Führer durch die Tour (re)

mühsam, mühsam! ca. 45min für 1m Schnittlänge

Davor werden auf dem Behauplatz aus den Rundlingen eben Vierkanthölzer gemacht: der Stamm wird eingespannt und mit einer speziellen Axt bearbeitet.

mit so einer Axt wird der Stamm behauen
und so sieht dann das Ergebnis aus

Nächste Station: Schmiede. Das Gebäude musste zunächst natürlich erst errichtet werden, genauso wie die Esse innerhalb der Schmiede:

Schmiede von außen

Esse
selbst angefertigte Nägel

Transporte werden innerhalb des authentischen Gebietes mit Pferdefuhrwerken erledigt. Für das Beschlagen der Pferde gibt es ja den eigenen Schmied:

ein Pferdewagen wird mit Steinen beladen

Hufschmied bei der Arbeit

Ein weiterer zentraler Bereich ist die Zimmerei; die Zimmerleute sind vom Gerüstbau über das Herstellen von Holznägeln und Schindeln bis zum Bau von Kränen für sehr viel zuständig. Selbstverständlich haben sie auch sämtliche Gebäude und Arbeitsstände selbst errichtet.
Als wir dort waren, wurden gerade Schindeln hergestellt:

das Dach der Zimmerei ist mit Baumrinde gedeckt. Sicht von innen (unten) ...
... und von oben
diese Rundlinge werden zu Schindeln verarbeitet. Die obere Seite ist mit einem Kreis gekennzeichnet: nur von dieser Seite lassen sich die Schindeln gut abspalten, von der anderen nicht.

zunächst grob abspalten

dann noch mit dem Messer glätten
weitere Produkte der Zimmerei

Nächste Station: Steinmetze. Sie bearbeiten die Steine in unterschiedlichen Feinheiten: von nur ganz grob bis zu ganz genau (zB für Gewölbe).

Am oberen Rand sieht man den Zaun, der die Grenze zwischen innerem und äußerem Bereich darstellt. Über diesen Zaun werden vom LKW die rohen Steine gekippt. Die Steine werden den Hang hinuntergerollt bzw. mit der Seilwinde und einem einfachen Kran (nicht im Bild) weiter transportiert. Aus Sicherheitsgründen nur, wenn keine Besucher auf dem Gelände sind.
Steinmetz bei der Arbeit

Für genau bearbeitete Steine wurden die Steinmetze pro Stein bezahlt, daher hatte jeder Steinmetz sein eigenes Zeichen, das er in "seine" Steine eingeschlagen hat. Dieser Musterstein zeigt einige typische Steinmetzzeichen.

fertig behauene Steine, gröbere Variante ...

... und feinere Variante (links im Bild)

Danach kamen wir zur Baustelle des Bergfrieds (höchste Stelle des Geländes). Der Bergfried wird mit einer Ringmauer umgeben (s. Modell oben) und die folgenden Fotos handeln von der Errichtung eben dieser Ringmauer.

bereits fertiges Fundament

an dieser Stelle wird gerade gemauert. Der Arbeitsplatz ist wegen der Maurer und des Mörtels beschattet.

Ringmauer um den Bergfried


Die Baustelle benötigt viel Wasser, daher wird einerseits Regenwasser gesammelt, andererseits eine Quelle gefasst. Das Bild zeigt einen Teil der Wasserleitung (ausgehöhlte Baumstämme auf Stelzen)

Wasserleitung mündet in einen Holztrog
Sand und Erde werden mittels Wasser voneinander getrennt

Sand, Kalk und Wasser werden auf diesem Platz zu Mörtel gemischt
Bei der Errichtung dieses Brotbackofens wurde mit unterschiedlichen Mörtelarten experimentiert. Handwerker wurden früher oft mit Broten bezahlt, daher gab es auf jeder Burgbaustelle so einen Backofen

In der Weidenflechterei werden Matten und Körbe hergestellt

derzeit kommen die Weidenruten noch von extern, eigene Weiden sind aber bereits gepflanzt
Alles in allem ein sehr interessantes und spannendes Projekt. Da die Bauzeit mehrere Jahrzehnte (!) betragen wird, werden wir den Baufortschritt sicherlich noch ein paar Mal kontrollieren!

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