Dienstag, 30. Januar 2024

DMA und DSA. Zwei tiefgreifende Gesetzeswerke im Anmarsch

Nein, in diesem Post wird es nicht um Gentechnik gehen, auch wenn es so klingen mag.

Vielmehr sind zwei EU-Verordnungen gemeint, die in wenigen Wochen in Kraft treten und bereits jetzt ihre Schatten voraus werfen.

Sie werden uns alle betreffen, die wir im Internet unterwegs sind oder die wir ein Smartphone verwenden.

Was verbirgt sich also hinter diesen kryptischen Kürzeln?

Bild: pixabay


Das Ziel ist recht einfach zu beschreiben: Die EU möchte den Großen des Internets ein wenig auf die Zehen steigen und uns, den Anwendern, ein wenig mehr Schutz bieten.

Das Dahinter allerdings ist – gelinde ausgedrückt – einigermaßen komplex. Ich bin kein Jurist und werde daher versuchen, es in meiner laienhaften Weise zu beschreiben. Und das auch noch möglichst einfach und dennoch richtig.


Digital Markets Act (DMA)

Dieses Gesetzeswerk ist als EU-Verordnung angelegt, ist also unmittelbar wirksam, ohne dass die nationalen Parlamente es in nationales Recht gießen müssen. Genau genommen ist sie bereits gültig, ihre volle Pracht wird sie aber erst zusammen mit dem DSA (s. unten) entfalten.

Ziel ist es, die Digitalen Märkte etwas offener zu gestalten und Monopole, die sich die letzten Jahre aufgebaut haben, zu entflechten.

Dazu werden sogenannte Gatekeeper (Torwächter) definiert, die besonders groß sind und die auf ihren Gebieten auch eine dementsprechende Marktmacht haben. Als Gatekeeper hat die EU-Kommission alle Unternehmen definiert, die mindestens 80 Milliarden Euro Marktkapitalisierung auf die Waage bringen. 

Das sind nicht so wahnsinnig viele (die Kommission hat sechs definiert), daher kennen wir sie alle. Sie haben in der Vergangenheit versucht, ihre Plätze gegenüber anderen abzuschotten und eigene Dienste zu bevorzugen. Paradebeispiele wären Apple mit seinem App Store, der die einzige Quelle an Apps für Telefone und Tablets der Apple-Welt darstellt; und Google, das in der Suche schon mal seine eigenen Produkte ganz oben platziert; zum Beispiel Flüge und Hotels, noch vor allen anderen Treffern.

Damit ist es nun vorbei. Die großen Gatekeeper müssen ihre Grenzen aufweichen. Sollten sie gegen dieses Aufweichen verstoßen, drohen wirklich empfindliche Strafen! 20% des Jahresumsatzes (!) stehen im Raum!


Google (Alphabet)

Betroffen ist hier vor allem die Suche. Wie schon erwähnt, dürfen eigene Produkte nicht mehr bevorzugt werden, etwa die Auswahl von Flügen oder Hotels; die werden einfach verschwinden.

Apps für das Smartphone beziehen die meisten zwar vom Google-eigenen Play Store, es gibt aber bereits jetzt alternative Quellen. Ich selbst hab schon einige Apps von F-Droid herunter geladen, es gibt aber auch noch andere.

Aber gerade wenn man Apps von irgendwoher bezieht, ist die Gefahr halt schon sehr groß, dass man sich auf das Gerät Viren und Trojaner hereinholt. Ich persönlich werde also nach wie vor bei den (vertrauenswürdigen) Quellen Play Store und F-Droid bleiben und keine weiteren hinzuziehen.

Zu Google gehören aber auch noch Youtube, Maps, der Chrome-Browser etc. Alle diese Dienste sammeln im Hintergrund Unmengen an Daten über uns und die werden über alle Dienste hinweg auch noch verknüpft.

Es gehört zum DMA daher auch dazu, diese Verknüpfung aufzubrechen. Die Gatekeeper müssen ihre Nutzer fragen, ob sie auch in Zukunft diese Dienste "als Gesamtheit" nutzen möchten oder nicht.

An dieser Stelle wirft der DMA schon seinen Schatten voraus. Seit kurzem versendet Google genau diese Frage. Und schreibt gleich dazu, dass möglicherweise in Zukunft nicht mehr alles so reibungsfrei funktionieren könnte, wenn man diese gemeinsame Datennutzung für Suche, Maps, Youtube etc. nicht mehr haben will.

Das sieht dann so aus:



Im ersten Moment ziemlich kryptisch; und ohne die Hintergründe zu kennen, praktisch nicht verständlich. Diese Frage war der Anlass, diesen Post zu verfassen, denn sie kommt in den nächsten Tagen auf alle von uns zu.


Apple

Apple hat bisher nur Apps aus dem eigenen App Store installieren lassen. Etwas anderes ist schlicht nicht vorgesehen. Das hat einerseits durchaus gute Gründe (s. zweifelhafte App-Quellen oben), andererseits ist es halt doch die generelle Neigung Apples zum Monopol.

Und jetzt passiert etwas, was ich nie im Leben für möglich gehalten hätte. Apple lässt andere App-Quellen zu! Zumindest im EU-Raum; im Rest der Welt bleibt eh alles beim alten. Hier hat die Soft Power der EU also ermöglicht, dass sogar die Hölle zufriert!

Ebenso betroffen ist der Browser Safari, der in der Apple-Welt in Zukunft nicht mehr das Alleinstellungsmerkmal haben wird. Noch einmal Hölle zufrieren und so!


Facebook und WhatsApp (Meta)

Wir alle kennen das Problem: Manche verwenden WhatsApp als Messenger, andere Signal, wieder andere den Facebook Messenger, oder Telegram, oder mastodon, oder, oder oder. Wenn man also alle seine Freunde kontaktieren möchte, kann es schon sein, dass man alle diese Messenger erstens installiert haben und sie dann auch noch bedienen muss.

In Zukunft müssen die großen Platzhirsche auch mit den anderen genannten Messengern kommunizieren können. So wie ich das einschätze, wird das auf viel Abstimmungs- und Entwicklungsarbeit hinauslaufen; und es wird noch eine Weile dauern, bis das wirklich funktioniert.

Dabei haben manche Kleine gar nicht die Absicht, mit WhatsApp zu kommunizieren. Signal zu Beispiel hat schon signalisiert (kleines Wortspiel), dass sie das nicht wollen und lieber in ihrem eigenen Biotop bleiben möchten.


amazon, Byte Dance (TikTok) und Microsoft

Bei diesen Dreien sind nicht so viele Systeme betroffen, wenngleich der Aufwand für diese Gatekeeper ebenfalls erheblich sein dürfte.

Bei amazon ist es der Market Place, der in Zukunft Konkurrenz bekommen soll. TikTok kenne ich zu wenig (genau genommen gar nicht), und Windows von Microsoft ist ja seit jeher weitgehend offen. Die Auswahl des Standard-Browsers gibt es in Windows schon seit vielen Jahren; musste aber auch erst mühsam erstritten werden.


Digital Services Act (DSA)

Diese EU-Verordnung wird Mitte Februar 2024 in Kraft treten. Hier steht vor allem der Verbraucherschutz im Mittelpunkt.

Die Plattformen (Google, amazon, Youtube, TikTok, X (ehemals twitter) etc.) müssen vor allem organisatorische und technische Maßnahmen ergreifen. Für die großen gilt das bereits, alle anderen sind dann ab 17. Februar dran. Ausgenommen sind nur kleine; als klein gilt eine mit weniger als 50 Beschäftigten bzw. weinger als 10 Mio EUR Umsatz pro Jahr.

So soll es in Zukunft leichter möglich sein, bedenkliche Inhalte zu melden. Die Plattformen müssen sich dann damit auseinandersetzen und diese gegebenenfalls auch löschen. Und zwar nicht irgendwann, sondern je nach Schwere innerhalb von Stunden. Fake- oder Rachefotos /-videos beispielsweise sollen also sofort aus dem Verkehr gezogen werden!

Ich denke da vor allem an X, das sich in den letzten Monaten zu einer Plattform für Falschmeldungen und Verschwörungstheorien entwickelt hat. Die Beschwerde- bzw. Moderations-Abteilungen wurden drastisch verkleinert statt vergrößert. X hat übrigens schon einen Brief der Kommission bekommen, in dem um Stellungnahme gebeten wird. Bin schon gespannt, wie es da weiter geht.

Andererseits soll es für einen Inhalte-Anbieter auch einfacher werden, sich gegen solche Meldungen zu wehren und dagegen zu argumentieren, wenn er meint, zu Unrecht beschuldigt zu werden. Das ist derzeit ziemlich schwierig; man kommt da heute schnell in kafkaeske Situationen, in denen man Argumente vorbringen möchte, aber nicht weiß, wo.

Besonders spannend finde ich die Vorschrift, dass es mindestens einen Weg geben muss, sich den nächsten Inhalt selbst aussuchen zu können – an allen Vorschlags-Algorithmen vorbei! Wir alle kennen das von facebook und Youtube; dort werden manchmal Vorschläge nach oben gespült, die wir uns selbst nie und nimmer ausgesucht hätten.

Auch bei Verstößen gegen den DSA stehen wieder echt drakonische Strafen im Raum: bis zu 6% des weltweiten (!) Umsatzes stehen auf dem Spiel.

Die Kontrolle wird abgestuft erfolgen. Die ganz großen Plattformen (mehr als 45 Millionen Nutzer) werden von der EU-Kommission direkt beaufsichtigt. Für die kleineren wird es in jedem Land eine eigene Aufsichtsbehörde geben.

* * * * *

So. Meine Gratulation, wenn du es bis hierher geschafft hast. Ist immerhin ziemlich trockene und sperrige Materie.

Ich halte diese beiden Verordnungen aber für besonders wichtig und wegweisend. Hoffen wir, dass sie die Vorstellungen der Gesetzgeber in der Praxis erfüllen können.

Es wird noch eine Weile dauern, bis das alles so richtig greift und funktioniert. Alles in allem halte ich dieses Duo DMA / DSA für einen großen Wurf!

Möge die Übung gelingen!

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