Freitag, 28. Oktober 2022

"Triangle of Sadness" im Kino

Wie lange wir schon nicht mehr im Kino waren? Ich glaube, das lässt sich nur in Jahren ausdrücken. Corona und das (für mich) eher dürftige Filmangebot haben sicher dazu beigetragen.

Aber vor einigen Tagen ließen mich wiederholte Meldungen über "Triangle of Sadness" aufhorchen: Goldene Palme 2022 in Cannes, diverse Artikel in den Medien und der Trailer machten den Film interessant.

Letzten Mittwoch waren wir dort.




Gleich vorweg: Achtung! In weiterer Folge wird es wohl nicht ganz ohne Spoiler gehen!

Das fängt schon mit dem Artikel in der Wikipedia an, in dem die Handlung recht gut zusammengefasst ist. Und auch ich werde nicht ganz darauf verzichten können.

Der Film ist ganz klar in drei Teile gegliedert.


Teil 1: Carl und Yaya

Carl arbeitet als Model und hat schon bessere Tage erlebt. Er ist zwar schon noch ganz gut im Geschäft, er muss aber auch wieder zu Castings gehen, um eben genau in diesem Geschäft zu bleiben.

Seine Freundin Yaya ist ebenfalls Model und verdient gerade so richtig gut. Beide bemühen sich zwar um Gleichberechtigung in ihrer Beziehung; aber dann fallen sie doch wieder in althergebrachte Rollenklischees; im Film präsentiert anlässlich der Bezahlung einer Rechnung in einem Restaurant. Yaya ignoriert sie zunächst und Carl ist schon dabei, sie zu begleichen; als er dieses Thema dann doch noch anschneidet. Noch dazu, wo Yaya am Tag zuvor versprochen hat, dass sie die nächste Rechnung übernehmen wird. Das sich nun entspinnende Gezerre war mir persönlich zu sehr ausgewalzt, da hätte man kürzen können. Soo lange brauchen wir auch wieder nicht, bis wir's kapiert haben!

Die wichtigeren Teile sind nämlich die nun folgenden.


Teil 2: Auf der Luxusjacht

Yaya ist nämlich nicht nur Model, sondern auch sehr erfolgreiche Influencerin. Sie gibt sogar zu, mit Carl die Beziehung aufrecht zu erhalten, weil sich in den diversen Social Media gut ausmacht. Und als Influencerin bekam sie zwei Plätze auf einer Luxusjacht zur Verfügung gestellt.

Das Publikum setzt sich aus Superreichen aus aller Welt zusammen. Chef-Steward Paula schwört ihr Team daher darauf ein, dass der Gast absolut und immer Recht hat. Immer! Das ist zwar manchmal nur schwer zu ertragen, aber wer durchhält, wird mit einem außergewöhnlichen Trinkgeld belohnt.

Wie schnell dieses absolute Rechthaben wirkt, erfahren wir kurz danach. Einer der Crew-Mitarbeiter arbeitet mit nacktem Oberkörper und steckt sich eine Zigarette an. Carl macht Paula ganz dezent darauf aufmerksam, sie verspricht, diesen Arbeiter darauf anzusprechen und alles scheint wieder im Lot zu sein. In der nächsten Szene sehen wir, wie jener Arbeiter auf ein Beiboot steigt, sich von seinen Kumpeln verabschiedet und weggebracht wird. Ein Rauswurf war nie im Sinne Carls und er ist dementsprechend perplex.

Am Abend sitzen Carl und Yaya gemeinsam mit einer Frau am Tisch, die vor kurzem einen Schlaganfall erlitten hat. Sie bringt seither nur noch diesen einen Satz zuwege: "...in die Wolken?". Eine wirkliche Konversation kommt dabei nicht auf, zumal sich ihr Ehemann, der sie begleitet, nie blicken lässt.

Die Tisch- und Gesprächspartner am nächsten Abend sind da schon interessanter. Wie sich herausstellt, ist das unscheinbare, mausgraue aber very british Ehepaar zu seinem irren Vermögen gekommen, indem es Waffen produziert; alles Mögliche, aber vor allem Handgranaten.

Und wieder einen Abend später treffen sie Dimitry und seine Frau Vera. Dimitry ist ein superreicher russischer Oligarch, der – laut Eigendefinition – mit "Scheiße" zu seinem Vermögen gekommen ist. Er hat im ganzen Land Hühnerkacke aufgekauft, diese ein wenig veredelt und zu einem Vielfachen als Düngemittel weiter verkauft.

Vera ist es auch, die in einer weiteren Schlüsselszene die Hauptrolle spielt. Sie sitzt am Rande eines Whirl Pools und unterhält sich mit einer der Stewardessen. Sie schwärmt ihr von der Sonne und dem Wasser vor und kommt in ihrem Monolog dabei drauf, dass die arme Crew nie Gelegenheit hat, schwimmen zu gehen. Nach einigem Hin und Her zwingt sie die arme Stewardess, gleich mit ihrer Uniform in den Pool zu steigen – die Gäste haben ja immer Recht!

Aber nicht nur diese eine Stewardess soll in den Pool! Nein, die gesamte Besatzung soll über die Notrutsche ins Meer gleiten! Vera besteht darauf, dass alle ihren Spaß haben sollen! Paula trommelt wirklich alle zusammen, sogar die Maschinisten kommen aus ihren Unterdeck-Löchern an die Oberfläche und alle erfreuen sich der Rutsche!

Der Kapitän hält sich aus dem ganzen Betrieb lieber heraus und besäuft sich stattdessen. Nur zum Captains Dinner kommt er aus seine Kabine. Er weiß, warum. Gleich zu Beginn beschwert sich eine Dame bei ihm, dass die Segel sehr schmutzig sind. Sein Einwand, dass das eine Motorjacht sei und es daher keine Segel gebe, wird vom Tisch gewischt. Es - sind - Segel! Lächelnd verspricht er ihr deren Reinigung für den nächsten Tag.

An diesem Abend kommt aber ein Sturm auf. Das Schiff schwankt und rollt, dass es alle von einer Seite auf die andere schlägt und das schöne Abendessen den seekrankheits-geplagten Gästen gleich wieder hochkommt. Es entspinnt sich eine ziemlich lange Szene, in der es aus jeder Körper- und Toilettenöffnung nur so heraussprudelt! Ähnliches spielt sich ab wie in Monty Pythons Film "Der Sinn des Lebens"!



Dem Kapitän ist das alles egal. Er hat sich mit Dimitry auf die Brücke zu einem Besäufnis zurückgezogen. Dort werfen sich der sozialistisch angehauchte Kapitän und der kapitalistische Düngerverkäufer sozialistische und kapitalistische Zitate an den Kopf. Gleichzeitig spielen sie in ihrem Suff um das Schiff. Dimitry geht dabei als neuer Eigner hervor. Als solcher macht er das Chaos komplett, indem er ständig eine Durchsage an die Lautsprecher lässt, dass das Schiff gleich sinken wird.

Tut es nicht. Am nächsten Morgen liegt das Schiff ganz ruhig im Wasser, allerdings auf internationalem Gebiet; den Piraten bietet sich ein gefundenes Fressen. Schwer bewaffnet übernehmen sie die Jacht. Im Zuge dessen rollt eine Handgranate vor die Füße des britischen Paares. Die Frau hebt sie auf und fragt noch: "Ist das eine von unseren?" – Buummm.

Es gibt zahlreiche Tote und nur wenige Überlebende.


Teil 3: Auf der Insel

Diese Überlebenden landen auf einer einsamen Insel. Teilweise in einem Schlauchboot, ein paar nur mit ihren Schwimmwesten, nur die Reinigungsfrau Abigail hat die metallene und geschlossene Notkapsel verwendet.

Es ist ein harter Aufprall für diese Gesellschaft. Innerhalb weniger Augenblicke von der Spitze der Maslowschen Bedürfnispyramide auf deren unterste Ebene katapultiert, in der nur das nackte Überleben zählt: Essen, trinken, schlafen.

Aber es dauert ein paar Tage, bis das in den Köpfen ankommt. Während die Gäste immer noch Gäste spielen, zeigt Abigail als einzige Initiative und holt einen Oktopus aus dem Wasser. Sie ist auch die einzige, die Feuer machen und kochen kann. Alle schauen ihr begeistert zu, wie sie das alles macht, auf die Idee zu helfen, kommt aber niemand. Das wirkt sich dann aber auf die Verteilung des fertig gegarten Oktopus aus: Abigail behält die eine Hälfte für sich, die zweite dürfen sich alle anderen teilen. Als Protest aufkommt, macht sie ihnen klar, dass sie auf dem Schiff vielleicht Reinigungskraft war; aber auf der Insel ist sie der Kapitän!

Als sie sich für die Nacht auch noch Carl in die Notkapsel mitnimmt, der dafür als Belohnung jeweils ein paar Salzstangen bekommt, hat sie das Matriarchat auf der Insel endgültig etabliert.

Oder vielleicht doch nicht so endgültig.

Eines Tages machen sich Abigail und Yaya auf den Weg, um die Insel näher zu erkunden. Tatsächlich stoßen sie nach einiger Zeit auf einen Strand mit Liegen, und alles deutet darauf hin, dass dieser zu einem Ferien-Ressort gehört!

Yaya ist über diese Wendung und Rettung überglücklich. Abigail weniger. Ihr ist klar, dass nach dieser Rettung die alten sozialen Verhältnisse wiederhergestellt werden und sie daher wieder Reinigungskraft sein wird.

Das gilt es zu verhindern. Yaya sitzt am Strand, den Rücken Abigail zugewandt. Sie bekommt daher nicht mit, dass diese bereits einen schweren Stein in den Händen hält und auf Yaya zuläuft. In einer letzten Einstellung sieht man Abigail noch mit zornigem Gesicht, bereit, den Stein einzusetzen.

Schnitt.

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Der Film kommt leichtfüßig daher und hat zahlreiche komische Momente. Die Kritik an Superreichen, dazu der scharfe Kontrast zur Besatzung des Schiffes, das Influencer-Unwesen, das harte Model-Geschäft, die Mehrpersonen-Robinsoniade, die Umkehrung der Verhältnisse und wieder retour: All das kommt satirisch gut und witzig herüber!

Alles in allem ein gelungener Kinoabend!

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Das Triangle of Sadness bezeichnet das Haut-Dreieck oberhalb der Nase, zwischen den Brauen. Es ist bei Carl sehr ausgeprägt und sieht "traurig" aus. Ihm wird beim Casting empfohlen, das bei Gelegenheit mit Botox aufspritzen zu lassen.

Charlbi Dean, die Darstellerin der Yaya, lebt tatsächlich nicht mehr. Die Auszeichnung des Films in Cannes im Mai 2022 hat sich noch erlebt, den Kinostart aber schon nicht mehr. Im August starb sie an einer "plötzlichen und unerwarteten Krankheit". 


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