Dienstag, 20. September 2022

Katharina Tiwald: Mit Elfriede durch die Hölle ★★★★☆

Katharina Tiwald: Mit Elfriede durch die Hölle  ★★★★☆


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Dieses Buch ist Vieles auf einmal: Ein Corona-Roman, top aktuell, originell, witzig, flott geschrieben und vor allem eine Hommage an Elfriede Jelinek und Dante Alighieri.


Wir schreiben das Jahr 2021, wir sind corona-bedingt allesamt schon ziemlich erledigt, so auch die Autorin Katharina Tiwald. Sie möchte nur noch eines: Raus hier. Das Lockdown-Fenster nutzen und irgendwohin fliegen – Hauptsache raus.

Am Taxistandplatz hinter der Wiener Oper stürzen sich drei üble Gestalten auf sie; alle drei möchten sie unbedingt nach Schwechat zum Flughafen bringen. Da taucht aus dem Nichts die Rettung auf. Niemand geringerer als Elfriede Jelinek holt sie aus dieser üblen Situation raus und bringt sie persönlich bis zum Flugfeld.

Ihre Hilfe ist auch dringend nötig, denn der Flughafen ist die Hölle – Version 2021. Blöd nur, dass man durch erst durch diese Hölle muss, um auf das Flugfeld zu gelangen.

Willkommen in Dantes Inferno. Dort beginnt die Erzählung ja auch damit, dass sich Dante in einem Wald verirrt hat und von drei Bestien bedroht wird. Ihn holt natürlich nicht Elfriede Jelinek aus dieser Lage, sondern der römische Dichter Vergil. Blöd nur, dass der Ausweg geradewegs durch die Hölle führt, es gibt keinen Weg außen herum. Man erkennt schon die Parallelen.

Und so erfindet die Autorin zu allen Gesängen Dantes eine Entsprechung in ihrem Roman. Diesmal begegnen uns aber nicht die Bösewichte des 13. Jahrhunderts, sondern unsere aktuellen, zeitgemäßen. Da tummeln sich Heidi Klum ebenso wie der fesche Alt-/Jungkanzler und seine Entourage, der Papst, Bischöfe, Politiker und viele viele mehr. Wir kennen sie alle, es ist überhaupt nicht schwer, die beschriebenen Personen wiederzuerkennen und zu identifizieren; außerdem helfen an zahlreichen Stellen Fußnoten weiter.

Wie im Original, so muss auch hier der Begleiter – bzw. diesmal die Begleiterin – immer wieder eingreifen, um unsere Autorin sicher durch die Hölle Schwechats zu bringen. Es gelingt tatsächlich: Am Ende stehen sie auf dem Flugfeld, das Flugzeug steht bereit und eine junge Pilotin wartet darauf, dass Katharina Tiwald einsteigt. Wer diese Pilotin ist, wird hier nicht verraten!

* * *

Das Lesen hat richtig Spaß gemacht! Die Ideen fand ich wirklich originell und die personelle Besetzung sehr gelungen; für den deutschen Markt vielleicht etwas zu österreich-lastig; ich bin nicht sicher, ob die Personen dort allen so geläufig sind. An passenden Stellen wird immer wieder ein ebenso passendes Zitat aus einem der Werke Elfriede Jelineks eingestreut, wie sich das eben so gehört bei einer Hommage.

Sehr gut und sehr wichtig fand ich die Kurzfassungen der Inferno-Gesänge im Anhang. In knappen Fünfzeilern werden dort alle kurz beschrieben. 

Das Buch ist für mich aber trotzdem kein Fünf-Sterner, weil es im Mittelteil ganz leicht zäh wird – die Mühen der Ebene. Liegt natürlich auch an Dantes Vorlage; nach ein paar Kreisen der Hölle wird es auch dort etwas mühsam. Ich weiß, wovon ich schreibe: Vor vielen, vielen Jahren hab ich einmal eine deutsche Nachdichtung gelesen. Katharina Tiwald wollte aber offenbar wirklich alle Gesänge des Infernos in ihrem Roman abdecken.

Alles in allem aber ein sehr gelungenes Buch!




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