Dienstag, 28. September 2021

Jón Kalman Stefánsson: Sommerlicht, und dann kommt die Nacht ★★★★☆

Jón Kalman Stefánsson: Sommerlicht, und dann kommt die Nacht  ★★★★☆


Cover: PIPER

Als Roman würde ich dieses Buch eher nicht bezeichnen. Eher als eine Sammlung von Kurzgeschichten, die aber durch die handelnden Personen und einzelnen Ereignisse miteinander verknüpft sind. Wer den Film "Magnolia" kennt, wird verstehen, was ich in etwa meine. Unbedingte Empfehlung für Magnolia, so nebstbei!

Es ist ein eher leises Buch diesmal. Hauptsächlich werden Episoden aus dem isländischen Alltag erzählt. Aber wie Jón Kalman Stefánsson das macht, ist es halt immer wieder lesenswert: Eher kurze Sätze, mit denen aber Personen, Situationen und Ereignisse punktgenau beschrieben werden! 

Da geht es manchmal romantisch zu, auch wenn Isländer offenbar eher nicht zu Romantik neigen. Da geht es auch manchmal ordentlich zur Sache, so hinter einem Bühnenvorhang oder beim Setzen von Zaunpfählen!

In einer Lagerhalle scheint es zu spuken. Klar, sie wurde ja auch auf einem Grundstück errichtet, auf dem sich vor Jahren ein Ehedrama abgespielt hat. Wer traut sich da noch hinein, wo plötzlich Leitern umfallen und reihenweise Glühbirnen ausfallen?

Außerdem gibt es da noch den Leiter einer Strickfabrik, der plötzlich Latein lernt und Unsummen für antike klassische Astronomie-Bücher ausgibt. Ein Lagerleiter möchte plötzlich Polizist sein; er wird ersetzt durch einen Weltenbummler, der nach Jahren wieder zurückkommt. Wegen Elisabet, auf die schon viele Männer ein Auge geworfen haben. Und so weiter.

Zwei Geschichten haben mir besonders gefallen oder imponiert.

Die eine handelt von Kjartan und seiner Nachbarin. Er setzt die schon oben erwähnten Zaunpfähle, während seine Nachbarin regelmäßig zum Joggen vorbeikommt. Sie kommt immer öfter und immer regelmäßiger, bis Kjartans Frau Wind davon bekommt. Die Hölle und der Rachefeldzug, die sie ihm daraufhin bereitet, waren schon sehr imposant!

Im Mittelpunkt der zweiten Geschichte steht ein schweigsamer Einsiedler, den seine Frau vor Jahren eben wegen der Einsamkeit auf dem Hof verlassen hat. Er wird eines Tages von der quirligen Thuridur besucht, die gleich einmal eine Reisetasche bei ihm zurücklässt. Sie kommt immer wieder, die Tasche bleibt. Aber es entwickelt sich nichts daraus. Erst auf einer Urlaubsreise fällt bei ihm der Groschen. Kaum wieder zurück, finden die beiden endlich zusammen. Aber die Geschichte endet tragisch – sehr tragisch.

Ich hab beim ersten Lesen nicht gleich die Schönheit dieses Buches gesehen; das waren für mich irgendwie zu einfache Geschichten. Aber beim zweiten Mal hab ich dann entdeckt, wie gut die Personen charakterisiert sind und wie schön die Geschichten verknüpft sind. Also letztlich doch vier Sterne!

* * * * * * *

Nochmal einmal zurück zu Magnolia.

In diesem Trailer (leider nur englisch) werden die Personen vorgestellt



In allen Erzählsträngen ist immer irgendwie Bewegung. Nur in der Mitte des Films werden alle Handlungen angehalten und ein kurzes Resümee gezogen. Alle Personen sind in Ruheposition.



Ich hab den Film schon mehrfach gesehen, ist inzwischen aber schon eine Weile her. Wird Zeit, ihn mir bei Gelegenheit wieder einmal anzusehen!



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