Dienstag, 28. September 2021

Albert Camus: Die Pest ★★★★☆

 Albert Camus: Die Pest  ★★★★☆


Cover: Rowohlt


Seit Beginn der Corona-Pandemie wird dieser Klassiker des 20. Jahrhunderts immer wieder erwähnt. Höchste Zeit also, ihn selbst einmal zu lesen.

Und tatsächlich: An vielen Stellen muss man den Begriff "Pest" lediglich durch "Covid" oder "Corona" ersetzen, und schon hat man einen Roman, der nichts an Aktualität missen lässt!


Albert Camus lässt seinen Roman Anfang der 1940er-Jahre in der algerischen Stadt Oran spielen. Plötzlich tauchen dort Ratten mit blutigen Nasen auf, die kurz darauf verenden (die Ratten nämlich). Anfangs sind es nur wenige, aber ihre Zahl wächst rasch an. Aber irgendwann ist ein Höhepunkt erreicht und die Seuche beginnt wieder abzuklingen. In dieser Phase treten aber auch die ersten Fälle einer mysteriösen Krankheit unter den menschlichen Bewohnern von Oran auf. Harte, sehr schmerzhafte Beulen in der Leistengegend sowie hohes Fieber führen innerhalb kurzer Zeit zum Tod.

Jetzt gibt es, wie wir wissen, auch zahlreiche Todesfälle bei schwerem Verlauf von Covid, aber so schlimm wie bei der Pest ist es nicht.

Aber die Phasen der Seuche und die Auswirkungen auf die Gesellschaft passen sehr gut. Sobald klar ist, dass es sich bei der Krankheit um die Pest handelt, werden die ersten Maßnahmen gesetzt. Die Stadt wird abgeriegelt, niemand kommt mehr raus oder rein. Schiffe bleiben in Quarantäne vor der Küste liegen. In der Stadt selbst versucht man, befallene Personen und Häuser zu isolieren. Manche kommen damit nicht zurecht und rebellieren; ein Journalist, der von außen kam und eigentlich nur darüber berichten wollte, sitzt genauso fest wie alle anderen. Er möchte unbedingt wieder raus und nimmt dafür sogar Kontakt mit Schmugglern auf. Nach mehreren Fehlschlägen besinnt er sich eines anderen, bleibt in der Stadt und wird zu einer wertvollen Hilfe des Erzählers.

Dieser gibt sich lange nicht zu erkennen, aber als Leser ahnt man schon, dass es sich um einen Arzt handeln muss, denn die Beschreibungen sind großteils sehr präzise; daher ist davon auszugehen, dass auch Albert Camus einen ärztlichen Berater an der Hand hatte.

Die Pest wütet in der Stadt ohne Unterscheidung von Rang, Geschlecht oder Alter, jeden kann es treffen. Ein Pater predigt (natürlich) etwas von der "Strafe Gottes", wie immer in solchen Zeiten. Als Ausgleich dafür lässt der atheistische Autor daher die Pest ihn genauso dahinraffen wie viele andere.

Es gibt nur sehr wenig bis gar kein "Serum" gegen die Seuche; weder als Akutmittel noch als Impfung. Kommt uns Corona-Zeitgenossen ebenfalls sehr bekannt vor. Ein Wissenschafter entwickelt zwar ganz schnell eines, die Wirksamkeit ist aber nur mäßig. Da zeigen die Impfungen der Jetztzeit doch sehr viel bessere Ergebnisse.

Im Herbst mit seinen niedrigeren Temperaturen klingt die Seuche ab und verschwindet danach endgültig. Zurück bleibt eine Stadt, in der vieles nicht mehr ist wie es zuvor war.

Der Roman ist aber aus heutiger Sicht nicht nur wegen der Beschreibung der Seuche und ihrer Auswirkungen interessant. Er ist gewissermaßen auch eine Zeitreise. Vieles, was für uns heute selbstverständlich ist, war es damals nicht; das betrifft vor allem die Kommunikation. Telefone gab es nur bei der Post, beim Greißler oder in Cafés. Radio und Zeitungen gab es bereits, Fernsehen und vor allem Internet aber noch nicht. Und trotz der langen Kommunikationswege: Die wichtigen und großen  Weichenstellungen finden nicht in Oran und auch nicht in Algier statt, sondern in Paris! Algerien war damals noch nicht unabhängig. Das fühlt sich beim heutigen Leser etwas fremd an, aber historisch gesehen stimmt es natürlich.

Alles in allem ist Albert Camus eine sehr genaue Studie über die Auswirkungen einer solchen Seuche auf die Gesellschaft gelungen. Obwohl die Pest in Oran bloß Fiktion ist, finden sich im Roman alle Komponenten wieder, die wir heute auch aus der Corona-Pandemie kennen. Beim Lesen fallen die Parallelen jedenfalls sofort auf.


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