Freitag, 29. Januar 2021

Hans Rosling: Factfulness ★★★★★

Hans Rosling gemeinsam mit Anna Rosling Rönnlund und Ola Rosling

Hans Rosling: Factfulness  ★★★★★


Cover: Ullstein


Nach "Die Ordnung der Welt" wieder einmal ein Buch, das meinen Horizont erweitert hat wie sonst kaum eines davor. Auch hier würde ich gerne wieder sechs/sieben/acht Sterne vergeben, wenn meine Skala das zulassen würde.

Hans Rosling (leider 2017 verstorben) gelingt es mit seinem ausgezeichneten didaktischen Talent die Sicht auf die Welt wieder gerade zu rücken. Bei unzähligen Vorträgen in der ganzen Welt und vor unterschiedlichstem Publikum (von Studenten bis zur UNO und den Mächtigen der Welt in Davos) musste er immer wieder das Gleiche feststellen: Der Großteil des Publikums hängt veralteten Vorstellungen der Welt an. Er stellt dabei die immer gleichen 12 Fragen, auf die er immer die gleichen falschen (weil alten) Antworten bekommt.

Anhand dieser 12 Fragen ist nun dieses Buch aufgebaut, indem er in jedem Kapitel auf eine dieser Fragen eingeht. Wie er das macht und was er da bringt, hat mich echt umgehauen! Ich hoffe, es gelingt mir, meine Begeisterung dafür in diesem Post rüberzubringen!


Die Fragen lauten beispielsweise:
  • Heute (2017) leben 2 Milliarden Kinder im Alter von 0 bis 15 Jahren auf der Welt. Wie viele Kinder werden es laut Angaben der UNO im Jahr 2100 sein?
  • Nach einer Prognose der UNO wird die Weltbevölkerung bis 2100 um weitere 4 Milliarden gewachsen sein. Was ist die Hauptursache dafür?
  • Wie viele der einjährigen Kinder auf der Welt sind gegen irgendwelche Krankheiten geimpft?
  • Weltweit haben 30-jährige Männer durchschnittlich 10 Jahre lang eine Schule besucht. Wie viele Jahre haben gleichaltrige Frauen die Schule besucht?
Ich werde hier die korrekten Anworten nicht angeben. Bei einem Selbsttest lag ich, so wie die große Mehrheit aller anderen, bei drei richtigen Antworten (von 12). Wer selbst diesen Test machen und sich verblüffen lassen möchte, ist gerne dazu eingeladen. Die Fragen sind auf gapminder.org frei zugänglich!

Die Rate an so wenigen richtigen Antworten kommt hauptsächlich daher, dass wir veraltete Sichten auf die Welt haben. Wissen, das zu unserer Schulzeit aktuell war, ist heute hoffnungslos veraltet. Das alte Weltbild von "wir" und "den Entwicklungsländern" passt einfach nicht mehr. Er trennt die Einkommen nicht in zwei, sondern stattdessen in vier Bereiche auf, die dann das gesamte Buch hindurch wesentlich sind. So hat ab etwa 1960 eine gigantische Verschiebung hin zu mehr Reichtum und Gesundheit stattgefunden, der immer noch stattfindet. Waren vor 30 oder 40 Jahren noch die meisten Chinesen in Armut, so können sich heute viele ein Fahrrad oder ein Auto leisten; immer mehr Chinesen können sich Urlaube in aller Welt gönnen usw. Es ist nicht so, dass es extreme Armut oder Armut nicht mehr geben würde, aber global betrachtet fallen immer weniger Menschen unter diese Kategorie. Ähnliches gilt für viele weitere, sehr bevölkerungsreiche Staaten Asiens und Afrikas.

Am beeindruckendsten waren für mich die Kapitel zur Entwicklung der Weltbevölkerung und Geburtenrate. Im Buch (und auch in zahlreichen Videos) gelingt es ihm, mir schlüssig und einfach klarzumachen, dass die Bevölkerung zwar noch steigt, aber nicht ins Unendliche: Bei 11 bis 12 Milliarden Erdenbürgern pendelt sich ein Gleichgewicht ein.

Ich kann und will hier nicht das ganze Buch nacherzählen. Es liest sich ganz locker, vor allem auch durch die Anektoten, die er aus seinem Leben und seinen Erfahrungen einstreut. Zahlreiche Grafiken erleichtern das Verständnis, sodass ein rundum gelungenes Werk herausgekommen ist.

Leider hat er selbst dessen Veröffentlichung nicht mehr erlebt. Aber das Buch war so weit fortgeschritten, dass seine Mitautoren es dennoch herausbringen konnten. Sohn Ola und Schwiegertochter Anna sei Dank, dass das gelungen ist!


Links


Das Buch lebt von den Erfahrungen eines Arztes, Forschers, Lehrenden und Vortragenden. Vor allem von seinen Vorträgen gibt es zahlreiche Mitschnitte auf YouTube. Die Vorträge sind auf englisch, für die meisten kann man sich aber deutsche oder englische Untertitel einblenden lassen.

Einen dieser Vorträge möchte ich hervorheben. Er schildert darin (so wie auch im Buch) das Erlebnis, als seine Mutter die erste Waschmaschine bekam. Die ganze Familie versammelt sich um diese Waschmaschine, die Großmutter verfolgt auf einem Sessel das gesamte Programm, so hingerissen ist sie von diesem Wunderding. Während seine Mutter ihn zur Hand nimmt und sagt: "Hans, jetzt lassen wir die Maschine die Wäsche waschen. Jetzt haben wir endlich mehr Zeit für die Bibliothek". 

Er, sein Sohn und seine Schwiegertochter sind außerdem Gründer der Gapminder-Stiftung. Die hat es sich zum Ziel gesetzt, Daten der UNO und vieler anderer Organisationen aus ihrem Schattendasein ans Licht zu holen und anschaulich darzustellen. Auf gapminder.org hat man die Möglichkeit, mehr als hundert Datenkategorien gegenüberzustellen und die Werte in Bubbles (Blasen) darzustellen. Die Größe der Bubbles entspricht dabei der Bevölkerungsgröße der Länder.

Auf gapminder.org/tools kann man selbst mit diesen Daten und Blasen experimentieren. Hier ein Beispiel: Alphabetisierungsgrad auf der X-Achse und Geburtenrate auf der Y-Achse.

Hinweis: Klick auf ein Bild macht es größer.


Hier das Bild für 1983
Durch Klick auf die rot umrandeten Stellen kommt man zur Auswahl der Datenkategorie.
Der Pfeil startet dann eine Zeitreise durch die nächsten Jahre ...



... bis zum Bild für 2011
Der rote Trendpfeil für die Zeit ist von mir



Ein sehr schönes Projekt von Gapminder ist "Dollar Street". Fotografen haben in aller Welt Bilder zu ganz alltäglichen Situationen beigesteuert: Eben weltweit und für die einzelnen Einkommensschichten. Auf Dollar-Street kann man sich nun einen Vergleich zu diesen Situationen darstellen lassen. Wieder ein Beispiel: Wie sieht die Schlafgelegenheit weltweit aus?


Die Schlafgelegenheiten sehen innerhalb einer Einkommensschicht (von oben nach unten) weltweit sehr ähnlich aus.
Im rot markierten Bereich kann man wieder die Kategorie auswählen.
Rechts unten kann man mit +/- die Einkommensschichten feiner oder gröber wählen.


Noch ein Beispiel: Wäsche waschen
Passend zur Anektote von der ersten Waschmaschine der Familie Rosling




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