Sonntag, 29. März 2020

Schweizer Gletscherbahnen 2020 - Teil 2

In Teil 2 berichte ich darüber, wie wir nicht mit dem Glacier-Express nach Andermatt gefahren sind; aber dafür ein paar Alternativziele besucht haben.




Samstag, 14. März



Unser Zug nach Andermatt hatte erst um 11:26 Planabfahrt, bis dahin hatten wir die Zeit zu unserer eigenen Verfügung. Also trennten wir uns zunächst von der Gruppe und nutzten die Zeit sinnvoll im Rätischen Museum in Chur.



Dort war aber schon so etwas wie Endzeitstimmung spürbar. Wir erfuhren von den beiden Damen bei der Kassa, dass wir praktisch die letzten Besucher wären, um 17:00 wird das Museum bis auf unbestimmte Zeit geschlossen. Schließungen jetzt also auch in der Schweiz.

Wir nutzten die 90 Minuten, die wir für unseren Kurzbesuch hatten, so gut es ging. Wir fingen mit der Sonderausstellung "Federkiel und Tintenhorn" an und arbeiteten uns danach die weiteren Stockwerke durch die Dauerausstellungen. Das Museum ist sehr schön gestaltet und hätte sich einen viel, viel längeren Besuch verdient!






Schreibutensilien, eben Federkiel und Tintenhorn

Palimpsest, x-mal beschrieben und wieder abgeschabt. In beiden Spalten sind Noten erkennbar.

Tintenhörner

Da wurden aber viele Vertragspartner an einen Tisch gebracht!

Ein Stockwerk beschäftigte sich mit Macht und Gerechtigkeit.

Der Bundesbrief der Drei Bünde

Der Grenzstein aus dem Dreiländereck der Drei Bünde

Stadtkasse


Ein Block ...

... hinter einer Gefängnistür

Ein weiteres mit Bildung, Schule und Buchdruck:

Tischorgel. Links sind zwei Blasbälge erkennbar.

Manual und fünf Registerzüge.

Schulbänke

Schultasche aus Holz ...


... und deren Inhalt, wie Schiefertafel, Schwamm und Griffel, die in einer kleinen Holzschachtel verwahrt werden.

Setzkasten

Druckerpresse


Und ein weiteres befasste sich mit dem (meist) bäuerlich-ländlichen Alltag:

Auf den Almen war es einsam, daher bastelten sich viele Senner so eine Puppe, genannt Sennentuntschi. Diese Puppe auf dem Foto ist etwa 30 cm groß.
Mit dieser Puppe haben die meisten Senner dann gesprochen (und mehr), und einmal, so geht die Sage, wurde so eine Puppe lebendig! Sie rächt sich für die üblen Taten, die der Senn in seiner Einsamkeit mit ihr angestellt hat.

Geburtshilfewerkzeug

Wiege und Gebärstuhl

Traktor. Der Motor wurde mit einem Seil (vorne, weiß) angelassen, ähnlich wie heute die Rasenmäher.

Wurstspritze

Noch ein paar Blicke aus dem Fenster zwischendurch:

Blick zum Hofstieg

Martinskirche

Katzen-Wendeltreppe

Wie gesagt, wir hätte in diesem Museum noch eine Weile ausgehalten, aber wir mussten zum Zug. Ein paar Eindrücke auf dem Weg dorthin:

Das ist ein Hund, ...

... der wo den Namen auch verdient!

Eine Auslage mit vielen Handarbeits-Ideen mit Barbie

im Webalbum sind noch ein paar mehr davon


Kunst im öffentlichen Raum

Glockenspiel am Postplatz

Als wir zum Bahnhof kamen und dort unseren Bus stehen sahen, hatten wir schon so unsere dunklen Vorahnungen.

Anzeigetafel am Bahnhof Chur

Der Blick auf die Anzeigetafel machte uns sicher: Ein einziger Zug ausgefallen – ausgerechnet unserer. Die Rhätische Bahn (RB) nahm – corona-bedingt – keine Touristengruppen mehr an. Daher hatte Maria, unsere Reiseleiterin, inzwischen den Bus organisiert und zum Bahnhof bestellt, auf dass wir ein Alternativprogramm durchführen konnten.

Das sah so aus, dass wir zunächst nach Disentis fahren werden, dort das Kloster besichtigen, aber nicht nach Andermatt weiterfahren werden (Oberalppass für Busse gesperrt). Mittagessen daher auch nicht in Andermatt, sondern irgendwo in Disentis (das Bahnhofs-Restaurant hat uns dann genommen). Anschließend Rückfahrt Richtung Chur, unterwegs werden wir aber noch zwei Sehenswürdigkeiten anfahren.

Da war die Enttäuschung zunächst einmal groß, denn wir wussten ja, was uns entgehen würde: Rheinschlucht, Oberalppass, Abstieg nach Andermatt und Andermatt selbst. Aber ich muss zugeben, dass die beiden Nachmittagsziele durchaus einen würdigen Ersatz darstellten, wie wir später dann auf den Fotos sehen werden!

Aber zunächst einmal nach Disentis und seinem mächtigen und weithin sichtbaren Benediktiner-Kloster. Die Gründung lässt sich in das 7. Jhdt. zurückverfolgen, das Kloster ist also im wahrsten Sinne des Wortes "alteingesessen" im Tal des Vorderrheins.

Wir besichtigten zunächst die Klosterkirche und gingen danach noch hinauf in die Marienkirche.



Sehr heller Innenraum, die Renovierung wurde erst 2018 abgeschlossen.


Sehr barock

Einige Deckenfresken sind recht drastisch in ihrer Darstellung. Das hier dürfte der Heilige Florian sein (Brand, Feuerwehr).

Die Kirche kennt einige "Cephalophore", das sind Heilige, die ihren eigenen Kopf tragen – allerdings nicht zwischen den Schultern.
Placidus und Sigisbert sind die beiden Gründer des Klosters. Placidus bekam Schwierigkeiten mit der weltlichen Macht und wurde ermordet. Hier zeigt er seinem Mitbruder Sigisbert seinen Kopf.
Quelle: https://www.heiligenlexikon.de/BiographienP/Placidus_von_Disentis.htm


Moderne Beichtstühle als Kontrast zur barocken Kirche

Orgel

Diese seltsame Truhe ...

... entpuppte sich als Chorgestühl

Zunächst den Gang rauf zur Marienkirche

In der Marienkirche

Orgel

In der Marienkirche fallen die unzähligen Votivbilder auf

Und nach dem Besuch wieder den Gang runter

Nach diesem Besuch des Klosters hatten wir das gleiche Problem wie gestern schon: wo Mittag essen? Denn das ursprünglich geplante Lokal in Andermatt werden wir ja nicht anfahren. Maria hat dann das Bahnhofsrestaurant als Plan B organisiert. Nach dem Essen hat uns der Wirt erklärt, dass wir die letzte Gruppe in dieser Größe sind, die er bewirten kann; denn die Regierung hat soeben verfügt, dass in einem Lokal für jede Person 4 Quadratmeter vorzusehen sind. Abstand zu halten, ist also auch in der Schweiz geboten. Immerhin durften die Lokale überhaupt noch offen halten, in Österreich war am Tag davor die Schließung aller Lokale per Dienstag bereits angekündigt.

Ein letzter Blick zum Kloster




Wieder im Bus, kündigte Maria uns zwei Überraschungen als Alternativen zu Andermatt an.

Die erste sollte dann die Rheinschlucht (etwa 15 km westlich von Chur) sein. Oder besser gesagt: ein Aussichtspunkt auf die Rheinschlucht, denn in der Schlucht selbst gibt es keine Straße, da fährt nur die Bahn. Interessant an der Schlucht ist ihre Entstehung. Schuttmasse eines riesigen Bergsturzes verlegte das Bett des Vorderrheins. Mit der Zeit hat sich der Fluss aber wieder durch diese Masse gegraben und zurück blieb die Schlucht mit ihren Wänden aus Schuttmaterial.

Infotafel am Aussichtspunkt in die Rheinschlucht

Rheinschlucht
Am Fuß der rechten Steilwand kann man die Bahntrasse erkennen

Rheinschlucht

Eine nur ganz dünne Erdschicht, aber es wächst was!

Und das zweite Ersatzziel war dann die Viamala, ebenfalls eine tief eingeschnittene Schlucht, diesmal aber durch den Hinterrhein.

Bei Tamins (zwischen Rheinschlucht und Chur) treffen Vorder- und Hinterrhein wortwörtlich aufeinander, sie fließen in entgegengesetzter Richtung aufeinander zu. Im rechten Winkel dazu fließen sie dann als Rhein nach Osten weiter.

Zusammenfluss von Vorder- und Hinterrhein

Wir fuhren mit dem Bus von Tamins weiter in den Süden, immer den Hinterrhein entlang, bis Thusis; von dort sind es nur noch eine Handvoll Kilometer bis zur Viamala (oder Via mala).

Die Viamala stellt den schwierigsten Abschnitt auf der Strecke von Chur nach Süden zu den Alpenpässen Splügen und San Bernardino dar. Der Hinterrhein hat sich hier ein derart tiefes und enges Tal geschnitten, dass kaum Platz für eine Straße bleibt. Die Römer haben in die Felswände oberhalb des Flussbettes Galerien geschlagen, auf denen gerade einmal ein Tragtier gehen konnte. Nach den Römern wurden andere Wege in den Süden bevorzugt, sodass die Straße mehr und mehr verfiel und seit dem 13. Jhdt. nur noch "via mala" (schlechte Straße) genannt wurde. Erst Ende des 15. Jhdts. entschlossen sich die Anrainergemeinden, die Straße zu restaurieren.

Heute ist die Viamala ein beliebtes Ausflugsziel, wie zum Beispiel für uns. Die Fotos sind schon einigermaßen beeindruckend, noch beeindruckender ist es natürlich, wenn man selber sich da drin bewegt!

Infotafel zur Viamala

Gleich daneben das neue Besucherzentrum aus 2014
Sehr moderater Eintritt: CHF 6,-- für ein Einzelticket

Von hier führt ein Weg nach unten zum Fluss

Man hat 90 Minuten Zeit für den Weg hinunter und wieder hinauf
Ganz unten befindet sich dann eine Aussichtsplattform. Ein Spiegel ermöglicht den Blick hinein in die Schlucht zum Strudelloch.


Die neue Straße (Hintergrund) führt dann in die Galerie, die alte Straße ist im Vordergrund zu sehen.
Die alte Brücke

Auf der Straße rechts sind auch wir mit dem Bus gekommen


Hier sieht man noch Reste der Galerie, die ursprünglich von den Römern in den Fels geschlagen wurde

So haben dann die Transport da drinnen ausgesehen

2006 ist jetzt noch nicht so lange her!



Also, die Viamala war schon ein tolles Erlebnis und hat die Enttäuschung über die ausgefallene Zugfahrt wieder einigermaßen wettgemacht!

Corona hat unseren dritten Tag also ziemlich durcheinander gewürfelt! Die Busfahrt nach Disentis, die Besichtigung des Klosters dort, das Mittagessen in Disentis und dann die beiden Ersatzziele Rheinschlucht und Viamala waren so nicht vorgesehen.

* * * * * * *

Für den vierten Tag war im wesentlichen eine Besichtigung Zürichs auf eigene Faust vorgesehen. Wir hatten uns einen Rundgang durch die Stadt zurechtgelegt, der die geplante Zeit locker ausgefüllt hätte.

Tatsächlich hatten wir dann wesentlich weniger Zeit dafür, denn wir machten auch noch einen Stopp in Rapperswil. Diese beiden Ziele finden hier aber leider keinen Platz mehr und werden daher erst in Teil 3 behandelt.



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