Sonntag, 10. Dezember 2017

Volkstheater: Wien ohne Wiener. Ein Georg Kreisler-Liederabend

Vor einigen Jahren hatten wir im Wiener Schuberttheater eine Aufführung von "Don Quijote" gesehen, dargestellt von lebensgroßen Puppen und unter der Regie von Nikolaus Habjan. Wir waren damals so begeistert davon, dass wir immer hellhörig werden, wenn von Nikolaus Habjan irgendwo die Rede ist.

Jetzt war es wieder soweit. Im Volkstheater Wien ist ein Abend mit Liedern von Georg Kreisler angekündigt; Regie wieder Nikolaus Habjan und natürlich sind auch die Puppen wieder dabei. Die musikalische Begleitung besorgt das Osttiroler Ensemble Franui.

Der Programmzettel im Internet hat außerdem blitzartig alte Erinnerungen wachgerufen, dazu später mehr.

Gestern Abend waren wir also dort; und soviel kann ich schon verraten: die Geburtstagsüberraschung ist gelungen. - Danke!






In einer Art Revue werden in losem Zusammenhang die Lieder von Georg Kreisler aufgeführt. Es gibt keinen roten Faden oder eine zusammenhängende Dramaturgie, sondern einfach eins nach dem anderen.

Die Lieder an sich sind ja schon hörenswert, aber hier werden sie von den Darstellern und den Puppen noch wunderbar unterstützt. Seine Texte sind ja alles andere als politisch korrekt, sondern eher zynisch, sarkastisch, misanthrop, morbid, witzig, anarchistisch, böse. Einer handelt davon, dass ein Kellner irgendwann einmal eine Handgranate im Lokal ausrollen wird. Wenn du heute so einen Text bringst, hast du wahrscheinlich demnächst Besuch vom Verfassungsschutz. Aber zu seiner Zeit und mit seinem Namen ging das noch.

Das bekannteste Lied - und das, das mir immer als erstes beim Namen Georg Kreisler einfällt - ist das mit dem Tauben vergiften im Park. Es ist gleichzeitig sein umstrittenstes, weil ihm der Geruch des Plagiats (Tom Lehrer) anhängt.



Eines seiner witzigsten ist meiner Meinung nach das vom Triangelspieler im Opernorchester:



Diese und viele mehr haben wir gestern gehört und gesehen, insgesamt fast zwei Stunden lang ohne Pause! Ein wirklich unterhaltsamer, gelungener Abend!


Erinnerungen an wilde Zeiten

And now for something completely different!

Im Programmzettel wird auch das Ensemble Franui ein wenig beschrieben. Schon während des Lesens klingelt's bei mir im Hinterkopf - ganz heftig. Auslöser waren so die Namen Innervillgraten, Osttirol und Schett.

Ich bin (leider) alt genug, um mich an diese Geschichte zu erinnern. 1982 stellt der Jäger Johann Schett den Wilderer Pius Walder und erschießt ihn. Hermann und Emil, die Brüder des Opfers, gehen von einer absichtlichen Tat aus und schwören noch am Grab ihres Bruders Rache. Dieser Fall, der so irgendwie gar nicht ins ausgehende 20. Jahrhundert passt, zieht in den Medien weite Kreise und Hermann Walder tritt immer wieder in Talk Shows auf (Club 2 hieß die damals).

Nachlesen kann man das alles in der Wikipedia, eine Reportage über den Fall gab es im ORF 30 Jahre danach, anzusehen auf YouTube (inkl. Aufnahmen vom Begräbnis und vom Club 2):



In diesem Beitrag kommt auch der Soziologe Roland Girtler zu Wort, der sich besonders mit Randgruppen der Gesellschaft beschäftigt. Er hat unter anderem diesen Fall in seinem Buch über die Wilderer behandelt.

1 Kommentar:

  1. Wenn Nikolaus Habjan mit seinen Puppen auftritt, dann wird er meisten von einem Pianisten begleitet: Daniel Nguyen, Philipps Daniel! Das nächste Mal mit dem Programm "Ich pfeif auf die Oper" am 30.12.2017 um 19:30 im Wiener Konzerthaus.
    lg, K

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