Freitag, 6. Februar 2015

20 Jahre Internet

Beinahne hätte ich es übersehen! Aber vor ziemlich genau 20 Jahren hat das Internet in unserem Haushalt Einzug gehalten!
Genau genommen hatte ich am 16. Februar 1995 um Infomaterial angefragt und am 20.3.1995 hab ich dann bereits meine Zugangdaten und die erste Rechnung erhalten.

Im Nachhinein betrachtet war das damals schon noch eine echte Pionierzeit, was das Internet betrifft. Aus heutiger Sicht kaum noch vorstellbar, so allgegenwärtig und selbstverständlich wie "das Netz" heute ist. Aber damals...

Ich lade euch ein auf eine kleine Zeitreise in die Steinzeit des Internets.



Ja, damals! Da gab es zum Beispiel noch das Postmonopol. Das bedeutete, dass nicht nur die Leitungen der Post gehörten (nix A1, Jet to Web, Telekom Austria oder wie sie sonst noch hießen), sondern auch sämtliche Dienste (Sprache, Fax, Telex etc.), die über diese Leitungen gingen; ebenso wie alle Endgeräte, die man bei ihnen mieten musste, und so weiter. Das Postmonopol fiel in Österreich erst 1998.

Ich hatte 1995 bereits ein Modem. Von meiner ersten Dienstreise in die USA nahm ich mir ein ganz edles USRobotics Sportster (mit sagenhaften 14,4 kbit Übertragungsrate) mit, das mit einem externen Netzteil mit Strom versorgt wurde, sodass die Spannungsunterschiede USA/Europa (110V / 220V) keine Rolle spielten.

Damals war das USRobotics sportster auf der Höhe der Zeit! [Quelle: Wikimedia]

Mit diesem Modem konnten wir schon faxen bzw. hatten wir einen Zugang zu Compuserve (sauteuer und mickrig). Von diesem Modem durfte die Post natürlich nichts wissen (weil Monopol, siehe oben), was aber kein großes Problem war, weil die Post selbst solche Modems benutzte und es sich daher im Netz völlig unauffällig verhielt.

Damals war in der Zeitschrift c't seit etwa einem Jahr immer wieder von einem gewissen "WWW" die Rede, das im Kernforschungszentrum CERN entwickelt wurde, um Dokumente einfacher zugänglich zu machen. Das war aber noch so exotisch, dass ich mich mit diesem Thema praktisch nicht auseinander setzte. Aber Ende 1994/Anfang 1995 wurden die Meldungen immer dichter und ausführlicher, sodass ich mich doch näher dafür interessierte.
Außerdem konnte ich im Herbst 1994 das WWW auf einer weiteren Dienstreise in die USA erstmals live sehen: Kollege Charly hatte einen Mosaic-Browser (Vorläufer des Netscape, s. unten) installiert und ließ mich eine Weile herumprobieren. Ab da war klar: das musste ich auch haben. Nach Hause zurück gekehrt, suchte ich also einmal alle Komponenten (Hardware, Software, Provider, Dienste etc.) zusammen, die für dieses ominöse WWW notwendig wären.

Der Zugang zur Leitung war also per Modem bereits vorhanden. Nächste Hürde: Windows. Damals war Windows 3.1 aktuell, also auch bei uns. Nur: Windows hatte damals noch keinerlei Netzwerkmodule, sowas wie TCP/IP, IPStack etc. war da völlig unbekannt. Einen Ausweg bot Trumpet Winsock, eine australische Freeware, die diese Teile für Win3.1 nachträglich installierte. Damit konnte man eine Telefonnummer zu einem Server seines Internet-Providers eingeben und voilá, das Internet lag einem zu Füßen.

Nur: welche Telefonnummer? Welcher Provider? Irgendwann bin ich bei meinen Recherchen dann auf einen der ersten außer-universitären Internetprovider gestoßen, nämlich PING. Der stellte alles zur Verfügung, was man so brauchte: Einwahlknoten, DNS-Server und email-Adresse (ahofer@ping.at, heute längst nicht mehr aktiv).

Das Problem dabei: der Preis! Damals war das noch ein Zeittarif, dh. die Kosten wurden nach Online-Minuten abgerechnet. Die ersten drei Stunden waren fix ATS 150,-- (Mindestbetrag), jede weitere Stunde kostete ATS 54,--. Wenn man die Inflation für 20 Jahre berücksichtigt (2% pro Jahr) ergibt das ziemlich genau einen Faktor von 1,5; dh. die Preise wären heute ATS 225,-- bzw. ATS 81,-- oder in Euro: 16,35 für die ersten drei bzw. 5,88 für jede weitere Stunde.

[Der Einfachkeit halber werde ich ab jetzt nur noch Preise in EUR inkl. 20 Jahren Inflation angeben.]

Die email-Adresse kostete noch einmal zusätzlich EUR 10,90 pro Monat.

Dazu kam noch der Telefontarif. Der Einwahlknoten war zunächst in Wien, sodass für uns Fernzone 1 mit EUR 1,12 pro Stunde galt.

EUR 1,12 sieht nach nicht sehr viel aus, aber das läpperte sich, denn die Übertragungsrate betrug nur 14,4 kBit/Sekunde. Die Übertragung eines einfachen Fotos mit 100kByte Größe dauerte auf dieser Leitung somit 70 Sekunden (in Worten: siebzig!) - unter besten Bedingungen, sonst noch länger! Daher konnte man in den Browsern der damaligen Zeit (es gab de facto nur Netscape, der MS-Internet Explorer war noch nicht verfügbar) das Runterladen der Bilder unterdrücken. Statt des Bildes sah man dann nur einen Rahmen als Platzhalter; erst nach einem Klick mit der Maus auf diesen Rahmen wurde das Bild nachgeladen.

Mitte 1995 stellte PING einen Einwahlknoten in Wiener Neustadt zur Verfügung, der für uns in der Ortszone lag, dh. zumindest die Telefonrechnung wurde nicht mehr so arg strapaziert.

Erst einige Jahre später - ich kann mich nicht mehr erinnern, wann das genau war - wurde von Zeit- auf Volumentarif umgestellt. Das bedeutete, dass lange Ladezeiten "nur" noch die Telefonrechnung belasteten, aber nicht mehr das Guthabenkonto bei PING. Das Modem blieb aber noch jahrelang erhalten; ein neues Modem schaffte dann bereits 28,8kBit pro Sekunde, ein noch neueres schon sagenhafte 56kBit (dieses Modem hab ich noch irgendwo - unverkäuflich). Aber im Vergleich zu heute üblichen Geschwindigkeiten ist das einfach gar nix. Eine einfache ADSL-Leitung mit 11Mbit bringt bereits den 200fachen Durchsatz. Wir waren damals gezwungenermaßen sehr geduldig.

Noch ein paar Worte zu PING. Im Zuge meiner Recherchen für diesen Post bin ich auf eine Seite gestoßen, die die Geschichte von PING erzählt: mit Fotos, eingescannten Prospekten etc. Sehr sehenswert (zumindest für mich als ehemaligen Kunden), und direkt rührend. Die Prospekte, die man auf dieser Seite sieht, hab ich ebenfalls noch - fein säuberlich abgelegt in einem Ordner, wie man das damals halt so machte.

Ich kann mich nicht mehr recht erinnern, wo ich damals überall herum surfte, denn das Angebot war ja noch recht dünn. Es gab noch keine Suchmaschinen - weder Altavista (kennt heute niemand mehr), noch Yahoo noch Google, ich hab mir daher eine Sammlung von interessanten Links in Buchform (!) besorgt, einfach, um einmal ein bisschen Orientierung zu bekommen. Das Buch hab ich übrigens noch, es ist inzwischen ein historisches Dokument.
EMails kamen relativ rasch in Mode und haben die schriftliche Kommunikation revolutioniert.

Auch (heute) so selbstverständliche Dinge wie Electronic Banking, Wikipedia, Hotel-Suchen bzw. -Bewertungen, Zugfahrpläne oder gar Ticketbuchungen, amazon (kam erst Oktober 1995), Karten, YouTube, Mediatheken der Fernsehsender, Facebook oder Zeitungen: nichts davon gab es damals. Einzige Ausnahme war die Tageszeitung "Der Standard", die Anfang Februar 2015 ebenfalls ihr 20jähriges Online-Jubiläum feierte. Damit war der Standard echter Pionier, die anderen Zeitungen folgten erst wesentlich später.

So, wollen wir von der Zeitreise schön langsam wieder in die Gegenwart zurück kehren! Das Bild von dem USRobotics-Modem oben ist etwa 400kByte groß und damit 4x so groß wie das in meiner Beispielrechnung. Damals hätte es also 280 Sekunden (oder über 4 Minuten) gedauert, bis es komplett geladen gewesen wäre; jetzt beim Lesen hast du wahrscheinlich die Ladezeit nicht einmal wahrgenommen, das Bild war einfach sofort da. Die Blog-Plattform wird von Google zur Verfügung gestellt (bezahlt mit meinen Daten), einige Links zeigen auf Sites, die es damals noch nicht gab, einige Firmen und Dienste sind heute verschwunden bzw. vergessen. Alles fließt.

Ich hoffe, ich konnte verdeutlichen: 20 Jahre Internet sind eine kleine Ewigkeit. Und vor 20 Jahren war das damals wirklich noch die Steinzeit, das ist nich bloß so dahin gesagt.

Mal sehen, was die nächsten 20 Jahre so bringen werden.

4 Kommentare:

  1. Echt interessant der Artikel. Ich bin wohl aus der ersten Generation, die sich nicht an eine Zeit ohne Internet erinnern kann. Das Geräusch des Einwählens über ein 56K Modem habe ich heute noch im Ohr. Oder: "Bitte derzeit nicht ins Internet gehen, ich erwarte einen Anruf", beides gleichzeitig ging ja nicht...

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    1. Wieso "derzeit nicht ins Internet gehen"? Derjenige hätte halt einfach am Handy anrufen können!

      Ach so, gab's ja auch nicht...

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  2. Zu Google und "Bezahlt mit meinen Daten" - hab ich neulich einen guten Spruch gelesen: "If you don't have to pay for the product, you are the product."

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  3. Super Beitrag. Wir starteten in Relation im Mittelalter (1998 oder 99, mit 44k Modem) . Meine Netway Mailadresse funktioniert heute noch. :-)
    Gruß HaWe

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