Sonntag, 2. November 2014

"Dantons Tod" im Burgtheater

Am Freitag stand Georg Büchners Drama "Dantons Tod" für uns auf dem Programm. Das Stück ist schwer text- und dialoglastig, noch dazu gibt es jede Menge Figuren, und der Handlungszeitraum ist auf die paar Tage vom 24.März bis zum 5.April 1794 begrenzt. Dadurch ist die Handlung sehr detailreich und setzt eine dem entsprechende Vorbereitung mit dem Stück und seinem historischen Hintergrund voraus. Ohne diese Vorbereitung fällt es wahrscheinlich sehr schwer, den Dialogen auf der Bühne zu folgen.

Joachim Meyerhoff (Danton), Fabian Krüger (St. Just)
Foto: Burgtheater / Reinhard Werner



Wir hatten diese Vorbereitung, entsprechend gut ist es uns an diesem Abend gegangen - einmal abgesehen von den heftigen Hustenanfällen aufgrund einer Verkühlung.



Im Mittelpunkt stehen die beiden Kontrahenten Georges Danton und Maximilien Robespierre.

Danton, selbst ein radikaler Jakobiner, geht die Entwicklung der Schreckensherrschaft gegen den Strich, er strebt einen Kompromiss mit den gemäßigteren Kräften an, er will nicht mehr morden, seine Beteiligung an den Septembermorden nagt an seinem Gewissen. Außerdem ist er Wein, Weib und Gesang nicht ganz abgeneigt, er hat die schönen Seiten des Lebens zu genießen gelernt. Joachim Meyerhoff ist meistens in einem eleganten Morgenmantel unterwegs, was seine Nähe zu gutbürgerlichem Leben unterstreichen soll.

Das alles ist zuviel für Robespierre, den Tugendhaften, der nicht raucht, nicht trinkt und von dem es keine Frauengeschichten gibt. In dieser Inszenierung ist Michael Maertens ganz in schwarz, hochgeschlossen bis zum obersten Hemdknopf, hat eine glattgeschleckte, einfache Frisur, die mich stark an Anton Chigurh erinnerte, und trägt eine riesige, völlig aus der Mode geratene Brille. Sein einfaches Zimmer ist nur mit einem Tisch und einem Sessel möbliert, auf dem Tisch steht ein Glas Milch. Der Asket in Person.

Das Problem dabei: er versucht, diesen seinen Lebensstil allen anderen aufzuzwingen; wer sich dagegen stellt, ist in Gefahr, die Guillotine steht in Dauerbetrieb.
[Als er später (im Juli 1794) versucht, selbst den Konvent und den Wohlfahrtsausschuss einer Säuberung zu unterziehen, wird er sofort verhaftet und kurz darauf selbst hingerichtet. Er hat den Bogen überspannt.]

Danton hat er zwar bereits aus dem Wohlfahrtsausschuss gedrängt, dieser bleibt für Robespierre aber immer noch ein bedeutender Gegner. Als dann auch noch der Scharfmacher St. Just Robespierre gegen Danton und seine Freunde aufhetzt, ist die Entscheidung für deren Verhaftung schnell getroffen.
Das geschieht ganz gegen die Erwartung von Danton, der sich in Sicherheit glaubt, weil er beim Volk beliebt ist ("sie werden's nicht wagen"); so kann man sich täuschen! Er hat resigniert und versucht nicht einmal, gegen die Verhaftung und drohende Verurteilung anzukämpfen, er will einfach nicht mehr.

In dieser Inszenierung ist der ursprüngliche Text stark gestrichen, es gibt praktisch keine erkennbaren Szenen- oder Aktwechsel, die ganze Aufführung geht in einem Zug durch. Im Zentrum steht die Drehbühne, die die ganze Zeit in Bewegung ist, und auf der das revolutionäre Chaos zu erkennen ist. Aufgrund der Dauerdrehung, die ich als Sinnbild für die Revolution verstehe, die ständig in Bewegung und nicht aufzuhalten ist, wird praktisch nur an der vorderen Bühnenkante gespielt. Sonst bin ich kein so großer Freund des übermäßigen Einsatzes der Drehbühne, aber hier passt es.
Teilweise wird auch das Publikum einbezogen, etwa als Geschworene beim Revolutionstribunal.

Etwas zuviel gestrichen oder zu stark zurückgenommen wurde meiner Empfindung nach St. Just, dem an sich nichts radikal genug sein kann. Hier bringt er seinen Monolog vor dem Tribunal ("Es scheint in dieser Versammlung einige empfindliche Ohren zu geben, die das Wort Blut nicht wohl vertragen können...") so leise und beiläufig, dass dessen ungeheure Schärfe beinahe untergeht. Man muss ja nicht zum Pathos früherer Zeiten zurückkehren, aber etwas mehr auf die Tube drücken hätte man hier schon können.

Ansonsten aber eine tadellose Inszenierung und eine starke Vorstellung der Schauspielerriege. Der Abend stellt zwar einige Anforderungen an das Publikum, etwa die schon erwähnte notwendige Vorbereitung, den hohen Aufmerksamkeitspegel, und nicht zu vergessen das Sitzfleisch: 135 Minuten ohne Pause!

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