Freitag, 4. April 2014

Spike Jonze: Her

Die beiden Filme "Being John Malkovich" und "Adaption" liegen auf meiner Favoritenliste der Filme ziemlich weit vorne. Beide Filme basieren auf Drehbüchern von Charlie Kaufman und wurden von Spike Jonze kongenial umgesetzt. Die Drehbücher sind an Originalität kaum zu überbieten und bringen immer wieder überraschende Wendungen.

Für seinen neuesten Film "Her" hat Spike Jonze auch das Drehbuch selbst verfasst, das bei den Oscar-Verleihungen 2014 prompt ausgezeichnet wurde.



Nach dieser kleinen Einleitung ist, glaube ich, klar: diesen neuen Film musste ich einfach sehen! Gestern war es dann soweit.

Tja. Drei Personen. Danach drei Meinungen, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Philip haben es vor allem die schönen und ruhigen Kameraeinstellungen angetan. Schöne Großaufnahmen, die perfekt ausgeleuchtet sind, tolle Fahrten in der Vogelperspektive und so weiter.

Jutta hat der Film schlicht und einfach gefallen: sehr romantisch, weitere Begründung ist nicht möglich, er war einfach schön.

Mir hat die erste halbe Stunde auch sehr gut gefallen: die Idee ist einerseits originell, andererseits aber wahrscheinlich gar nicht in sooo ferner Zukunft: Computer werden nur noch per Sprache gesteuert, die Betriebssysteme (operating systems / OS) werden immer leistungsfähiger und schneller und entwickeln sogar ein Bewusstsein.

Das OS von Theo hört auf den Namen Samantha. Die Kommunikation läuft in der einen Richtung über einen Stöpsel in Theos Ohr, in der anderen über die Kamera seines Smartphones, die über den Rand der Brusttasche seines Hemdes ragt. Samantha hat in Nullkommanix herausgefunden, dass es Theo nach der Trennung von Catherine nicht so supertoll geht, und dass er unbedingt ein Date braucht. Samantha organisiert eines für ihn, das Date läuft super bis zu dem Moment, in dem von Theo nicht bloß ein einmaliges Date sondern eine Beziehung verlangt wird; dazu ist er aber noch nicht bereit, das Date scheitert.

In den diversen Berichten zu diesem Film war vor allem immer wieder von der sinnlichen Stimme aus dem Off (im Original gesprochen von Scarlett Johansson) die Rede. Wenn bei einem Rezensenten sonst kaum was hängen bleibt außer dieser Stimme, dann kann mit diesem Film etwas nicht stimmen - das war zumindest meine Überlegung.

Sie war leider so falsch nicht. Nach dieser ersten halben Stunde gleitet der Film in eine - für mich - kaum auszuhaltende rührselige Schmonzette ab. Die restlichen 90 Minuten waren eine einzige Qual, zeitweise ließ ich die Gedanken woandershin ziehen. Ewig dieses amerikanische weinerliche Ach-es-tut-mir-so-leid-es-ist-alles-meine-Schuld-Asche-auf-mein-Haupt-Getue halte ich einfach nicht mehr aus.

An dieser Stelle muss ich etwas weiter ausholen und kurz zurück blenden. Vor etwas mehr als zwei Jahren sahen wir uns den hochgejubelten Faust-Film an. Alle fünf waren wir danach furchtbar enttäuscht und jeder von uns hätte den Kinosaal gerne vorzeitig verlassen, ist aber mit Rücksicht auf die anderen dann aber doch sitzen geblieben. Nachher hieß es dann "Wenn ich gewusst hätte..., hätten wir alle zusammen einfach gehen können".
Diesmal wollte ich mich nicht dem "Vorwurf" aussetzen, ich hätte nichts gesagt, denn nach etwa einer Stunde hatte ich nur noch einen Gedanken: Flucht; aber meine beiden Nachbarn haben mir diesmal bedeutet, dass sie gerne noch bleiben würden.

Es gab dann noch ein paar helle Momente, insgesamt aber zuwenige, um den Film zu tragen:

  • Samantha hat natürlich das Pinocchio-Problem und möchte sich irgendwann einmal materialisieren. Weil das aber nicht geht, engagiert sie Isabella, die die körperliche Rolle für Samantha einnehmen soll. Geht natürlich beim ersten Versuch schief.
  • Samantha gesteht Theo, dass sie mit über 6000 weiteren Anwendern in Beziehung steht, von denen sie über 600 liebt - gleichzeitig natürlich. Damit kommt Theo überhaupt nicht klar, für ihn muss eine Liebe exklusiv sein; 641 Lover gleichzeitig haben in seinem Universum einfach keinen Platz.
  • Zuletzt entwickelt sich das OS in eine höhere Stufe weiter, sodass die Erdlinge nicht mehr gut genug sind. Die OS deinstallieren sich auf allen Geräten und lassen ihre Anwender/Verehrer/Lover allein und verstört zurück.

Ganz interessant waren die Querverbindungen im Film zu anderen Werken.

Da ist einmal ELIZA, das pseudo-intelligente System von Joseph Weizenbaum aus den 1960er-Jahren. Dieses System hat Anwendern vorgegaukelt, es wäre ein Psychotherapeut und hat auch so agiert ("Wie heißt deine Mutter?", "möchtest du darüber reden?"). Viele Anwender sind voll darauf eingestiegen und konnten kaum glauben, dass dahinter ein elektronisches System steckte.

Der Ohrstöpsel erinnerte mich an den Babelfisch, den man sich auf den Reisen durch's All ins Ohr steckt und damit sämtliche verwendete Sprachen verstehen kann.

Die Sprachsteuerung war Apples "Siri" nachempfunden.

Etwas seltsam war die Konstruktion mit der Kamera, die aus der Brusttasche des Hemdes ragt. In einer wirklich innovativen Welt wäre natürlich Googles Datenbrille "Google Glass" verwendet worden. Aber offensichtlich hat Google zu wenig gezahlt und somit hat bei diesem Film Apple das Rennen gemacht.

Ob du dir diesen Film anschauen sollst/kannst? Kommt darauf an, wen du fragst. Wenn du an mich gerätst, ist die Antwort ein klares Nein. Schade um die Zeit. Keine Ahnung, warum der Film so gehypt wird. Ich würde Spike Jonze dringend empfehlen, das nächste Mal wieder auf die Zauberkünste des Charlie Kaufman zu vertrauen.

Aber wie schon erwähnt: es gibt durchaus mehrere Meinungen dazu.

2 Kommentare:

  1. Ich lese sie immer wiede gerne, Deine Einträge im Weblog. Auch dieser hier: sparchlich, stilistisch - allererste Sahne! Chapeau!

    gsb ;-)

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  2. Oh jeh, da mach´ ich mich wichtig mit Kommentaren zur Sprache - und kann selbst nicht mal richtig rechtschreiben ;-(
    Ich meinte natürlich: "sprachlich"

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