Mittwoch, 9. April 2014

Lars von Trier: Nymph()maniac - Teil 2

Gestern sahen Philip und ich den zweiten Teil von Nymphomaniac. Den ersten Teil sahen wir vor einem Monat, und damals waren unsere Eindrücke schon etwas gemischter Natur. Nach diesem ersten Teil schrieb ich den hoffnungsvollen Schlusssatz:
Der zweite Teil ist jedenfalls Pflichttermin, zumal bei den anderen Lars von Trier-Filmen die zweiten Teile immer noch die stärkeren waren! 
 Um es kurz zu machen: das hat sich leider nicht ereignet.



Ganz im Gegenteil! Etwas weniger charmant ausgedrückt, könnte man auch von einem "Griff ins Klo" sprechen.

Der zweite Teil schließt nahtlos an den ersten an, so als hätte es keine vierwöchige Unterbrechung gegeben. Keine Auffrischung der Erinnerung ("was bisher geschah"), kein gar nix. Wer den ersten Teil nicht gesehen hat und gleich mit dem zweiten einsteigt, hat ein gewisses Problem.

Der Inhalt ist rasch erzählt:

  • Joe ist von Jerome, ihrem "cantus firmus", schwanger und bekommt nach einigen Überlegungen dieses Kind auch.
  • Sie beginnen eine bürgerliche Beziehung mit Vater, Mutter, Kind in einer eigenen Wohnung. Jerome ist allerdings oft auf Dienstreisen.
  • Sexuell verlangt Joe ihrem Jerome viel ab - zu viel für seine Begriffe und Ausdauer. Und so fordert er sie auf, sich auch mit anderen Männern einzulassen, um ihn selbst etwas zu entlasten.
  • Sie beginnt mit Dreier-Veranstaltungen mit ihr völlig unbekannten schwarzen Einwanderern
  • steigt dann aber rasch um auf Sado-Maso: im Film quälend lange ausgewalzt ("quälend" in mehrfacher Bedeutung)
  • eines nachts, als Jerome wieder einmal auf Dienstreise ist, geht sie erneut zu ihrem SM-Zuchtmeister und lässt ihren Sohn Marcel allein (die Babysitterin hat was Besseres vor). Der Kleine wird wach, klettert aus seinem Gitterbett, geht zum Balkon, steigt auf einen Sessel und steht vor der Brüstung des Balkons. Da kommt glücklicher- und überraschenderweise Jerome nach Hause und holt den Zweijährigen gerade noch zurück.

    [Sein Film "Antichrist" beginnt mit einer ähnlichen Szene (sogar die Hintergrundmusik ist die gleiche), allerdings springt der Kleine dort tatsächlich]

    [Besondere Ironie und Tragik dabei: genau während wir im Kino diese Szene sehen, stürzt im wirklichen Leben in Wien ein Dreijähriger aus dem 12. Stock in den Tod]
  • Die Familie bricht auseinander, Marcel kommt zu Pflegeeltern
  • Joe besucht eine Selbsthilfegruppe für "Sexsüchtige" (politisch korrekter Begriff laut Gruppenleiterin); sie versucht es ernsthaft und ist mehrere Wochen enthaltsam. Danach kommt sie zu einer weiteren Sitzung der Gruppe und outet sich endgültig als "Nymphomanin", ein Begriff, auf den sie besteht und zu dem sie sich ausdrücklich bekennt.
  • Sie nimmt einen Job bei einem Brutalo-Inkassobüro an und ist dort mit ihren subtilen Methoden erfolgreicher als die Macho-Kollegen
  • Eines Tages begegnet sie Jerome wieder; sie versucht ihn zu erschießen, die Pistole feuert aber nicht, weil sie sie nicht durchgeladen hat. Darauf schlägt Jerome sie auf offener Straße zusammen.
  • Und hier schließt sich der Kreis. Wir sind wieder bei der Eingangsszene des ersten Teils, als Seligman sie auf der Straße verletzt findet und sie in seine Wohnung mitnimmt.
  • Zu aller-allerletzt gibt es noch eine völlig überraschende Wende; die wird hier allerdings nicht verraten.
Joes Lebensstationen werden von Seligman immer wieder schön zusammengefasst und interpretiert. Am besten hat mir dazu seine letzte gefallen: es ist ok, wenn sie eine Nymphomanin ist. Wenn sie ein Mann wäre und hätte so einen Lebenslauf, kaum jemand würde darüber reden; aber weil sie eine Frau ist... Sie sollte doch deswegen keine Schuldgefühle haben; insofern hat sie völlig richtig gehandelt, als sie die Selbsthilfegruppe verlassen hat. 

Das war ein wirklich tolles und würdiges Schluss-Résumé - ganz Lars von Trier!


Aber die zwei Stunden dazwischen: elendiglich lang, langatmig, quälend. Bei einem anderen Film wäre ich aufgestanden und gegangen; aber hier haben wir halt die Hoffnung bis zum Schluss nicht aufgegeben.

Meine übliche Schlussfrage der Weiterempfehlung stellt sich diesmal leider nicht.

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