Mittwoch, 26. Februar 2014

"Maria Magdalena" im Burgtheater

Gestern sahen wir im Burgtheater "Maria Magdalena", ein "bürgerliches Trauerspiel" von Friedrich Hebbel. Ich muss zugeben, ich kannte gerade noch den Namen Friedrich Hebbel, konnte ihn aber in keinster Weise einordnen geschweige denn ein Werk von ihm nennen. Die Inhaltsangabe in der Wikipedia erschien mir außerordentlich dramatisch und tragisch; das Stück scheint nicht mehr ganz in unsere Zeit zu passen. Ich hab sogar überlegt, die Aufführung ausfallen zu lassen.

Aber das wäre eine glatte Fehleintscheidung gewesen.

Schon nach den ersten Minuten war ich von der Aufführung angetan und erstaunt, was man aus dem Stück herausholen kann; und das, obwohl es fast kein Bühnenbild und keine Requisiten gibt und die Inszenierung sehr statisch ist: die Schauspieler bewegen sich kaum und sprechen praktisch immer ins Publikum, auch wenn sie gerade miteinander einen Dialog führen.

Das Bühnenbild besteht praktisch nur aus einer Art Holzkasten, sehr schmal und hoch, der auf der Seite des Publikums offen ist, und die Enge des kleinbürgerlichen Haushalts und der kleinbürgerlichen Gesinnung darstellt. Nur die Eltern scheinen sich darin wohl zu fühlen, die Kinder versuchen aus dieser Enge auszubrechen. Solange die todkranke Mutter noch lebt, steht der Kasten gerade; nach ihrem Tod, ausgelöst von der Nachricht, ihr Sohn Karl wäre ein Juwelendieb, steht der Kasten stellvertretend für den Haussegen schief.

Die Musik ist an sich sehr passend zum Stück ausgewählt; nach dem Ausklingen bleibt die ganze Zeit leider ein sehr hoher Dauerton in der Luft hängen, den ich als eher unangenehm empfunden habe. Wer an Tinnitus leidet, weiß, was ich meine.

Das Stück selbst ist als klassische, schicksalhafte Tragödie angelegt, der die Teilnehmer nicht entrinnen können. Ich weiß nicht, vielleicht war es damals wirklich so, oder hat das Stück hier eine dramaturgische Schwachstelle: denn selbst als bereits klar ist, dass "der Sekretär" (Friedrich) die von Leonhard schwangere Klara trotzdem heiraten würde, beharrt Klara darauf, unbedingt diesen Leonhard heiraten zu müssen. Im "richtigen" Leben hätte sie wahrscheinlich dankbar den Sekretär genommen und wäre glücklich mit ihm gewesen bis ans Ende ihrer Tage. Und ihr Vater hätte von der "Schande" nie etwas erfahren.

Apropos Schande: da hat sich in den letzten 150 Jahren doch Einiges zum Besseren gewendet. In Zeiten, in denen Alleinerzieherinnen (seltener auch Alleinerzieher) und Patchwork-Familien völlig normal sind, kann - zumindest in unseren Breiten - kein Vater mehr mit Selbstmord wegen der verloren gegangenen Familienehre drohen.

Die Darsteller haben sich wacker geschlagen, der Applaus war einer Tragödie angemessen - hätte durchaus mehr sein können.

Empfehlung für alle, die auch für eine Tragödie ins Theater gehen und sich von ihr den Abend verderben lassen - also schon eher für hartgesottenere Zuschauer. Aber sie werden belohnt!


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