Dienstag, 6. Oktober 2015

Barbara Stollberg-Rilinger: Europa im Jahrhundert der Aufklärung ★★★★☆

Barbara Stollberg-Rilinger: Europa im Jahrhundert der Aufklärung 


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Wann genau das Jahrhundert der Aufklärung beginnt, lässt sich nicht so leicht ermitteln; die Frühaufklärer treten im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts auf, aber der Rand des Beginns ist nicht scharf abgegrenzt. Fest steht jedenfalls, wann die Aufklärung endete - nämlich 1789 mit der Französischen Revolution. Das Jahrhundert der Aufklärung wird also daher grob mit dem 18. Jahrhundert gleichgesetzt.

Barbara Stollberg-Rilinger, laut Wikipedia eine der herausragenden Historikerinnen der mittleren Generation, beleuchtet dieses Jahrhundert aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Und da gibt es Einiges zu berichten.
Was ist eigentlich Aufklärung? Kant beantwortet diese Frage in seinem Aufsatz mit "dem Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit". Selbstverschuldet ist sie seiner Meinung nach, weil der Mensch sich bisher nicht getraut hat, seinen Verstand zu benutzen. Er ruft die Menschheit auf "Trau dich zu wissen! Nur Mut!"

Denn Mut gehörte damals schon noch dazu. Die Welt stand zwar im Umbruch wie wahrscheinlich nie zuvor; aber die alten Strukturen wie etwa Monarchie, Adel oder Klerus hatten schon noch ausreichend Macht, um den Aufklärern das Leben zu versauern. Diderot verbrachte einige Jahre in Haft, weil er als Herausgeber der Enzyklopädie den Kopf für die revolutionären Inhalte hinhalten musste.

Was war denn so im Umbruch? 

Praktisch alles. Ständische Grenzen wurden aufgeweicht und Zünfte immer unbedeutender, weil die Handwerker mehr und mehr als Lohnarbeiter in den vorindustriellen Manufakturen arbeiteten. Die Art der Kommunikation lief damit auch nicht mehr innerhalb der Stände und Verbände, sondern vor allem über Bücher und die aufkommenden Zeitungen und Zeitschriften, sowie über die in Mode kommenden Salons. In diesen Salons kamen Interessierte aus allen Schichten zusammen und diskutierten allerlei neue Ideen; organisiert wurden diese Salons sehr oft von Frauen, die auf diese Art ebenfalls in die politische Diskussion eingebunden waren. 

Auf den Univeritäten wurden damals hauptsächlich Bücher der antiken und mittelalterlichen Philosophen vorgelesen; Forschung, so wie wir sie heute von den Unis kennen, gab es nur auf den neu gegründeten Akademien. Das dort erworbene Wissen in allen Bereichen der Naturwissenschaften wurde in Vortragsreihen und Zeitschriften verbreitet.

Neue Erkenntnisse in der Landwirtschaft wurden durch "Patriotische Gesellschaften" unters Volk gebracht, neue Pflanzen (Kartoffel!) konnten trotzdem nur langsam und nur durch langes Zureden in Europa Fuß fassen, waren dann aber umso erfolgreicher.

Und last but not least wurden neue Staatskonzepte modern: Gewaltentrennung (Locke, Hume), neue Bilder von der Entstehung und dem Sinn von Staaten (Locke, Rousseau); in der Volkswirtschaftslehre sowie Arbeitsteilung (Adam Smith und seine "unsichtbare Hand") setzte sich die Erkenntnis durch, dass Einwohner nur dann gute Steuerzahler sind, wenn man sie auch selbst wirtschaften lässt und ihnen Einkommen ermöglicht. Und und und.

Das alles und noch viel mehr beschreibt Barbara Stollberg-Rilinger in sehr direkter und gut lesbarer Sprache - für Laien wie mich ohne weiteres bewältigbar. Im Anhang bietet sie noch Auszüge aus maßgeblichen Schriften dieser Zeit sowie natürlich ein ausführliches weiterführendes Literaturverzeichnis.

Insgesamt ein sehr gelungenes Buch!

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