Mittwoch, 14. Oktober 2015

Ian McEwan: Unschuldige ★★★★☆

Ian McEwan: Unschuldige 


Kein Cover verfügbar

Im Kalten Krieg zapften die britischen und amerikanischen Geheimdienste mit Hilfe eines Tunnels Telefonleitungen der Ostzone an - und das gleich zwei Mal: einmal in Wien und einmal in Berlin. Der Roman ist um die Aktion in Berlin aufgebaut, dazu kommen noch eine Liebes- und eine Totschlagsgeschichte. Und das alles - wie meistens bei Ian McEwan - großartig erzählt!

Die Operation Silver in Wien war ja noch ein voller Erfolg: drei Jahre lang konnte der Westen Telefongespräche der Sowjets abhören, indem er ein Kabel in der Ostzone bei Schwechat anzapfte. Um an dieses Kabel heranzukommen, musste aber erst von Simmering nach Schwechat (d.h. vom West- in den Ostsektor) ein Tunnel gegraben werden. Nach diesen drei überaus ergiebigen Jahren brachte eine Straßenbahn den Tunnel zum Einsturz und die Aktion damit zum Erliegen.

Und weil es in Wien so gut gelaufen war, wollten die westlichen Geheimdienste das Ganze in Berlin wiederholen - die Operation Gold wurde ins Leben gerufen. Allerdings wurde der Plan bereits in der Vorbereitungsphase durch einen Spion verraten. Die Sowjets ließen sich aber nichts anmerken und ließen die Amerikaner und Briten weiterbuddeln. Sie führten halt dann auf diesen Leitungen nur noch Gespräche über das Wetter und sonstiges belangloses Zeug. Nach einem Jahr wurden angebliche Telefonstörungen nach starkem Regen zum Anlass genommen, um die Sache auffliegen zu lassen und propagandistisch auszuschlachten.

Soweit die Vorgeschichte.

Der Roman setzt zu einem Zeitpunkt ein, als der Tunnel in Berlin bereits beinahe fertig gestellt ist und nur noch elektronisch ausgestattet werden muss. Dazu wird ein britischer Techniker ins Team geholt - Leonard, unsere männliche Hauptperson im Buch. In einem Lokal lernt er Maria (die weibliche Hauptperson) kennen und lieben. Alles läuft bestens, bis eines Tages Marias Exmann Otto auftaucht, wie immer Geld fordert und wie immer gewalttätig wird. Als er wieder einmal erscheint, kommt es zu einem Kampf, bei dem Otto versehentlich getötet wird. Im Leben von Leonard und Maria ist nichts mehr wie zuvor und die Handlung nimmt ein paar scharfe Wendungen.

Aber das ganze wird natürlich nicht so nüchtern und knapp beschrieben wie hier, sondern in typischer McEwan-Manier, sprich meisterlich. Besonders hervorzuheben sind die witzigen Szenen in der Abhöranlage mit ihren paranoiden und ans Absurde grenzenden Sicherheitsbestimmungen sowie die Szene, in der die beiden Ottos Leiche verschwinden lassen. Also da war ich dann schon direkt froh, als ich dieses eher unappetitliche Kapitel abgeschlossen hatte, denn natürlich erzählt er auch diese Stelle meisterlich und anschaulich und sehr naturalistisch. Direkt genial ist dann der Schachzug mit den Koffern, der zwar so nicht geplant war, aber letztlich wunderbar funktioniert hat.

Die handelnden Personen sind alle frei erfunden, bis auf George Blake. Ihn gab es wirklich, und er war es auch, der den Plan an den Osten verraten hat.

Ich denke, dass ich trotz aller Angaben nicht zu viel verraten habe, denn es steckt noch genug drinnen in diesem Buch, sodass sich das Lesen auf alle Fälle lohnt. Es geht ja hier nicht so sehr um die Handlung an sich (ja, schon auch), sondern vor allem um das Vergnügen, dem Autor beim Ausbreiten seiner Geschichte zuzusehen!

Und ein Vergnügen ist es, denn schreiben kann er wirklich!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen