Mittwoch, 9. September 2015

"Der Revisor" im Burgtheater

Unsere Theatersaison hat wieder begonnen! Gestern Abend hatten wir die erste Vorstellung und sie war Gogols Revisor gewidmet. Die Aufführung begann bereits um 18:00h, was schon einmal verdächtig ist: warum beginnt sie so früh? Ahhh ja, sie dauert ja auch 4,5 Stunden!

Gemeinderatssitzung im Salon des Bürgermeisters
Foto: Burgtheater / Reinhard Werner




Der Inhalt ist rasch erzählt. In einem russischen Städtchen geht das Gerücht um, dass ein Revisor aus der Hauptstadt St. Petersburg auf dem Weg hierher ist, um nach dem Rechten zu sehen ("inkognito. Ich bringe dieses Wort 'inkognito' nicht aus dem Kopf"). In einem eilends einberufenen Gemeinderat bekommt jeder noch schnell ein paar Anweisungen, was in seinem Bereich in Ordnung zu bringen ist, damit der Revisor keinen falschen - nämlich schlechten - Eindruck bekommt. Ab sofort bitte keine Schmiergelder mehr annehmen oder austeilen. Im Gerichtssaal müssen nicht unbedingt die Gänse des Richters herumlaufen. Auch der Leiter des Armenhauses, der Schuldirektor und der Arzt bekommen ähnlich gelagerte Anweisungen.

Plötzlich trifft die Nachricht ein, dass der Revisor offensichtlich schon in der Stadt ist: er wurde im Wirtshaus gesehen, ist dort unbekannt und kommt aus St. Petersburg, also muss er es sein. Tatsächlich ist es aber ein mittelloser Taugenichts mit seinem Freund; die beiden haben auf ihrer Reise sämtliche Rechnungen geprellt und leiden entsetzlich an Hunger. Man lässt dem vermeintlichen Revisor diverse Führungen und Essensrationen zukommen und steckt ihm immer wieder Geld zu. Irgendwann fällt bei diesem der Groschen und er versteht, dass er offensichtlich mit einer hochgestellten und gefürchteten Persönlichkeit aus St. Petersburg verwechselt wird und spielt das Spiel ab sofort mit. Zu guter Letzt bändelt er auch noch mit der Frau und der Tochter des Bürgermeisters an, letzterer verspricht er sogar die Ehe. Bevor es dazu kommt, muss er sich aber noch den Segen seines Onkels für diese Ehe abholen. Er reist also ab mit der Zusage, in zwei Tagen wieder zurück zu sein.

Uns als Zuschauern ist natürlich klar, dass der nie wieder kommt, sondern mit dem Geld längst über alle Berge ist. Der Postmeister hat vorausschauend einen Brief geöffnet, aus dem genau das hervorgeht. Zunächst will ihm ja keiner glauben, aber letztlich müssen sich doch alle mit der bitteren Wahrheit abfinden - auch die tief enttäuschte Braut.

Noch träumen alle von einem schönen neuen Leben in St. Petersburg
Foto: Burgtheater / Reinhard Werner

Die Aufführung beginnt mit einer Einlage à la "Stomp", indem mit allen möglichen Tellern, Gläsern und Töpfen Musik gemacht wird; das dauert schon einmal etwa 10 Minuten. Schön langsam beginnt man als Zuschauer zu ahnen, warum das Ganze 4:15h dauern wird. In weiterer Folge gibt es zwei Längen im Stück, die etwas kürzer ausfallen könnten; abgesehen davon sind diese 3,5h (Nettospielzeit) aber recht kurzweilig und unterhaltsam.

Das Ensemble hat sichtlich Spaß an dem Stück und diese gute Stimmung überträgt sich auch auf das Publikum. Der Regisseur bringt auch den einen oder anderen Kalauer, bremst sich aber immer rechtzeitig ein, sodass es nie peinlich wird. Zum Schluss, wenn klar wird, dass aus dem glorreichen neuen Leben in der Hauptstadt nichts wird, ist es ganz ruhig im Saal: die Zuschauer leiden mit den armen, geprellten Tröpfen mit, sie sind genauso enttäuscht wie die naiven Provinzler auf der Bühne.

Dort sind übrigens auch drei echte Hühner unterwegs, die sich aber meistens recht ruhig verhalten und nur zwischen den Schauspielern, den Tischen und den Stühlen frei herum spazieren. In den Publikumsraum verirren sie sich allerdings nie. Nur einmal, gerade als der Bürgermeister zu einer Ansprache anheben will, musste der Hahn kurz, aber lautstark, die Hackordnung wiederherstellen. Michael Maertens ließ sich aber nicht aus dem Konzept bringen und setzte seine Rede fort als wäre nichts geschehen.

Insgesamt also ein sehr gelungener Theaterabend; die Aufführung wurde daher vom Publikum mit großem Applaus belohnt. Zu Recht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen