Donnerstag, 2. Oktober 2014

Ulrich Seidl: Im Keller

Im Vorfeld konnte man ja schon so Einiges lesen und hören über diesen Film. Da waren Gemeinderäte im Burgenland plötzlich keine Gemeinderäte mehr, sie wurden sogar von der Partei (ÖVP) ausgeschlossen. Und das, obwohl ihnen sogar das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes zugesteht, dass es sich dabei nicht um Wiederbetätigung sondern "nur" um Verharmlosung handelt. Aber als Politiker waren sie natürlich nicht mehr tragbar.

Und selbstverständlich ist da auch der Ruf, der Ulrich Seidl-Filmen immer voraus eilt. Der offizielle Trailer gibt einen ganz guten Vorgeschmack auf das, was einen so erwartet:



Gestern war es dann für uns soweit: Jutta, Philip und ich haben uns diesen Film angesehen; und die Erwartungen wurden nicht enttäuscht!



In einer bunten Abfolge von einzelnen Szenen wird geschildert, was Herr und Frau Österreicher in ihren Kellern so treiben. Manche Schauplätze kommen mehrfach im Film vor, immer wieder unterbrochen durch andere.

Vom Inhalt und den Figuren her kann man sich das ungefähr wie Elizabeth T. Spiras "Alltagsgeschichten" vorstellen, nur noch viel viel schlimmer. Ulrich Seidl wird diesen Vergleich vielleicht nicht sehr gerne hören, aber das ist es nun einmal, was mir dazu einfällt.

Die Kameraeinstellungen sind einfach nur als brutal zu bezeichnen. Selbst wenn die Augen der Zuschauer vor lauter Fremdschämen bereits bluten, bleibt Ulrich Seidl mit der Kamera immer noch drauf.

Ich werde jetzt die einzelnen Schauplätze bzw. Themen aufzählen, aber nur in Form von Stichworten. Die, die den Film kennen, werden sich erinnern. Denen, die ihn noch nicht gesehen haben, möchte ich nicht zuviel verraten, um ihnen nicht den Spaß zu verderben.

Also:

  • Schießplatz und Schießübungen eines verhinderten Sängers
  • die Schlange
  • der eingangs zitierte Nazikeller
  • Waschmaschinen
  • ein Funkraum
  • ein Jäger in Afrika mit einer Vorliebe für Wiener Schnitzel
  • schlafende Junkies
  • Jugendclub und Proberaum für eine Band
  • Kellerstüberl mit ehemals teurer Einrichtung
  • Bar mit "Da sprach der alte Häuptling der Indianer" im Hintergrund
  • Laufband und Rudermaschine
  • Pool
  • Automatische Waffen und ein Regal voll mit Munition
  • Eisenbahn
  • der Große Ejakulator
  • Sado-Keller mit Flaschenzug
  • Maso-Keller
  • eine Puppe


Zu den letzten drei Schauplätzen möchte ich aber schon noch ein paar Dinge sagen.

Beim Sado-Keller hat man gemerkt, dass die beiden Personen wirklich absolutes und unbedingtes Vertrauen zueinander haben, sonst würde das Ganze nicht funktionieren. Auch wenn mir diese Welt vollkommen fremd ist, war gerade dieses Verhältnis der beiden zueinander sehr beeindruckend.

Beim Maso-Keller berichtet eine Frau von ihren beiden gescheiterten Ehen; gescheitert sind sie, weil die Männer gewalttätig wurden - gegen ihren Willen, gegen ihre Zustimmung. Darauf kommt es nämlich an. Wenn sie sich freiwillig der Gewalt aussetzt, ist das für sie ein Genuss und sie kann ihre Gedanken frei fliegen lassen und sich entspannen. Auch das ist für mich nicht nachvollziehbar, aber so ist es nun einmal.
Und als besondere Pointe (die muss ich einfach loswerden): beruflich ist sie bei der Caritas - zuständig für misshandelte Frauen!

Ferndiagnosen sind problematisch und fragwürdig, ich weiß. Aber hier waren wir uns einig: diese Frau mit der Puppe muss ein traumatisches Erlebnis mit einem Kind durchgemacht haben; Näheres wird nicht erklärt. Das war auch der Schauplatz, der am meisten beeindruckt und verstört hat.

Insgesamt war der Film sehr sehenswert und sehr kurzweilig. Wir waren alle überrascht, dass die 85 Minuten so schnell vergangen waren!

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PS: dieser Post wurde selbstverständlich im Keller verfasst!

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