Freitag, 20. September 2013

Von Erdbeben und Grubenhunden

Bekanntlich gab es ja vergangene Nacht ein kleines Erdbeben, als dessen Zentrum Ebreichsdorf ermittelt wurde.

Aber anscheinend war es doch so stark, dass die Medien heute intensiv darüber berichteten. Am weitesten hat es meiner Meinung nach der Standard getrieben, der seine Leser auffordert, ihre Erlebnisse zu schildern. Im Zeitalter von Online-Zeitungen und -Foren sicherlich reizvoll und schnell auf die Beine gestellt, aber auch nicht ganz ungefährlich - wie die berühmte Geschichte vom Grubenhund zeigt.

Am 16.11.1911 war in Wien ein Erdbeben deutlich zu spüren, obwohl sein Zentrum damals etwa 500km westlich lag (Albstadt-Ebingen in Baden-Württemberg). Auch damals haben zahlreiche Leser ihre Beobachtungen an Zeitungen gemeldet; aber damals (so wie heute) waren die meisten der Meldungen in der Preisklasse "... und mein Nachtkastel hat auch gewackelt". Außerdem gab es damals (wie heute) zahlreiche vermeintliche Besserwisser, die mit technischen Begriffen nur so um sich schmissen, sie dabei aber großteils falsch verwendeten.

Das hat Arthur Schütz so verärgert, dass er beschloss, die "Neue Freie Presse" mit einem ganz besonderen Kuckucksei zu beglücken. Er baute darauf, dass die Neue Freie Presse einem Leserbrief mit zahlreichen technischen Details aber gezeichnet von einem Experten nicht widerstehen würde können - und er hatte recht.

Sein Leserbrief, unterschrieben mit "Dr.-Ing. Erich Ritter von Winkler", von Beruf Bergbau-Ingenieur und somit ein Fachmann, ging ungefiltert in Druck. Der Brief war gespickt mit Fachbegriffen und der berühmteste Satz daraus lautete:
Völlig unerklärlich ist jedoch die Erscheinung, dass mein im Laboratorium schlafender Grubenhund schon eine halbe Stunde vor Beginn des Bebens auffallende Zeichen größter Unruhe gab.
Mit Grubenhund war aber nicht ein Haustier, sondern ein Kohleförderwagen gemeint, und der wird üblicherweise "Grubenhunt" geschrieben. Den meisten Lesern war das klar, nur der Redaktion war das in der Hektik des Alltags entgangen.

Tags darauf gab sich Dr. Winkler aber als Arthur Schütz zu erkennen und die Redaktion war bis auf die Knochen blamiert. Der Grubenhund bezeichnet seither diese Klasse von Leserbriefen, im Internetzeitalter auch als Hoax bekannt.

Wieder zurück zum heutigen Beben: Meiner Meinung nach schreit die Umfrage im Standard (und ev. in anderen Zeitungen) förmlich nach einem neuen Grubenhund; es kann nur noch eine Frage der Zeit sein...

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