Mittwoch, 8. Juni 2016

Maria Schrader: Vor der Morgenröte

Derzeit läuft in unseren Kinos der biografische Film "Vor der Morgenröte", der die letzten Jahre des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig zum Thema hat. Maria Schrader hat einen leisen, sehr schön fotografierten Film vorgelegt, der von einem feinen Schauspielerensemble getragen wird. Gundi, Fritz, Jutta und ich haben ihn gestern gesehen.






Man muss aber schon ein wenig Interesse für Stefan Zweig, sein Leben und sein Werk mitbringen, sonst ist einem der Film wahrscheinlich zu leise! Ich hab vor zwei Jahren einiges von ihm gelesen (siehe Buchliste, Jahr 2014) und war jedesmal beeindruckt - vor allem von seiner mächtigen, eleganten Sprache. Wer - nur zum Beispiel - ein lebendiges Bild von Europa des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts sehen will, dem möchte ich seine Autobiografie "Die Welt von gestern" dringend ans Herz legen!

Aber zurück zum Film. Die Handlung setzt 1936 ein, als Stefan Zweig bereits im Exil lebt. Einerseits glücklich, dass er dem Irrsinn in Europa entronnen ist, leidet er auf der anderen Seite darunter, dass so viele andere es nicht geschafft haben und es auch nie schaffen werden. Er, der gut vernetzte und international bekannte Schriftsteller, wird täglich mit Bittbriefen und Gesuchen bombardiert, doch bitte ein Visum zu besorgen. Er tut, was er kann, er weiß aber eben auch, dass seine Macht, seine Kapazität und seine Nerven nicht unendlich zur Verfügung stehen; gerade darunter leidet er am meisten. Dieses verzweifelte Leiden kommt besonders gut bei einem Besuch in der New Yorker Wohnung seiner ersten Frau Friederike zur Geltung. In dieser Wohnung kommt es im Film übrigens auch zu einem Aufeinandertreffen von erster und zweiter Ehefrau Stefan Zweigs.

Die letzte Station von Lotte und Stefan Zweig ist dann die brasilianische Stadt Petrópolis: weit genug entfernt von Rio, und gerade groß genug, dass für einen Stadtmenschen wie ihn noch ein städtisches Gefühl aufkommen kann; hier gibt es sogar drei Mal die Woche die New York Times! Materiell haben die beiden zwar keine Sorgen, vor allem Stefan aber leidet unter dem Europa-Entzug und es kommt immer öfter zu depressiven Schüben; er nennt das "seine schwarze Leber".

Am 22.2.1942 setzt er mit Tabletten seinem Leben selbst ein Ende, Lotte folgt ihm. Die Hausangestellten finden die beiden am folgenden Morgen tot in ihrem Bett. Der Film endet damit, dass sich die Nachricht von ihrem Tod schön langsam im Ort herumspricht und immer mehr Menschen ins Haus kommen. Der befreundete deutsche Journalist Ernst Feder verliest den auf deutsch abgefassten Abschiedsbrief.

Wie gesagt, eher ein Film für Freunde von Stefan Zweig. Denen aber kann ich diesen Film wirklich sehr empfehlen - absolut sehenswert!



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