Mittwoch, 21. Juni 2017

José Saramago: Die Reise des Elefanten ★★★★☆

José Saramago: Die Reise des Elefanten 


Cover: Hoffmann und Campe

Mitte des 16. Jahrhunderts hatte Portugal Südostasien weitgehend für sich erschlossen. Waren, Pflanzen und Tiere aller Art kamen nach Portugal - so auch ein Elefant. Da der König und die Königin eh nicht so recht wissen, was sie mit ihm anfangen sollen, beschließen sie, den Elefanten dem Vettern des Königs als Hochzeitgeschenk zu überreichen. Der Vetter ist allerdings Erzherzog Maximilian von Österreich, der spätere Kaiser Maximilian II., und der hat seinen Regierungssitz in Wien. Also muss auch der Elefant irgendwie nach Wien kommen.

So hat sich das jedenfalls José Saramago zusammengereimt. Historisch korrekt sind jedenfalls sowohl die handelnden Personen als auch die Zeit als auch der Elefant als auch dessen Reise von Lissabon nach Wien. Das Drumherum ist dann eben der schriftstellerischen Fantasie zu verdanken.

Die Bücher von José Saramago (Nobelpreis 1998) sind normalerweise eher ernst - ernst mit manchen ironischen Sprenklern. Hier hat er sich aber einmal als Komödienschreiber betätigen dürfen, und so ist ein recht witziges Buch entstanden, in dem es ordentlich menschelt!



Die Reise hat also tatsächlich stattgefunden! Sie führte den Elefanten zu Fuß von Lissabon zunächst in das spanische Valladolid, weil sich Maximilian gerade dort aufhielt. Diese Strecke wird im Buch recht ausführlich beschrieben, vielleicht auch, weil der portugiesische Autor diese Gegend am besten kannte. An der Grenze zu Spanien wird der Tross von den Österreichern abgeholt, wobei sich eine herrliche Posse der Eitelkeiten entspinnt: die Portugiesen haben den Befehl, den Elefanten in Valladolid abzuliefern, die Österreicher haben den Auftrag, den Elefanten an der Grenze entgegenzunehmen und dann ohne Portugiesen nach Valladolid zu bringen. Nachdem sich die Kampfhähne schon aufgeplustert hatten, gelingt doch noch ein Kompromiss: sie bringen ihn gemeinsam an sein Ziel.

Wobei Valladolid (nordwestlich von Madrid) eben nur ein Zwischenziel ist. Es geht also weiter zu Fuß nach Mar de Rosas an der Südküste Spaniens, jetzt schon ohne die Portugiesen, die gehen wieder zurück nach Lissabon. In diesem Abschnitt ist es wiederum die Reihenfolge im Zug, die Probleme schafft: Elefant vorne oder Erzherzögliche Kutsche? Auch ist der Name des indischen Elefantenführers (Subhro) für Maximilian zu schwierig, weshalb er ihn kurzerhand auf Fritz umbenennt.

Per Schiff geht es weiter nach Genua und von dort weiter zu Fuß über die Alpen bis nach Innsbruck - im Winter! Unterwegs ereignet sich noch ein Wunder vor dem Dom zu Padua, bei dem der Elefant eine zentrale Rolle spielt. In Brixen (dort gibt es heute noch das "Hotel Elefant") machen sie zwei Wochen Pause - Maximilian macht einen Abstecher nach Trient, wo gerade ein Konzil tagt - bevor es in die Schluchten Südtirols und über den Brenner geht. Größtes Problem in diesem Abschnitt ist das Wetter: Schnee, Eis und Lawinen machen allen das Leben schwer. Außerdem ist das Verhältnis zwischen Maximilian und Fritz etwas gestört, weil dieser einen schwungvollen Handel mit Elefantenhaaren aufgezogen hat, die angeblich wundersame Wirkung bei Glatzköpfigkeit haben sollen; und Maximilian hat ihn bei diesem Handel ertappt. Auch beim Wunder in Padua soll nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein, wie man so hört.

In Innsbruck wird wieder auf das Schiff umgestiegen. Praktischerweise mündet der Inn in Passau in die Donau, sodass es auf dem Wasserweg ohne Umsteigen bis Linz gehen kann. Der Rest des Weges bis Wien wird dann wieder zu Fuß zurückgelegt. Der Grund, warum nicht gleich bis Wien das Schiff benutzt wird, wird im Buch erklärt. Es spielt wieder die Eitelkeit eine Rolle - soviel sei verraten.

Wenige Jahre nach Ankunft in Wien stirbt der Elefant. Seine Stoßzähne finden Abnehmer, die Elefantenbeine werden als Schirmständer weiter verwendet und Fritz bricht auf, um zurück nach Lissabon zu gehen. Allerdings verliert sich seine Spur und niemand weiß, ob er dort jemals angekommen ist.

Inhaltlich und thematisch also ein eher ungewöhnliches Buch Saramagos. Ganz gewohnt ist allerdings seine Schreibweise, die weitgehend ohne Satzzeichen auskommt. Das macht das Lesen zu Beginn recht mühsam, man findet allerdings recht bald einen Rhythmus, sodass man sich als Leser die Satzzeichen gedanklich selber setzt. Wie schon in anderen Büchern, so spricht er auch hier manchmal seine Leser direkt an oder räsoniert über das Schreiben und das Geschriebene auf einer Meta-Ebene.

Insgesamt, wie schon gesagt, ein recht witziges Buch voller Ironie und Augenzwinkern!

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