Mittwoch, 4. Mai 2016

Juan Gabriel Vásquez: Das Geräusch der Dinge beim Fallen ★★★★☆

Juan Gabriel Vásquez: Das Geräusch der Dinge beim Fallen 


Cover: Schöffling-Verlag

Mario Vargas Llosa hält den kolumbianischen Autor Juan Gabriel Vásquez für "eine der originellsten Stimmen Lateinamerikas". Er wird wohl wissen, wovon er spricht, immerhin ist er selbst Nobelpreisträger für Literatur.

Dieses Buch behandelt eine sehr dunkle Ära Kolumbiens der jüngeren Geschichte, nämlich Aufstieg und Fall des berühmten Drogenbarons Pablo Escobar, und was es heißt, zu dieser Zeit in Kolumbien gelebt zu haben. Irgendwann nahmen die Kolumbianer schon gar nicht mehr wahr, wer diesmal einem Schussattentat mitten in der Hauptstadt Bogotá zum Opfer fiel.
Antonio, der Ich-Erzähler wird 1999 durch die Nachricht aufgeschreckt, dass ein Nilpferd aus dem Zoo der legendären Escobar-Hacienda Nápoles ausgebrochen ist und von der Polizei zur Strecke gebracht werden musste.

Die Erinnerung an seinen Billard-Partner und späteren Freund Ricardo Laverde wird dadurch nämlich geweckt. Im Zentrum dieser Erinnerung steht vor allem das tödliche Attentat auf Ricardo Ende 1995, bei dem Antonio selbst schwer verletzt wurde, aber überlebte. In dieser zweiten Erzählebene schildert der Autor eben das Attentat und den Versuch Antonios, die Hintergründe zu diesem Attentat aufzuklären. Denn von Ricardo weiß er nicht wahnsinnig viel; nur, dass er ehemaliger Pilot ist, und gerade nach 20 Jahren das Gefängnis verlassen hat. Wo und warum er eingesessen ist, weiß er nicht.

Diese Recherchen führen ihn zur Tochter Ricardos, Maya Fritts. Sie selbst und vor allem die noch vorhandenen Briefe und Tagebucheinträge erzählen uns auf einer dritten Ebene die Geschichte von Ricardo, seiner Frau Elena und deren Tochter Maya. Ricardo ist wie sein Großvater begeisterter Pilot und stellt seine tollkühnen Flugkünste dem jungen Pablo Escobar zur Verfügung. Es kommt, wie es kommen muss: eines Tages wird der fliegende Drogenkurier Ricardo in Florida verhaftet und zu 20 Jahren verurteilt. Die Mutter erzählt der jungen Maya, dass Papa tot ist und nicht mehr kommen wird.

Das alles erfährt Antonio an mehreren Tagen in der alten Villa von Ricardo, Elena und Maya. Er ist so konzentriert bei der Arbeit, dass er seine junge Familie zu Hause in Bogotá vernachlässigt. Als er nach Auflösung des Rätsels wieder in seine Wohnung kommt, findet er sie leer vor.

Der Titel des Romans bezieht sich auf einige Dinge und Menschen, die fallen, und welche Geräusche damit verbunden sind.

Das Buch hat eine gute Geschichte, sie wird überaus lebendig erzählt und es lässt einen als Leser an den Schicksalen der handelnden Personen teilhaben. Gabriel Vásquez hat mit diesem Roman einen hoch dotierten Preis gewonnen, was sicherlich in Ordnung geht: sprachlich lässt er Durchschnittsware weit hinter sich.

Aber für den fünften Stern fehlt noch ein bisschen was. Mario Vargas Llosa wurde als Messlatte eingangs schon erwähnt. Eine zweite steht auch noch mit Juans Landsmann Gabriel García Márquez bereit, der ebenfalls Nobelpreisträger war. Der junge Mann hat es also wirklich nicht leicht, aus dem Schatten dieser beiden lateinamerikanischen Überväter herauszutreten - aber sie sind nun mal da und er wird wahrscheinlich immer an ihnen gemessen werden.

Ob das jetzt fair ist oder nicht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen