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Samstag, 22. März 2025

Johanna Sebauer: Nincshof ★★★★★

 Johanna Sebauer: Nincshof  ★★★★★


Cover: DUMONT

Tja früher! Früher war alles besser!

Früher, als in ganz Kakanien niemand etwas von Nincshof wusste. Der Name allein sagt ja schon alles: Er kommt aus dem Ungarischen, wo "nincs" (gesprochen "nintsch") soviel bedeutet wie "gibt's nicht". Früher, da stand Nincshof mitten im Sumpf östlich des Neusiedlersees, von Schilf meterhoch überwuchert. 

Aber dann, so Anfang des 20. Jhdts, wurde der Sumpf trockengelegt und das Dorf kam zum Vorschein. Damit war dann aber Schluss mit der Ruhe. Schade.

Darum möchten ein paar Einwohner von Nincshof, die noch zarte Erinnerungen an diese Zeit haben (und sei es nur aus Erzählungen), dass das Dorf wieder aus dem Gedächtnis der Umgebung verschwindet. Konsequenterweise nennen sie sich daher "Oblivisten" (von lat. "oblivio" – das Vergessen). 

Sie setzen schon allerlei Maßnahmen, aber sie stehen vor gewaltigen Hindernissen. Da wären etwa die vielen radfahrenden Touristen; und vor allem dieses vor zwei Jahren zugezogene Paar: Sie eine Filmemacherin, er ein spinneter Ziegenzüchter. Wenn sie einen Film über Nincshof dreht und er groß in den Tourismus einsteigt, kannst du das mit dem Vergessen gleich wieder vergessen!

All das und noch viel mehr verpackt Johanna Sebauer in ihren Erstlingsroman. Diese Geschichte ist so voll mit originellen Ideen und so witzig und locker-flockig geschrieben, dass das Lesen ein echtes Vergnügen war!


Ich möchte nicht mehr allzuviel verraten, das Wichtigste hab in der Einleitung schon genannt.

Die Radfahrer sind ja nur ein Problem. Aber da sind ja auch noch das Internet, die Wikipedia, die Wegweiser, die Ortstafeln und noch viel mehr.

Die härteste Nuss stellen aber mit Abstand die beiden Zugereisten dar. 

Ein Film über Nincshof und dessen geheimnisvolle Geschichte würde den Oblivisten grade noch fehlen. Denn irgendwas muss gewesen sein, so Anfang des 20. Jhdts, soviel hat die Filmemacherin schon mitbekommen. Es hat etwas mit dem Einserkanal und der damit verbundenen Trockenlegung des Sumpfes zu tun – aber was genau? Die Oblivisten erkennen die Gefahr und versuchen natürlich, die spärlichen Informationen, die es noch gibt, zurückzuhalten.

»Wissen Sie«, sagte Isa Bachgasser und lehnte sich auf ihre zarten Ellenbogen gestützt über den Empfangstresen, »ich habe den Eindruck, dass Nincshof ein ziemlich ungewöhnliches Dorf ist. Aber es scheint niemanden zu verblüffen. Ich habe das Gefühl, ich bin die Einzige, die Nincshof für eine große Merkwürdigkeit und ein großes Rätsel hält.«

»Frau Bachgasser«, sagte der Bibliothekar daraufhin und starrte sie mit müden Augen an, »das ganze Burgenland samt seinen Bewohnerinnen und Bewohnern ist eine einzige Merkwürdigkeit und ein einziges Rätsel. Ich wünsche Ihnen viel Glück, falls Sie vorhaben, es zu entschlüsseln.«

Er seufzte schwer.

»Ich lebe nun schon seit mehreren Jahrzehnten hier, und ich habe irgendwann gemerkt, dass ich gut beraten bin, wenn ich den Dingen, die hier passieren, mit einer Offenheit begegne und mit einer Neugierde, die nicht zwingend ein Ziel verfolgt. Ich lasse alles geschehen, wie es eben geschieht. Wissenschaftliche Freude am Zerlegen und Zerkleinern und an der Suche nach Kausalitäten hat sich hier im Burgenland nicht bewährt. Für mich zumindest nicht.« Er zuckte mit den Schultern. »Das mag aber auch am Alter liegen.«


Ihr Mann hat sich in den Kopf gesetzt, ganz spezielle peruanische Ziegen zu züchten – in Nincshof. Aber damit nicht genug! Ein befreundeter Weinbauer bringt ihn auf den Gedanken, mit diesen Ziegen Wanderungen zu veranstalten und diese im Internet anzubieten – nach dem Motto: Lamawanderungen waren gestern! Und dann stellt der auch noch eine Kamera im Ziegenstall auf und streamt die Bilder live ins Internet!

Was denn noch alles? Die Oblivisten sind jedenfalls ganz schön gefordert! Immer wieder fallen ihnen Gegenmaßnahmen ein, da sind sie durchaus kreativ.

Wie das Ganze dann weitergeht und endet, wird hier natürlich nicht verraten.

Ich würde euch damit um ein wirklich unterhaltsames Leseerlebnis bringen! Ein tolles Produkt ihrer Fantasie, das die junge Autorin da abgeliefert hat, Hut ab! Volle Leseempfehlung!











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